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Es war fast so, als hätte man sich ein Bein gebrochen und gehe zum Arzt, entschied sie. Die Tatsache, daß es angeblich nicht weh tat und schnell vorbei sein würde, verringerte die Besorgnis nicht, die von der Tatsache herrührte, daß der riesenhafte, muskulöse, kastanienbraune Zentaur, der den Eindruck machte, er könne Stahlstangen wie Nudeln verbiegen, eine Anzahl Nägel in ihre Fußsohlen schlagen sollte.

Als sie die Schmiede betrat, betrachtete der Schmied, ein freundlicher Mann namens Torgix, sie anerkennend, wie das von jedem Mann zu erwarten war, grinste durch einen dichten Bart wie ein Schuljunge und eilte auf sie zu. Er griff nach dem Papier mit dem Hufeisen, warf einen Blick darauf und erklärte ihr, wo sie sich hinzustellen hatte.

»Nur die Ruhe, schönes Mädchen«, dröhnte er mit einer Stimme, die zu seiner Erscheinung paßte, »dann geht das ganz rasch.«

Es war ziemlich nervenzerreibend, zu beobachten, wie er ihre Hufe vermaß, dann rotglühenden Stahl mit der Geschicklichkeit des Meisters in die richtige Form bog; und sie brachte es nicht über sich, hinzusehen, als er die Spezialnägel durch die kleinen Löcher in das Hufeisen trieb. Es stimmte, daß sie eigentlich keine Schmerzen verspürte, es sei denn vielleicht ein schwaches Ziehen in den Muskeln von der Wucht der Hiebe — der Mann wußte wirklich nicht, wieviel Kraft er hatte —, aber die innere Qual war groß. Froh darüber, als er fertig war, ging sie zögernd hin und her und spürte das zusätzliche Gewicht.

»Daran gewöhnen Sie sich«, versicherte er ihr. »In zwei Tagen haben Sie vergessen, wie das war, als Sie noch ohne die gingen — und Ihre Füße werden Ihnen in den kommenden Tagen und Monaten dafür danken. Die Legierung ist gut; kein Rost und kein Verziehen, obwohl die Nägel sich mit der Zeit natürlich lockern. Wenn Sie irgendwelche Probleme haben, kann jeder Schmied kleine Reparaturen vornehmen. Kann ich sonst irgend etwas für Sie tun?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Nichts, danke. Aber ich würde gern etwas trinken.« Sie zögerte. »Dafür wird man jedoch Geld oder irgendeine Art von Bezahlung brauchen, nicht?«

»Da würde ich mir keine Gedanken machen«, sagte er mit einem leisen Lachen. »Sie sind die schönste Frau hier in der Gegend, kann ich Ihnen sagen, und bewegen tun Sie sich auch richtig, nichts für ungut, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie werden keine Schwierigkeiten haben, etwas zu trinken zu bekommen. Sind Sie eine Frau gewesen — vorher, meine ich?«

Sie nickte.

»Dann wissen Sie, was ich meine«, fuhr er vielsagend fort und zwinkerte ihr zu.

Sie lächelte ein wenig. Ja, sie wußte ganz genau, was er meinte.

* * *

Die Kultur, an die sie sich von ihrem letzten Aufenthalt in Dilla erinnerte, war eine gemeinschaftliche gewesen. Wenn es überhaupt Geld gegeben hatte, dann war es hier in dem Dorf am See nicht verwendet worden. Erneut hatte sich etwas geändert, wenn auch nicht auf die komplizierte Art und Weise, wie sie anderswo sogar auf der Sechseck-Welt zu finden war. Man hatte eine Nummer — auch sie hatte eine, auf diesen Schreiben —, und das verschaffte einem ein Konto, vom Schreiber in dem Ort geführt, wo man angemeldet war. Es war nichts sehr Exaktes — die Konten wurden schlampig geführt und nicht einmal mit Namen bezeichnet —, und das einzige, was verlangt wurde, damit das Konto weiterbestand, war, irgendeine Art von produktiver Art für die Gemeinschaft zu leisten. Es machte keine Mühe, zu einem Laden oder einem Verkaufsstand zu gehen und sich geben zu lassen, was man brauchte — solange man arbeitete und etwas produzierte.

Sie fragte sich, wie weit das Konto eines Neuzugangs reichte, bevor es überzogen war. Jedenfalls nur kurze Zeit, entschied sie. Es hatte eigentlich keine zeitliche Begrenzung gegeben — obwohl ihr die Schreiberin das System natürlich nicht erklärt oder auch nur ihre Nummer mitgeteilt hatte. Es war wohl am besten, bei Leuten aus fremden Kulturen vorsichtig zu sein, die ein Konto überziehen mochten. Aber sie war wirklich schön und konnte sich unbewußt richtig bewegen, wie der Hufschmied erklärt hatte. Das System war ihr leicht verständlich.

