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»Eine Frage noch«, sagt Ramanandacharya, als er Shiv den Palmer mit der kopierten Datei zurückgibt. »Wozu brauchen Sie das?«

»N. K. Jivanjee will mit den Leuten aus dem Weltraum sprechen«, sagt Shiv und steckt den Palmer in eine seiner vielen Hosentaschen. »Jetzt raus hier.«

Der Trick mit dem Fingerring lässt die Roboter wieder zurückweichen. Shiv erkennt in Ramanandacharyas Gesicht, dass er glaubt, dass sie ihn freilassen werden, doch dann ändert sich sein Ausdruck, als Yogendra ihn mit der Waffe anstupst, damit er weitergeht. Es ist kein hübscher oder erbaulicher Anblick, einen fetten Kerl zu beobachten, der sich vor Angst nassmacht. Shiv verpasst dem Datenraja einen weiteren Schlag.

»Könnten Sie bitte damit aufhören? Das nervt!«, regt sich Ramanandacharya auf.

Yogendra zwingt ihn, sie durch das Touristentor zum ehemaligen Lager der indischen Armee zurückzubringen. Sie zwängen sich durch die Lücke im Wellblechzaun. Shiv steigt auf sein Bike und startet den guten, zuverlässigen kleinen japanischen Motor. Er schaut sich nach Yogendra um und sieht, dass er über dem knienden Datenraja steht. Er hat Ramanandacharya den Lauf der Stechkin in den Mund gesteckt. Der Mann leckt daran. Er fährt mit der Zunge über die Mündung, leckt und schleckt liebevoll. Yogendra grinst.

»Lass ihn in Ruhe!«

Yogendra runzelt die Stirn, zutiefst und aufrichtig verärgert. »Warum? Wir sind mit ihm fertig.«

»Lass ihn. Wir müssen verschwinden.«

»Er könnte Leute anrufen, die uns verfolgen.«

»Lass ihn!«

Yogendra rührt sich nicht von der Stelle.

»Scheiße!« Shiv steigt ab, zieht eine Kette aus Taserminen aus der Tasche und ordnet sie im Kreis um Ramanandacharya an. »Jetzt lass ihn in Ruhe.«

Yogendra zuckt mit den Schultern und schiebt die Waffe in eine Hosentasche. Shiv drückt auf den Knopf, der die Minen scharf macht.

»Danke danke vielen vielen Dank«, wimmert Ramanandacharya.

»Lassen Sie das, ich hasse es, wenn jemand bettelt«, sagt Shiv. »Bewahren Sie sich einen Rest von Würde, Mann.« Der Nawab von Scheiß-Chunar. Wollen doch mal sehen, ob eine von deinen vierzig Frauen jetzt noch mit dir schläft. Shiv dreht am Gashebel und lässt das japanische Motorrad davonschießen, dicht gefolgt von Yogendra. Die Aktion ist beendet, jede Heimlichkeit oder Vorsicht ist überflüssig geworden. Die Maschinen dröhnen offen und sichtbar durch die Stadt, am leuchtenden Ei des Datenzentrums und schließlich an den letzten Lichtern von Chunar vorbei. Erst danach kommt der Jubel. Es ist geschafft. Sie haben den Kode bekommen, und sie kehren unversehrt zurück.

Ein Saum aus regenschwangerer Dämmerung erhellt den östlichen Horizont. Wenn sich der Vorhang zur Gänze geöffnet hat, so wird Shiv klar, wird er wieder in seiner Stadt sein, und er wird seine Belohnung erhalten, und er wird all seine Schulden bezahlen, und er wird frei sein. Er wird ein Raja sein, und nie wieder wird jemand es wagen, ihm etwas zu verweigern. Er stößt einen Freudenschrei aus, lässt sein Motorrad wie ein Verrückter auf der Straße hin und her schlenkern, von der einen Seite zur anderen, jauchzend und krächzend und schreiend, wilder als die wilden Schakale da draußen in der Nacht. Er fährt bewusst nahe an den weichen Straßenrand heran, spielt mit dem aufgerissenen Asphalt, dem tückischen Sandstreifen. Nichts kann Shiv Faraji etwas anhaben.

Als er wieder auf die Straße schwenkt, hört er es, spürt er es durch die Stoßdämpfer des Motorrads. Rennende Füße in der ländlichen Vordämmerung. Mit Titan beschuht, immer näher kommend, schneller, als etwas auf Beinen rennen können sollte. Shiv blickt sich um. Der Himmel ist bereits hell genug, um den Verfolger erkennen zu können. Er hält den ausbalancierten Körper dicht am Boden. Er rennt auf zwei starken Beinen wie ein monströser Dämonenvogel, der ihnen hinterhergeschickt wurde. Er holt langsam, aber stetig auf. Ein Blick auf den Tacho verrät Shiv, dass er mindestens achtzig Sachen draufhat.

