Wie kann dieser Ingenieur ein richtiges Leben führen? Aber das Bild von Marianna Fusco geht ihm nicht aus dem Kopf, wie sie auf dem Rücken liegt und seine Faust ein Ende des verknoteten Seidenschals packt.
»Ich habe Sie hier zusammengerufen, weil ich Ihre Hilfe benötige. Die Werte unseres Unternehmens sind in Gefahr. Da draußen gibt es andere, größere Konzerne, deren Werte nicht unsere sind. Sie haben sehr hohe Summen geboten, um Teile von Ray Power aufzukaufen. Auch an mich ist man herangetreten. Sie mögen meine Entscheidung für überstürzt oder ungeschickt halten, aber ich habe die Angebote abgelehnt, und zwar aus den genannten Gründen: Ich glaube an das, wofür dieses Unternehmen steht.«
Jetzt drosseln.
»Wenn ich daran geglaubt hätte, eines dieser Unternehmen würde sich im Interesse des Nullpunktprojekts engagieren, hätte ich ihre Angebote in Erwägung gezogen. Aber sie sind nur deshalb daran interessiert, weil sie mit ihren eigenen ehrgeizigen Plänen sehr weit fortgeschritten sind. Sie würden uns nur deshalb aufkaufen, weil sie die Nutzung der Nullpunktenergie verzögern oder gar aufgeben wollen. Angebote gingen auch — vielleicht sogar von denselben Gruppen — an meine Brüder, die an diesem Tisch sitzen. Ich möchte ihnen zuvorkommen. Ich will sie schon beim Pass abfangen, wie die Amerikaner sagen. Ich habe Ramesh ein großzügiges Angebot unterbreitet, Ray Gen zu kaufen, die Energieerzeugungsabteilung, die die Nullpunkttechnik umsetzen wird. Damit erhalte ich eine Mehrheitsbeteiligung an Ray Power, genug, um jeden Einfluss von außen fernzuhalten, bis die Nullpunktenergie an die Öffentlichkeit geht und wir in einer Position sind, effektiven Widerstand zu leisten. Die Details des Angebots finden Sie in Ihren Präsentationsmappen. Bitte nehmen Sie sich einen Moment, es zu prüfen und über meine Worte nachzudenken, damit wir anschließend zur Abstimmung übergehen können.«
Als er sich setzt, fängt er den Blick seiner Mutter auf. Sie lächelt still und weise, während plötzlich der gesamte Sitzungssaal auf den Beinen ist und Fragen ruft.
Der Taxifahrer liegt bei eingeschaltetem Radio rauchend auf der Rückbank, die Füße durch die offene Tür in den Regen hinausgestreckt, als Thal über die gläserne Brücke herangeplatscht kommt, eine stolpernde, immer noch benommene Najia im Schlepptau.
»Schätzchen, ich bin so froh, dich zu sehen«, ruft Thal, während der Fahrer seine gelbe Leuchte und die Scheinwerfer einschaltet. Thal verstaut Najia auf dem Rücksitz.
»Sie machen den Eindruck, als könnten Sie ein Fahrzeug gebrauchen. Jedenfalls gibt es heute keine Fuhren, bei all dem, was gerade passiert. Und ich werde Ihnen die Wartezeit berechnen. Wohin, oder soll ich wieder einfach nur fahren?«
»Irgendwohin, Hauptsache weg von hier.« Thal zieht seinen Palmer hervor und öffnet Najias Videodatei von N. K. Jivanjee zusammen mit einer netten kleinen Blackware, die auf der Muss-man-haben-Liste jedes Neuts mit Street Credibility steht: ein Verbindungssuchprogramm. Ein Neut weiß schließlich nie, wann ys ein kleines Ron D. Wu gebrauchen könnte.
»Sollten wir nicht allmählich losfahren?«, fragt Thal und blickt von sys Bemühungen auf, die Verbindungskodes aus der Videodatei zu extrahieren.
»Eine Sache muss ich noch fragen«, sagt der Fahrer. »Ich benötige Ihre Versicherung, dass Sie nicht in die ... Unannehmlichkeiten von heute früh verwickelt sind. Ich habe vielleicht eine eigene Meinung über die Mängel und Inkompetenzen unserer Regierung, aber tief im Herzen bin ich ein Mann, der seine Nation liebt.«
»Baba, dieselben Leute, denen sie zum Opfer gefallen ist, haben auf mich geschossen«, erklärt Thal. »Vertrauen Sie mir. Und jetzt fahren Sie.«
In diesem Moment gibt der Fahrer Gas. »Ist mit Ihrer Freundin alles in Ordnung?«, fragt er, während er sich einen Weg durch die Soap-Verehrer hupt, die nun auf den Beinen sind, die Hände wie zum Opfer erhoben, die Augen geschlossen, die Lippen murmelnd. »Sie scheint nicht ganz bei sich zu sein.«
»Sie hat schlechte Nachrichten über ihre Familie erhalten«, sagt Thal. »Und was ist mit diesen Leuten los?«
»Sie bieten die Puja für die Götter von Stadt und Land dar, damit sie unsere Nation erretten«, sagt der Fahrer. »Ein nutzloser Aberglaube, wenn Sie mich fragen.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, murmelt Thal leise vor sich hin. Als das Taxi auf die Hauptstraße einbiegt, biegt von dort ein großer Toyota Hi-Lux in einer Gischtfontäne ab. Karsevaks klammern sich an die Überrollbügel und das Seitengeländer. Blaues Licht spiegelt sich auf ihren Schwertern und Trishuls. Thal beobachtet das Fahrzeug, bis es außer Sicht ist, und erschaudert. Nur zwei Minuten länger im Bann der Kaih ...
