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»Lenny Bruce war kein Desi«, sagt Vishram Ray. Er stößt schnaufend den Atem aus. »Also los.« Marianna Fusco lässt sich von ihrem Marmorsitz gleiten und wischt die Linie ins Waschbecken.

Wenn sie ihm eine Zigarette angeboten hätte ...

Vishram macht sich auf den Weg durch den Korridor. Seine Ledersohlen knirschen leise auf den polierten Holzintarsien. Marianna und Indira sind hinter ihm, und mit jedem Schritt geht er etwas aufrechter, etwas stolzer. Der Aufwärmer hat inzwischen das Publikum vorbereitet, die Leute bearbeitet, die Säfte zum Fließen gebracht, ihr auf der linken Seite klatscht, ihr auf der rechten pfeift, ihr auf der Galerie brüllt ganz laut! Für! Mister! Vishram! Raaaaaaay!

Die Türflügel aus geschnitztem Holz schwingen auf, und alle Gesichter am transparenten Tisch richten sich auf Vishram. Ohne ein Wort verteilt sich sein Gefolge um den Tisch und nimmt die zugeteilten Plätze ein, Indira zu seiner Rechten, Marianna Fusco zu seiner Linken, ihre Berater in den Kulissen. Indira hat seit fünf Uhr an diesem Morgen mit ihnen geprobt. Als er seinen Palmer und den Aktenkoffer mit kunstvollen Holzintarsien (kein Leder: die Philosophie eines ethischen Hindu-Energieunternehmens) an seinem Platz am Kopfende des Tisches ablegt, nickt Vishram rechts Govind und links Ramesh zu. Er bemerkt, dass Ramesh wenigstens in einen anständigen Anzug investiert hat. Sein Bart sieht nicht ganz so struppig aus. Zeichen. Es gibt keinen Unterschied zu einem Comedy-Auftritt oder einem Gerichtsprozess, es geht immer darum, die Zeichen zu lesen. Das Team Vishram wartet darauf, dass sich sein Leader setzt. Die Berater beäugen sich gegenseitig. Vishram wirft einen Blick auf die Aktionäre. Indira-online verfügt über eine raffinierte kleine Info-Funktion, die ihn automatisch mit einem Profil, prozentualen Hochrechnungen, dem bisherigen Wahlverhalten und Einschätzungen versorgt, wie sie sich diesmal entscheiden werden. Viele der Aktionäre sind virtuell vertreten, entweder über Videolink oder durch Kaih-Repräsentanten, die nach dem Vorbild ihrer Persönlichkeit modelliert sind. Kein US-amerikanischer Vorstand würde so etwas als demokratische Aktionärsversammlung akzeptieren. Vishram schaltet Indiras kleines Spielzeug aus. Er wird es auf die althergebrachte Weise machen, wie ein Stand-up-Comedian. Er wird nach subtilen Anzeichen suchen, nach dem Potenzial, einem verzogenen Mundwinkel ein Lächeln zu entlocken, die Aufforderung in den Augenwinkeln, die sagen: Gut, mach weiter, unterhalte mich.

Die Fronten sind alles andere als offenkundig. Selbst auf seiner Seite gibt es Großaktionäre wie SKM ProSearch, die gegen ihn stimmen werden. Viel zu unsicher. Ein Blick zu Indira, ein Blick zu Marianna. Vishram Ray erhebt sich. Die Blase aus leisen Unterhaltungen rund um den Tisch platzt.

»Meine Damen und Herren, verehrte Aktionäre von Ray Power, ob materiell oder virtuell.« Die Tür zum Sitzungssaal geht auf. Mitten in seinem Blickfeld betritt seine Mutter den Raum und nimmt auf einem Sitz an der Wand Platz. »Ich danke Ihnen allen, dass Sie sich an diesem Morgen hier eingefunden haben, einige von Ihnen unter erheblichen persönlichen Risiken. Diese Sitzung wird unweigerlich von den jüngsten Ereignissen überschattet, am dramatischsten durch die brutale Ermordung unserer Premierministerin Sajida Rana. Ich bin überzeugt, dass Sie alle mein Mitgefühl für die Familie Rana in dieser schweren Zeit teilen.« Zustimmendes Gemurmel aus der Runde. »Ich für meinen Teil werde uneingeschränkt die Bemühungen unserer neuen Regierung der Nationalen Rettung unterstützen, zur gewohnten Ordnung und Stärke zurückzufinden. Ich bin mir sicher, dass sich einige von Ihnen gefragt haben, ob es angemessen ist, diese Sitzung angesichts der politischen Situation abzuhalten. Ich könnte Ihnen sagen, dass ich es nicht getan hätte, wenn es nicht um wichtige Interessen dieses Unternehmens gegangen wäre. Darum geht es, aber es gibt noch ein weiteres Prinzip, von dem ich finde, dass es gerade in Zeiten wie diesen hochgehalten werden muss. Die Augen der ganzen Welt blicken auf Bharat, und ich glaube, wir müssen demonstrieren, dass zumindest für Ray Power alles seinen gewohnten Gang geht.«

Überall nickende Köpfe, vorsichtiger Applaus. Vishram lässt den Blick über den Saal schweifen.

