Der Anruf hatte ihn um vier Uhr nachmittags erreicht. Mr. Nandha war soeben eingeschlafen, nachdem er angenehmen Sex mit seiner schönen Ehefrau gehabt hatte. Er versuchte, sie nicht zu stören, aber sie hatte noch nie schlafen können, wenn er wach war. Also war sie aufgestanden, um seine Reisetasche zu holen, die der Dhobi-Wallah unter ihrer Aufsicht stets mit sauberer, gebügelter Kleidung bestückt. Dann begleitete sie ihn zum Dienstwagen. Der Wagen nahm eine separate Zufahrt zum Bahnhof, um das Gedränge der Phatphats und Rikschas zu meiden, die auf den Nachtzug aus Agra warteten, und brachte Mr. Nandha durch den Rangierbahnhof zum Bahnsteig, an dem der lange, schlanke elektrische Zug bereitstand. Ein Angestellter der Bharat Rail führte ihn zu seinem reservierten Platz im reservierten Waggon. Dreißig Sekunden später glitt der Zug aus der Kashi Station. Die gesamten dreihundert Meter waren nur für den Krishna Cop aufgehalten worden.
Mr. Nandha erinnert sich an den Sex mit seiner Frau und ruft sie mit dem Palmer an. Sie erscheint in seinem Sehzentrum. Es überrascht ihn nicht, sie auf dem Dach vorzufinden. Seit Beginn der Arbeit am Garten hat Parvati immer mehr Zeit oben auf dem Apartmentblock zugebracht. Hinter dem Betonmischer und den Haufen aus Steinen und Säcken mit Kompost und Rohren für die Tröpfchenbewässerung kann Mr. Nandha die ersten Lichter in den Fenstern der umliegenden Mietshäuser an den schmalen Straßen erkennen. Wassertanks, Sonnenkollektoren, Satellitenschüsseln und Topfreihen mit Geranien zeichnen sich als Silhouetten vor einem matten, trüben Himmel ab. Parvati schiebt sich eine Haarsträhne hinters Ohr und blinzelt in die Bindi-Cam.
»Ist alles in Ordnung?«
»Alles bestens. Ich werde in zehn Minuten eintreffen. Ich wollte dich nur anrufen.«
Sie lächelt. Mr. Nandha zerfließt das Herz.
»Danke, das ist sehr nett von dir. Machst du dir Sorgen?«
»Nein, es ist eine routinemäßige Exkommunikation. Wir wollen es im Ansatz ersticken, bevor sich Panik ausbreiten kann.«
Parvati nickt und saugt die Unterlippe ein, wie sie es immer tut, wenn sie über ein Problem nachdenkt.
»Was wirst du heute tun?«, fragt er.
»Also ...«, beginnt sie und deutet mit einer Körperdrehung auf den werdenden Garten. »Ich hatte eine Idee. Bitte sei mir nicht böse, aber ich glaube nicht, dass wir so viele Sträucher brauchen. Ich hätte gern ein paar Gemüsepflanzen. Ein paar Reihen Bohnen, Tomaten und Paprika ... sie bieten sehr viel Sichtschutz. Vielleicht sogar etwas Bhindi und Brinjal. Und Kräuter. Ich würde sehr gern Kräuter anbauen, Tulsi und Koriander und Hing.«
Mr. Nandha lächelt auf seinem reservierten Sitz in der ersten Klasse.
»Ein richtige kleine urbane Bäuerin.«
»Ach, nichts, wofür du dich schämen müsstest. Nur ein paar Pflanzreihen, bis wir ins Quartier umziehen und einen Bungalow bekommen. Ich könnte diesen Salat anpflanzen, den du brauchst. Damit würden wir Geld sparen. Er wird aus Europa und Australien eingeflogen — ich habe es auf dem Etikett gelesen. Wäre das in Ordnung?«
»Wenn du es wünschst, meine Blüte.«
Parvati faltet die Hände in leisem Entzücken.
»Oh, gut. Es war ein bisschen dreist von mir, aber ich habe bereits mit Krishan abgemacht, dass wir zum Saathändler gehen.«
Mr. Nandha fragt sich oft, was er getan hat, als er seine reizende Frau in die Halsabschneider-Gesellschaft von Varanasi brachte — ein Mädchen vom Lande unter Kobras. Die Spiele unter den Bewohnern des Quartiers — seine Kollegen, seine Freunde und Bekannten — widern ihn an. Überall Geflüster, Blicke und Gerüchte, stets freundlich und anständig, aber gleichzeitig wachsam, abwägend, vorsichtig. Tugenden und Laster in einem empfindlichen Gleichgewicht. Für Männer ist es einfach. Heirate, so gut du kannst — falls du kannst. Mr. Nandha hat innerhalb seiner Jati geheiratet — besser als Arora, sein Vorgesetzter im Ministerium, besser als die meisten seiner Zeitgenossen. Eine gute solide Kayastha-Kayastha-Heirat, aber die alten Zwänge scheinen im neuen Ranapur keine Rolle mehr zu spielen. Die Frau von Nandha? Hört euch nur ihren Akzent an! Schaut euch nur ihre Hände an! Die Farben, die sie trägt, und die Schnitte. Sie kann nicht sprechen, müsst ihr wissen. Kein einziges Wort. Hat nichts zu sagen. Sie öffnet den Mund, und eine Fliege kommt herausgesummt. Stadt und Land, sage ich nur. Stadt und Land. Stellt sich immer noch auf die Toilettenschüssel und hockt sich hin.