»Ich vermute, Sie möchten, dass ich diesen Leuten sowie Polizisten, Soldaten, Regierungsbeamten und dergleichen ausweiche«, sagt der Taxi-Wallah.
»Insbesondere diesen Leuten.« Thal betastet geistesabwesend die Konturen der Zapfen unter seiner Haut, erinnert sich an den Adrenalinbrand, an eine Stadt voller Klingen und Trishuls und an eine Angst, deren Ausmaß er vorher nie für möglich gehalten hätte. Ihr wisst es noch nicht, aber ich habe euch besiegt, ihr Genderlichen, denkt Thal. Harte Jungs, brutale Jungs, ihr glaubt, euch gehört die Straße, ihr glaubt, ihr könnt tun, was ihr wollt, und niemand wird euch aufhalten, weil ihr starke, wilde, junge Männer seid, aber dieses Neut hat euch besiegt. Ich habe die Waffe in der Hand, und sie hat mir den Aufenthaltsort des Mannes verraten, der euch damit vernichten wird. »Kennen Sie diese Adresse?«, fragt Thal und beugt sich über die Rückenlehne, um dem Fahrer den Palmer vor das Gesicht zu halten. Draußen jenseits der spritzenden Scheibenwischer wird die Nacht stumpfgrau. Der Taxi-Wallah wackelt mit dem Kopf.
»Eine lange Fahrt.«
»Dann kann ich mir etwas Schlaf gönnen«, sagt Thal und lässt sich gegen das schmierige Polster fallen. Zum Teil ist es die Wahrheit, zum Teil ist es ein Hinweis für den Fahrer, dass er nicht weiter über den Zustand der Nation plappern soll.
Doch dann greift Najia nach sys Arm und flüstert: »Thal, was soll ich nur tun? Sie hat mir Dinge gezeigt, über meinen Vater, als wir in Afghanistan lebten. Thal, schreckliche Dinge, von denen sonst niemand wissen kann ...«
»Sie lügt. Sie ist eine Soap-Opera-Kaih, es ist ihre Spezialität, minimale Informationen mit maximaler emotionaler Wirkung zu Geschichten zu verknüpfen. Komm schon, Schwester, wer hat nie Probleme mit den Eltern gehabt?«
In den anderthalb Stunden, die der Maruti braucht, um schwelenden Müllfeuern und Kontrollpunkten auszuweichen, sich durch Barrikaden aus verbrannten Autos zu zwängen, über Hakenkreuze und Jai-Bharat!-Aufrufen zu fahren, die auf die Straße gemalt wurden, hört Thal im Radio vierundzwanzigmal die Nationalhymne, unterbrochen von kurzen Bekanntmachungen aus dem Rana Bhavan über die Erfolge der Regierung der Nationalen Rettung bei der Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit. Ys drückt Najias Hand, und wenig später hört sie auf, leise in den Ärmel ihres weichen grauen Fleecetops zu weinen.
Dann weigert sich der Taxi-Wallah, mit seinem schönen Maruti auf den dreckigen Schotterweg zu fahren.
»Baba, für das, was ich Ihnen zahle, können Sie sich ein neues Taxi kaufen«, ruft Thal. Dann rollt ihnen der Mercedes auf dem langen geraden Fahrdamm entgegen, an dessen Ende die von Mauern umgebene Jagdhütte liegt, die im grauen Nieselregen kaum zu erkennen ist. Er hupt wütend. Thal überprüft ihre Position auf dem Palmer und tippt dem Fahrer auf die Schulter. »Halten Sie diesen Wagen auf«, befiehlt ys.
»Diesen Wagen?«, fragt der Fahrer. Thal reißt die Tür auf. Der Fahrer flucht, kommt schlitternd zum Stehen. Ohne auf Widerspruch zu warten, hat Thal den Wagen verlassen und läuft durch den leichten Regen auf das andere Fahrzeug zu. Scheinwerfer blitzen auf und blenden ys. Der Motor gurgelt kehlig. Die Hupe ist tief und polyphon. Thal schirmt die Augen mit den Händen ab und geht weiter. Der Mercedes macht einen Satz in sys Richtung.