Sie war faul und nachlässig geworden, fand sie. Bars waren schon immer ihr Element gewesen; sie war in und neben ihnen aufgewachsen, hatte darin gearbeitet und sich ihrer bedient. Sie war immer das gewesen, was andere als niedlich empfanden. Ein großer Vorteil war das für sie, aber sie war jetzt Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und hatte es ein wenig verlernt, damit fertig zu werden. Obie war ein enger Freund gewesen, ein Begleiter, sehr lange Zeit für sie das nächste denkende Wesen, und sie vermißte ihn schrecklich. Aber er war auch eine Droge gewesen, erkannte sie jetzt, ein Zaubergeist, der einem auf ein Fingerschnalzen hin geben konnte, was man wollte oder brauchte. Die alte harte, ganz auf sich selbst gestellte Mavra Tschang war irgendwann verlorengegangen. Das war etwas Heimliches gewesen, nicht vermißt, bis es gebraucht wurde, und jetzt begriff sie, in welchem Nachteil sie sich befand.

Sie war im frühen Teil ihres Lebens eine abgeschlossene Welt für sich gewesen, ihr ganzer Stolz. Sie hatte sich durch ihren eigenen Witz und ihre Fähigkeiten nach oben gerangelt — nicht ohne eine hilfreiche Hand hier und dort, aber sie wußte, daß das für jeden im Universum galt. Aber sie hatte sich verändert. Zauberstäbe haben diese Wirkung.

Die Männer und Frauen in der Bar kamen ihr vorwiegend laut, stürmisch und flegelhaft vor. Das war natürlich immer der Fall gewesen, aber sie hatte ein solches Verhalten stets duldsam hinnehmen und so tun können, als passe sie sich an. Jetzt fiel ihr das zunehmend schwerer; das Schauspielern, um den anderen gleich zu sein, erschien ihr aus irgendeinem Grund unmöglich, das Betasten und die Avancen waren schwer zu ignorieren und förderten Gereiztheit. Sie ging möglichst rasch wieder und machte sich auf den Weg hinauf zum Gästehaus, einem großen Holzbalkengebäude mit breiter Veranda vor Hafen und See.

Im Inneren war es sehr hübsch; das ganze Erdgeschoß lag offen, man sah nur die mächtigen Deckenbalken und an jedem Ende und in der Mitte einen Kamin, deren Abzugsschächte in der Decke verschwanden. Die Räume teilten sich hinter der Gemeinschaftshalle in zweistöckige Flügel auf, klein und einfach, aber allen Bedürfnissen entsprechend. Die Dillianer schliefen im Stehen, obwohl sie sich, wenn sie sich ausruhen wollten, gern anlehnten, und es gab dafür einen Bereich mit zwei gepolsterten Geländern, außerdem ein Becken mit laufendem Quellwasser, einem Krug und Tüchern für das Waschen. Die Gemeinschaftslatrine befand sich unten an der Halle: eine Anzahl von Kabinen, in die man sich rückwärts hineinschob. Nichts Besonderes, aber ausreichend.

Zwischen den beiden Flügeln gab es den Eßraum, versehen mit Schildern, die sie nicht lesen konnte, die aber von einer freundlichen Person als die Bedienungszeiten nach der Zimmernummer übersetzt wurden. Die im Grunde vegetarischen Dillianer bereiteten ihre Pflanzen auf tausenderlei verschiedene und köstliche Weise zu, heiß und kalt und stets stark gewürzt. In diesem Waldland würde niemals jemand verhungern, was auch geschehen mochte. Im Notfall konnten alle Dillianer praktisch sämtliche Pflanzen essen, inklusive Gras und Laub, selbst wenn der Geschmack manchmal zu wünschen übrigließ.

Sie verbrachte einige Tage auf diese Weise, wanderte oft die Waldwege entlang, blickte auf die Berge und versuchte das alte Ich zu finden, das sie jetzt so dringend brauchte. Einmal war sie stolz auf die Vereinzelung gewesen, hatte es genossen, völlig allein und auf sich gestellt zu sein. Sie glaubte, das sei immer noch so, konnte aber das Gefühl völliger Vereinsamung unter diesen schlichten Leuten nicht loswerden. Der Unterschied lag zum Teil darin, sagte sie sich, daß sie jetzt für die Zwecke eines anderen tätig war — aber nein, sie hatte stets Aufträge von anderen angenommen und sie immer ausgeführt. Immerhin, es war ihr Plan gewesen, ihre Vorbereitung. Selbst bei Obie hatte sie das Gefühl gehabt, unabhängig zu sein, zu tun, was sie wollte, wie sie es tun wollte.