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»Nein!«, ruft er und zieht seine Waffe. Indra zielt und feuert. Der Puls überlädt für einen kurzen Moment sogar seinen Hoek. Die Welt vergeht in einem blendend weißen Blitz. Der Roboter erstarrt, verkrampft sich und sackt funkensprühend in sich zusammen. Die Beine zucken, die Augenstiele werden ausgefahren. Dann rührt er sich nicht mehr. Rauch steigt von seinen Lüftungsschlitzen auf. Doch Mr. Nandha ist noch nicht zufrieden. Er tritt zur toten Kaih, kniet nieder und schließt die Avatarbox an die Hotwire-Buchse an. Ganesha verbindet sich mit dem Betriebssystem, Kali hält sich mit erhobenen Säbeln bereit.

Sie ist tot. Exkommuniziert. Mr. Nandha erhebt sich und klopft sich den Staub von der Kleidung. Er steckt die Waffe ein. Schwieriger Fall. Unbefriedigend. Offene Fragen. Viele werden eine Antwort finden, wenn die Gang vom fünfzehnten Stock den Server öffnet. Aber ohne ein besonderes Gespür wird man kein Krishna Cop, und Mr. Nandha erkennt, dass dieses Gewirr aus Metall und Plastik nur der Anfangsbuchstabe einer neuen und langen Geschichte ist. Er wird diese Geschichte in ganzer Länge hören, er wird ihre Einzelheiten entwirren, alle Akteure und Ereignisse in Erfahrung bringen und sie zu einem befriedigenden Abschluss bringen. Doch in diesem Moment besteht sein vordringliches Problem darin, wie er den Gestank der verbrannten Tikka-Pasta aus seinem Anzug bekommt.

3

Shaheen Badoor Khan

Shaheen Badoor Khan blickt auf das antarktische Eis hinab. Aus zweitausend Metern Höhe ist es eher Geographie als Eis, eine weiße Insel, ein abgedriftetes Sri Lanka. Die angemieteten Hochseeschlepper aus dem Golf sind die größten, stärksten und neuesten, aber sie sehen aus wie Spinnen, die sich mit einem Zirkuszelt abmühen, an dem sie mit Zeltleinen aus Seide zerren. Nun beschränkt sich ihre Rolle auf die Überwachung, denn der Südwestmonsunstrom hat den Eisberg im Griff, und die ganze Angelegenheit bewegt sich mit fünf nautischen Meilen pro Tag in Richtung Nordnordost. Hier draußen auf dem Ozean, fünfhundert Kilometer südlich des Deltas, sind die einzigen visuellen Bezugspunkte das Eis, der Himmel und das Dunkelblau des tiefen Wassers — nichts, das einen Eindruck von Bewegung vermittelt. Wie lange und wie kräftig müssten diese Schlepper ziehen, um alles zum Stillstand zu bringen? Shaheen Badoor Khan denkt nach. Er stellt sich den Eisberg vor, wie er tief in den Gangasagar gedrückt wird, die Mündung des heiligen Flusses, wie blanke Eisklippen über den Mangroven aufragen.

Mit einer Passagierliste aus bengalischen Politikern und ihren diplomatischen Gästen aus dem benachbarten, einstigen Rivalen Bharat schlingert der Senkrechtstarter der States of Bengal im kühlen Mikroklima, das von der Eisscholle aufsteigt. Shaheen Badoor Khan bemerkt, dass die Oberfläche von Gletscherspalten und Schluchten zerfurcht ist. Sturzbäche glitzern. Schmelzwasser hat tiefe Canyons in die Eiswände gegraben, spektakuläre Wasserfälle ergießen sich von den Flanken des Eisbergs.

»Hier ist eine ständige Verschiebung im Gange«, sagt der dynamische Bangla-Klimatologe auf der anderen Seite des Mittelgangs. »Während der Eisberg an Masse verliert, verlagert sich der Schwerpunkt. Wir müssen das Gleichgewicht aufrechterhalten. Eine plötzliche Verlagerung könnte sich auf die unmittelbare Umgebung katastrophal auswirken.«

»Sie können in Ihrem Delta keine weitere Flutwelle gebrauchen«, sagt Shaheen Badoor Khan.

»Falls er es überhaupt bis dahin schafft«, bemerkt der Minister für Wasser und Energie der Regierung von Bharat. »Bei dieser Schmelzrate ...«

»Herr Minister ...«, sagt Shaheen Badoor Khan, doch der offizielle Klimatologe von Bengalen nutzt sofort die Gelegenheit, mit seinen Kenntnissen zu brillieren.

