Die Sache mit der Frau in dem teuren Anzug hat er in der Raja Class Lounge von Bharat Air angefangen, weil er immer noch high von seinem Sieg und dem Suff war, aber hauptsächlich war es seine frustrierte Libido.
Er hatte kaum den Reißverschluss über seinen zusammengestopften Reisesachen zugezogen, als der Wagen eintraf. Er bot Anye an, sie nach Hause zu bringen. Sie antwortete ihm mit dem eiskalten Blick einer gediegenen SNP-Aktivistin.
»Tut mir leid, eine Familienangelegenheit.«
Ihr war bestimmt kalt, in dieser Hose und mit so viel bloßer Haut, als sie durch die Glasgower Vordämmerung des frühen Augusttages davonhastete. Nach dem Einchecken blieben Vishram noch zehn Minuten. Er war der einzige Passagier in der ersten Sitzreihe des kurzen Shuttleflugs nach London. Als er das Ende der Luftbrücke erreicht hatte, war ihm leicht schwindlig vom Tempo, mit dem alles ablief, und er machte sich direkt auf den Weg zur Lounge der ersten Klasse, fest entschlossen, sich einen Wodka zu bestellen. Duschen, Rasieren, Kleidung wechseln und einen polnischen Kurzen runterkippen — das alles hatte seine Vishram-Ray-heit wiederhergestellt. Er fühlte sich gut genug, um zu versuchen, die Frau im flugreisebequemen Anzug zu einem zwanglosen Geplauder zu verführen. Nur um die Zeit zu vertreiben.
Ihr Name ist Marianna Fusco. Sie ist Firmenanwältin. Sie wurde nach Varanasi gerufen, um sich um eine komplizierte Treuhandschaftsangelegenheit zu kümmern.
»Ich bin nur das schwarze Schaf, der Hofnarr. Der jüngste Bruder, der nach England geschickt wurde, um an irgendeiner ’bridge-Universität Jura zu studieren. Allerdings landet er schließlich in Schottland und versucht sich als Stand-up-Comedian. Was zufällig die höchste menschliche Kunstform ist. Und gar kein großer Unterschied zu dem, was ein Anwalt macht, vermute ich. Wir sind beide Rampensäue.«
Darauf steigt sie nicht ein. Stattdessen fragt sie: »Wie viele Brüder?«
»Noch ein großer und ein mittelgroßer Bär.«
»Keine Schwestern?«
»Es gibt nicht viele Schwestern in Varanasi, zumindest nicht in meinem Stadtteil.«
»Davon habe ich gehört«, sagt sie und wendet sich ihm auf der Ledercouch zu, um sich bequemer unterhalten zu können. »Wie lebt es sich in einer Gesellschaft, in der es viermal so viele Männer wie Frauen gibt?«
»Wir leben damit, dass wir nur selten mit Anwältinnen zu tun haben«, sagt Vishram und lehnt sich auf dem knirschenden Polster zurück. »Es gibt überhaupt nur wenige Damen, die einem Beruf nachgehen.«
»Ich werde mir merken, dass ich meinen Vorteil ausnutzen sollte«, sagt die Anwältin. »Darf ich Ihnen noch einen Wodka ausgeben? Wir haben einen langen Flug vor uns.«
Kurz nach dem dritten werden sie zum Boarding aufgerufen. Vishrams Sitz lässt sich komplett zurückklappen. Nach all den Jahren in Billigfliegern ist die Beinfreiheit unglaublich. Er hat so viel Spaß mit den Knöpfen und Spielzeugen, dass er gar nicht den Passagier bemerkt, der sich neben ihm anschnallt.
»Oh, hallo! Na, wenn das kein Zufall ist?«, sagt er.
»Ist es nicht«, sagt Marianna Fusco und zieht ihre Jacke aus. Unter dem Top aus Stretchbrokat kommen sportliche Arme zum Vorschein.
Der erste Armagnac wird über Belgien serviert, als das Überschallflugzeug steil zur Reiseflughöhe von dreiunddreißig Kilometern aufgestiegen ist. Normalerweise zieht Vishram dieses Getränk nie in Erwägung. Er ist ein Wodka-Boy. Aber nun findet er, dass der Weinbrand recht gut zur Persönlichkeit passt, die er hier spielt. Marianna Fusco und er unterhalten sich im Indigohimmel über ihre Kindheit — über ihre in einer großen Familiensippe, die sich durch Heiraten und Wiederheiraten ausgebreitet hat, ihre Familienkonstellation, wie sie es nennt, dann über seine im bürgerlichen Patriarchat von Varanasi. Für sie ist die entstehende soziale Schichtung faszinierend und erschreckend zugleich, wie es die Engländer schon immer empfunden haben. Es ist das, was sie auf ewig an der indischen Kultur und Literatur lieben werden. Die aufregende und bedrückende Vorstellung eines wirklich guten Klassensystems.