Yogendra gibt eine Sekunde nach Shiv Gas, aber wenn sie die Bikes auf dieser zerbröckelnden, schmierigen Landstraße auf Höchstgeschwindigkeit bringen, würde das einen genauso sicheren Tod bedeuten wie das Ding hinter ihnen. Shiv beugt sich tiefer über das Lenkrad, um ein möglichst kleines Ziel für die esoterische Feuerkraft abzugeben, mit der die Maschine ausgestattet sein dürfte. Bald muss die Abzweigung kommen. Über dem Dröhnen des Yokohama-Motors kann er das metallische Stampfen hören. Der Baum, die Mineralwasser-Reklame, hier ist es, bestimmt. Er ist so sehr damit beschäftigt, sich umzublicken, dass er beinahe verpasst hätte, wie Yogendra mit dem Motorrad den Asphalt verlässt und auf den Feldweg abbiegt. Shiv gerät in Panik und bremst, übersteuert, streckt einen Fuß aus, wäre fast auf der Landstraße ausgerutscht, bevor er das Motorrad auf den Sandweg lenken kann.

Er hat es gesehen. Dort hinter ihm, die Straße entlang, rennend, grau im Indigoblau, als würde es niemals aufgeben, niemals ermüden, unablässig hinter ihnen herrennen, um die ganze Welt herum.

Die Dal-Büsche weichen festgedrücktem, von Regentropfen übersätem Sand. Die Reifen schleudern Erde in die Luft, und da ist das Boot, wo sie es zurückgelassen haben, mit dem Anker im Sandufer, von der Strömung herumgedreht, tief im Wasser vom schweren Kielraum, und daneben steht ein Brahmane, hüfttief im Fluss, den Stoff über die Schulter geworfen, während er Wasser aus den aneinandergelegten Händen vergießt und Mutter Ganga den Morgengruß darbringt. Shiv bringt das Bike schlitternd zum Stehen, springt ins Wasser, versucht die noch heiße Maschine ins Boot zu heben.

»Zurücklassen zurücklassen!«, brüllt Yogendra.

Der Brahmane singt.

»Damit können sie unsere Spur verfolgen«, schreit Shiv zurück.

»Mit den Minen können sie unsere Spur verfolgen.« Yogendra fährt mit seinem Bike in den Fluss, es kippt platschend um und versinkt langsam im Treibsand. Er löst den Anker, als Shiv sich ins Boot wirft. Es schaukelt auf unangenehme Weise, und eine verdammt große Menge Wasser hat sich unter den Sitzbänken gesammelt, aber jetzt kann er nicht mehr nasser werden, sondern höchstens sehr viel toter. Der Roboter taucht über dem Dünenkamm auf und reckt sich zu voller Größe empor. Er ist ein böser Rakshasa auf der Jagd, teils Vogel, teils Spinne; zwischen den Mandibeln entfaltet er Fühler und Gliedmaßen und zwei Maschinengewehre.

Der Brahmane starrt das Ding an.

Yogendra stürzt zum Motor. Einmal ziehen, zweimal ziehen. An der sandigen Böschung steigt der Jäger einen Schritt hinunter, um besser zielen zu können. Dreimal ziehen. Der Motor springt an. Das Boot rast davon. Ramanandacharyas Maschine macht einen Satz und landet bis zu den Kniegelenken im Wasser. Der Kopf richtet sich auf das Ziel aus. Yogendra steuert das Boot zur Mitte des Stroms. Der Roboter watet ihnen hinterher. Dann erinnert sich Shiv an Anands clevere kleine Granate, die er in einer seiner Taschen hat. Kugeln lassen das Wasser hinter Yogendra im Heck explodieren. Er duckt sich. Der Brahmane am Ufer geht in die Hocke, hält sich die Hände über den Kopf. Die Granate fliegt in einem anmutigen, glitzernden Bogen durch die Luft. Sie fällt platschend ins Wasser. Nichts ist zu sehen, nichts ist zu hören, nur ein winziges Knacken, als sich die Kondensatoren entladen. Der Roboter erstarrt. Die Waffenläufe richten sich himmelwärts, zerreißen die Dämmerung mit Kugeln. Seine Knie knicken ein, und er geht unter wie ein Gunda mit Bauchschuss. Die Mandibeln und Greifer spreizen sich, und er kippt vornüber in den Schlick. Der weiche silbrige Treibsand hat ihn im nächsten Moment verschluckt.