Mr. Nandha bemerkt, dass er vor Wut die Fäuste geballt hat, als er daran denkt, dass Parvati in diese schrecklichen Spiele verstrickt werden könnte — mein Ehemann, meine Kinder, mein Haus. Sie braucht den Bungalow im Quartier nicht oder die zwei Autos und fünf Diener und das Designerbaby. Wie jede moderne Braut hat Parvati ihre finanziellen und genetischen Überprüfungen hinter sich, aber ihre Beziehung war stets von Liebe und Respekt geprägt, nicht vom verzweifelten Griff nach dem ersten verfügbaren Heiratsmaterial auf dem darwinistischen Ehemarkt von Varanasi. Früher erhielt die Braut eine Mitgift. Der Mann war der Gesegnete, das Geschenk. Das war immer das Problem gewesen. Nach einem Vierteljahrhundert der embryonalen Auslese, in diskreten Vorstadtkliniken oder altmodisch mit einer Autoantenne auf einem Hinterhof in Kashi, übertrifft die städtische männliche Bevölkerung der Mittelklasse von Bharat die weibliche um das Vierfache.
Mr. Nandha spürt, wie sich die Fahrtgeschwindigkeit leicht verändert. Der Zug wird langsamer.
»Meine Liebe, ich muss jetzt gehen. Wir fahren in Nawada ein.«
»Du wirst doch nicht in Gefahr geraten, oder?«, fragt Parvati mit besorgt aufgerissenen Augen.
»Nein, ganz bestimmt nicht. Solche Aufträge habe ich schon dutzendmal erledigt.
»Ich liebe dich, mein Gatte.«
»Ich liebe dich, mein Schatz.«
Mr. Nandhas Ehefrau verschwindet aus seinem Kopf. Ich werde es für dich tun, denkt er, während der Zug ihn zum Entscheidungskampf bringt. Ich werde an dich denken, wenn ich es töte.
Ein hübscher weiblicher Jemadar vom ortsansässigen Zivilschutz salutiert Mr. Nandha auf dem Bahnsteig. Zwei Reihen Jawans halten die Schaulustigen mit Lathis zurück. Motorräder fahren voraus und hinterher, als der Konvoi auf die Straße biegt.
Nawada ist ein Stadtstreifen, ein Name, den man dem Zusammenschluss von vier Kuhdörfern aufgedrückt hat. Dann fielen Entwicklungszuschüsse vom Himmel, ein hingeknalltes Straßennetz, aus dem Boden gestampfte Fabriken und Lagerhäuser aus Blech, die mit Callcentern und Datenfarmen vollgestopft wurden. Man verknüpfe alles mit Kabeln und Satellitenverbindungen, klemme es ans städtische Stromnetz an, und schon spuckt das Ganze millionenfach Rupien aus. Es sind die Baracken aus Aluminiumwellblech und Carbonit in Nawada und nicht die hoch aufragenden Türme von Ranapur, in denen die Zukunft von Bharat geschmiedet wird. Im schweren Armee-Hummer rollt Mr. Nandha an den kleinen Geschäften und Werkstätten vorbei. Er fühlt sich wie ein Söldner, der in eine Stadt einreitet. Motorroller mit Mädchen vom Land, die seitlich auf dem Damensattel sitzen, schwenken aus, um Platz zu machen.
Die Motorradstaffel biegt in eine Gasse zwischen Lagerhäusern aus Spritzbeton und macht mit Sirenengeheul den Weg für den Hummer frei. Ein Strommast neigt sich unter illegalen Abzapfungen. Hockende Frauen essen vor einem riesigen fensterlosen Betonkasten gemeinsam Chai und Roti zum Frühstück. Die Männer haben sich zum Rauchen so weit von ihnen entfernt versammelt, wie es die Geometrie des Geländes erlaubt. Mr. Nandha blickt zu den segnend ausgebreiteten Händen der Solarfarm von Ray Power hinauf. Gruß an die Sonne.