»Ich komme tatsächlich aus einer recht begüterten Familie.« Gut so, immer ein bisschen hochstapeln. »Aber es sind keine Brahmanen. Weder sozio- noch biologisch. Mein Vater ist ein Kshatriya, recht fromm auf seine bescheidene Art. Für ihn wäre es Blasphemie, an der DNS herumzuschrauben.«
Zwei weitere Armagnacs, und das Gespräch döst ein. Den Sitz komfortabel komplett zurückgelehnt, hüllt sich Vishram bis zum Hals in die Airline-Decke. Er stellt sich die Kälte des Fast-Weltraums hinter der Nanocarbonwand vor. Marianna bewegt sich unter ihrer Decke neben ihm. Sie ist warm und viel zu nahe und atmet im gleichen Rhythmus wie er.
Manöver sechs. Irgendwo über dem Iran legt er eine Hand auf ihre Brust. Sie rückt näher an ihn heran. Sie küssen sich. Mit Armagnac-Zungen. Sie ruckelt noch näher ran. Er holt ihre Brüste aus dem weißen Stretchtop. Marianna Fusco hat große Warzenhöfe mit Gänsehaut und Brustwarzen wie Patronen. Sie krempelt ihren bequemen, aber geschäftsmäßigen Rock hoch, als der Schockwellenreiter Mach 3,6 erreicht. Er leckt und versucht zu reiben, doch Marianna Fusco fängt ihn ab und führt seinen Finger zu jenem anderen unverschämten Loch. Sie keucht leise, schiebt seinen Finger ganz hinein und zieht geschickt seinen Reißverschluss auf. Vishram Rays schwerer Schwanz fällt heraus und in die Lücke zwischen den Sitzen. Marianna Fusco reibt mit dem Daumen über die Eichel. Vishram Ray bemüht sich, für die Stewardess unhörbar zu bleiben, und bearbeitet mit dem Daumen die Klitoris.
»Rotieren«, flüstert sie. »Rotieren, verdammt!«
Sie legt ein Bein hoch und drückt sich fester gegen seinen Zeigefinger. Sutra bei 33 km. Auf einem Viertel des Weges bis zum Orbit kommt Vishram Ray vorsichtig in eine Serviette der BharatAir Raja Class. Marianna Fusco hat sich ein Stück eines Flugzeugkopfkissens in den Mund gesteckt und gibt ein gedämpftes, leises Wimmern von sich. Vishram dreht sich zurück und spürt jeden Zentimeter der Flughöhe unter sich. Er hat es soeben in den exklusivsten Club des Planeten geschafft, den Twenty-Five-Mile-High-Club.
Sie säubern sich in der Toilette, jeder für sich, und kichern hemmungslos, sobald sich ihre Blicke treffen. Sie rücken ihre Kleidung zurecht und kehren nüchtern auf ihre Plätze zurück. Wenig später spüren sie, wie sich die Tonlage ändert, als der Aerospacer zum Landeanflug übergeht und wie ein brennender Meteor zur Indus-Ganges-Ebene hinunterrast.
Er wartet auf der anderen Seite der Zollkontrolle auf sie. Er bewundert den Schnitt ihrer Kleidung, wie sie mit ihrer Größe und gediegenen Art, sich zu bewegen, aus der Masse der Bharatis hervorsticht. Er weiß, dass es keine Anrufe oder E-Mails, kein Wiedersehen geben wird. Eine professionelle Beziehung.
»Darf ich Ihnen eine Mitfahrgelegenheit anbieten?«, fragt er. »Mein Vater hat zweifellos einen Wagen geschickt. Ich weiß, das ist etwas kitschig, aber wenn es um solche Sachen geht, ist er altmodisch. Es wäre kein Problem für mich, Sie an Ihrem Hotel abzusetzen.«
»Danke sehr«, sagt Marianna Fusco. »Ich mag es nicht, wie es am Taxistand aussieht.«
Der Wagen ist leicht zu erkennen. Der Chauffeur lässt tatsächlich Firmenfähnchen von Ray Power auf den Kotflügeln flattern. Er zögert keinen Augenblick, Marianna Fuscos Tasche zu nehmen und im Kofferraum zu verstauen, bevor er eine kleine Schar Bettler und Badmashs vertreibt. Von den paar Sekunden Hitze zwischen dem Flughafen und dem Wagen mit Klimaanlage ist Vishram wie betäubt. Er hat sich zu lange in kühleren Breiten aufgehalten. Und er hat den Geruch vergessen, den nach Rosenasche. Der Wagen fährt in die Wand aus Farben und Geräuschen hinein. Vishram spürt die Hitze, die Wärme der Körper, den schmierigen Kohlenwasserstoffruß auf den Glasscheiben. Die Menschen. Der nie versiegende Strom der Gesichter. Die Körper. Vishram entdeckt eine neue Empfindung. Ihr wohnt die vertraute Melancholie des Heimwehs inne, aber sie wird durch das schreckliche alltägliche Elend der Menschen ausgedrückt, die sich unter diesen Boulevards drängeln. Heimekel. Nostalgische Abscheu.