»Alles wurde bis auf das letzte Gramm berechnet«, sagt er. »Wir liegen klar innerhalb der Parameter für die mikroklimatische Veränderung.« Gesprochen mit einem Aufblitzen kostspielig behandelter Zähne und präzise zusammengelegtem Daumen und Zeigefinger. Tadellos. Shaheen Badoor Khan verspürt eine tiefe Beschämung, wenn einer seiner Minister den Mund öffnet und seine Ahnungslosigkeit öffentlich zur Schau stellt, insbesondere vor den kultivierten Banglas. Er hat schon vor langer Zeit verstanden, dass für die Politik keine außergewöhnliche Begabung, Fertigkeit oder Intelligenz nötig ist. Dafür hat man seine Berater. Das Geschick eines Politikers besteht darin, gute Ratschläge anzunehmen und den Eindruck zu erwecken, von selbst darauf gekommen zu sein. Shaheen Badoor Khan kann es nicht ausstehen, wenn jemand vielleicht glaubt, er hätte seine Untergebenen nicht gründlich instruiert. Gehen Sie mit, Shah, hatte Premierministerin Sajida Rana ihn aufgefordert. Und hindern Sie Srinavas daran, sich zum Idioten zu machen.

Der bengalische Eisberg-Minister kommt durch den Gang herangetrampelt und zeigt sein Bärenlächeln. Shaheen Badoor Khan weiß aus seinen Quellen von den Territorialkriegen zwischen den verschiedenen bengalischen Verwaltungsbehörden, die sich darum streiten, wessen Amtsbezirk einen Zehn-Kilometer-Brocken vom Amery-Schelfeis bekommen soll. Spannungen zwischen den vereinten Hauptstädten sind etwas, das sich immer zum Vorteil Bharats ausnutzen lässt. Am Ende hat die Umwelt der Wissenschaft und Technik nachgegeben, mit ein wenig Unterstützung durch Entwicklung und Industrie, um die Verträge unter Dach und Fach zu bringen, und nun steht ihr Minister im Gang, die Arme auf die Rückenlehnen gestützt. Shaheen Badoor Khan kann seinen Atem riechen.

»Nicht wahr? Und wir haben die ganze Arbeit selber geleistet. Wir sind nicht zu den Amerikanern gerannt, um unsere Wasserversorgung in Ordnung bringen zu lassen, wie sie es in Awadh mit ihrem Damm gemacht haben. Aber das alles wissen Sie ja bereits.«

»Früher hat uns der Fluss zu einem geeinten Land gemacht«, stellt Shaheen Badoor Khan fest. »Jetzt zanken wir uns wie Kinder um Mutter Ganga. Awadh, Bharat, Bengalen. Der Kopf, die Hände, die Füße.«

»Da sind viele Vögel«, sagt Srinavas, der durch das Fenster späht. Der Eisberg zieht eine helle Wolke hinter sich her, wie Rauch aus einem Schiffsschornstein. Schwärme von Seevögeln stürzen sich zu Tausenden ins Wasser, um silbrige Sardinellen zu erbeuten.

»Das beweist nur, dass die rotierende Kaltwasserströmung funktioniert«, sagt der Klimatologe, während er versucht, hinter seinem Minister sichtbar zu bleiben. »Wir transportieren hier nicht nur einen Eisberg, sondern ein komplettes Ökosystem. Manche Vögel sind uns seit den Prinz-Edward-Inseln gefolgt.«

»Der Minister würde gern wissen, wann Sie damit rechnen, daraus einen Nutzen zu ziehen«, erkundigt sich Shaheen Badoor Khan.

Naipaul fängt an, mit dem Wagemut und dem Ausmaß der bengalischen Klimakontrolle zu prahlen, doch das Wettergenie schneidet ihm das Wort ab. Shaheen Badoor Khan blinzelt überrascht angesichts dieser unverzeihlichen Unterbrechung. Haben diese Banglas keine Ahnung von gutem Benehmen?

»Das Klima ist keine alte Kuh, die man dorthin treiben kann, wo man sie haben möchte«, sagt der Klimatologe, dessen Name Vinayachandran ist. »Es ist eine äußerst raffinierte Wissenschaft, und es geht um winzige Verschiebungen und Veränderungen, die sich im Laufe der Zeit zu gewaltigen Konsequenzen auswachsen. Stellen Sie sich einen Schneeball vor, der einen Berg hinunterrollt. Hier eine Temperatursenkung von einem halben Grad, dort die Verlagerung einer Meeresthermokline um ein paar Meter, anderswo eine Druckveränderung um ein Millibar ...«