»Zweifellos sind die meisten von Ihnen überrascht, dass Ray Power schon nach so kurzer Zeit eine weitere Vorstandssitzung einberuft. Es ist erst wenige Wochen her, seit mein Vater, wenn Sie mir diesen Ausdruck verzeihen, seine Bombe platzen ließ. Darauf folgten, wie Sie mir glauben können, zwei lebhafte Wochen, und ich sollte Sie schon jetzt vorwarnen, dass ich die Absicht hege, diese Sitzung nicht weniger schockierend oder revolutionierend ablaufen zu lassen.«

Eine kleine Pause für Publikumsreaktionen. Seine Kehle ist so trocken wie ein Klo in Rajasthan, aber er will sich nicht einmal andeutungsweise die Schwäche eines Schlucks Wasser erlauben. Govind und sein Assistent neigen die Köpfe. Gut. Das Gemurmel verklingt zur Unhörbarkeit. Es wird Zeit für einen leidenschaftlicheren Tonfall.

»Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen einen bedeutenden technischen Durchbruch der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Ray Power verkünden. Ich habe nicht vor, Sie mit Fremdwörtern zu überhäufen, da ich selbst zu wenig von der Physik verstehe. Ich werde einfach nur erklären, meine Freunde, dass wir nicht nur nachhaltige, sondern höchst ertragreiche Nullpunktenergie erzeugen konnten. In genau diesem Gebäude haben unsere Forscherteams die Eigenschaften fremder Universen erkundet und entdeckt, wie man ihre Energie auf wirtschaftliche Weise in unser Universum fließen lassen kann. Kostenlose Energie, meine Freunde.«

Quacksalberei, meine Freunde. Nein. Du stehst hier oben im Scheinwerferlicht und hältst das Mikro in der Hand, das ultimative Phallussymbol. Werd jetzt bloß nicht überheblich. Werd jetzt bloß nicht unsicher.

»Unbegrenzte kostenlose Energie, die völlig sauber ist, die nicht die Umwelt verschmutzt, die keinen Treibstoff benötigt, die endlos erneuerbar ist — die so unendlich verfügbar ist wie ein gesamtes Universum. Ich muss Ihnen sagen, meine Freunde, dass sehr viele Firmen nach diesem Wunder gesucht haben und dass es Bharati-Wissenschaftler in einem Bharati-Unternehmen waren, die den Durchbruch geschafft haben!«

Er hat seine Cheerleader vorbereitet, aber der Applaus rund um den Tisch kommt spontan und von Herzen. Jetzt ist der richtige Moment für einen Schluck Wasser und einen Blick hinüber zu seiner Mutter. Ihr Gesicht zeigt lediglich die Andeutung eines Lächelns. Und er spürt das altvertraute Glühen in den Eiern, das Brennen der Hormone, wenn man weiß, dass man sie in der Hand hat und sie in jede beliebige Richtung dirigieren kann. Aber Vorsicht Vorsicht, nicht verpatzen! Das Timing ist alles!

»Es wird Geschichte schreiben, es wird unsere Zukunft nicht nur hier in Bharat verändern, sondern die jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes auf diesem Planeten. Es ist ein großer Durchbruch, und dies ist eine große Nation, und ich möchte, dass die Welt es weiß. Wir haben bereits Medien aus aller Welt im Land, und nun möchte ich ihnen etwas geben, das ihnen wirklich im Gedächtnis bleiben wird. Unmittelbar nach dieser Sitzung ist alles für eine vollmaßstäbliche öffentliche Demonstration des Nullpunktenergiefeldes vorbereitet.«

Jetzt. Jetzt hast du sie am Haken.

»Mit einem Quantensprung wird Ray Power zu einem planetaren Player. Und damit komme ich zum zweiten, viel praktischeren Grund, warum ich Sie gebeten habe, sich hier zu versammeln. Ray Power ist ein Unternehmen in der Krise. Wir können weiterhin nur über die Motive unseres Vaters spekulieren, warum er die Firma aufgeteilt hat. Ich für meinen Teil habe versucht, seiner Vision von Ray Power treu zu bleiben, wobei die Vision und die Menschen genauso viel bedeuten wie die Summe unter der Bilanz. Es ist nicht einfach, diesem Standard gerecht zu werden.«