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»Diese Sitzung ist auf mein Ersuchen anberaumt worden, weil ich es für unabdingbar halte, daß wir alle begreifen, was vorgeht, und uns auf eine gemeinsame Politik dagegen einigen«, fuhr Ortega fort. Er schilderte kurz die Lage, so, wie er sie sah, ohne etwas zu verschweigen.

Schließlich kam er zur Sache selbst.

»Wir haben mehrere Möglichkeiten«, erklärte er. »Die erste ist die, gar nichts zu tun. Das wird zu einer zeitweiligen Verdoppelung der Bevölkerung auf der Sechseck-Welt führen, zu einer starken Belastung — aber nur für kurze Zeit. Unbehindert würde Brazil zum Schacht gehen, tun, was er zu tun hat, und die Bevölkerung um denselben Faktor verringern, um den er sie erhöht hat. Das würde zu Unannehmlichkeiten führen, gewiß, aber nicht zu Dingen, mit denen wir nicht fertig werden könnten.«

»Wenn er die Neulinge nur dazu verwendet, um diese Neubesiedelung zu bewältigen«, stellte jemand fest. »Wenn er uns alle benützt, ist dies das Ende. Oder übrigens auch, wenn er nicht lange überlegt, ob es Neulinge oder Einheimische sind.«

Ortega nickte gewohnheitsmäßig, obwohl es keine Fernsehbilder gab.

»Das ist natürlich der springende Punkt. Ich kenne Brazil. Ich weiß, daß man auf sein Wort bauen kann. Aber wenn wir ganz offen sein wollen, wird er ganz allein etwas tun, das die Markovier als Rasse getan haben — und so ist das System nicht eingerichtet worden. Wir wissen nicht, ob er die nötige Beherrschung oder Zuversicht besitzt. Er wird das zum allererstenmal tun und kann es eigentlich selbst nicht wissen. Er ist ganz gewiß ein Markovier — ich habe ihn in seiner natürlichen Erscheinung gesehen. Aber wenn wir auf seine Behauptungen vertrauen — und obwohl ich sein Ehrenwort im allgemeinen akzeptiere, würde ich keiner seiner Geschichten ohne Beweise glauben —, war er nach seinen eigenen Angaben ein Techniker in Hex 41. Ein Techniker, aber nicht der Schöpfer. Die Tatsache, daß er auch behauptet, Gott zu sein, der Erste Beweger, der höchste Schöpfer des Universums, sollte Ihnen zeigen, was man eigentlich glauben kann.«

»Ich neige dazu, es zu glauben«, erklärte eine andere fremde Stimme. Die Schaltungen waren so eingerichtet, daß derjenige, der als erster auf die Sprechtaste drückte, die anderen allesamt blockierte, so daß immer nur einer sprechen konnte. Im anderen Fall hätte es ein zweites Babel gegeben.

»Daß er Gott ist?« fragte Ortega fassungslos.

»Nein, natürlich nicht«, erwiderte der Botschafter. »Das ist eben der Punkt, verstehen Sie? Seine Behauptungen sind von grandiosester Art. Er behauptet, Gott zu sein, oder hält sich dafür. Jemand, der das behauptet, würde fast im Reflex behaupten, er sei der Schöpfer eines Hexagons, und nicht ein bloßer Techniker, wenn er sich gezwungen sähe, etwas zu erfinden. Das hat er nicht getan, so daß ich mich der Ansicht anschließe, daß er tiefer stand. Das stört mich natürlich noch mehr. Wir haben hier in Ragamin sehr fortschrittliche Computer. Wenn kleinere Reparaturen erforderlich sind, würde ich einem Techniker vertrauen. Sollte einer aber von Anfang an programmiert werden müssen und gäbe es keine Kopie des Urprogramms, dann würde ich auf einen Fachmann Wert legen. Brazil hat nichts programmiert, nicht einmal Hex 41 — wie können wir also darauf vertrauen, daß er weiß, was er macht, wenn es sich um den Schacht selbst handelt, etwas so Komplexes, daß kein Gehirn, das ich kenne, es sich vorstellen kann?«

Ortega schnitt jeden weiteren Kommentar ab.

»Guter Einwand. Ich sehe, daß eine ganze Anzahl von Ihnen sprechen möchte, aber wenn Sie erlauben, fahre ich fort, damit wir mit dieser Sitzung nicht die nächsten drei Wochen verbringen. Die Zeit drängt.«

Er machte eine Pause und wartete, bis die kleinen Lämpchen erloschen, als man seine Entscheidung, zumindest vorübergehend, hinnahm. Befriedigt sprach er weiter.

»Unsere zweite Möglichkeit besteht darin, Verbindung mit Brazil aufzunehmen und zu versuchen, mit ihm zu einer Einigung zu gelangen. Wenn es ihm gelingt, den Schacht zu erreichen, und er wütend auf uns ist, könnten wir uns zu einer Prophezeiung verleiten lassen, die sich selbst erfüllt. Muß er kämpfen, um hinzugelangen, dann wird er verdammt zornig auf uns alle und in der Lage sein, die Rechnung zu begleichen. Das müssen wir bedenken. Wenn er es schaffen kann, verwendet er vielleicht nur die Neulinge, falls er ohne Mühe hingelangt, oder er benützt uns, wenn wir ihm die ganze Zeit über Widerstand leisten, seinen Leuten Verluste zufügen und so weiter.«

»Könnten wir denn mit ihm überhaupt zu einer Einigung kommen?« fragte jemand.

»Vermutlich«, antwortete Ortega. »Wir könnten uns sein Wort geben lassen — das bisher immer Gültigkeit hatte. Aber wir könnten nicht erzwingen, daß er es hält. Als er das letztemal hier war, versuchten das einige von uns, wissen Sie. Wir gelangten in den Schacht, aber für uns war er damals so unverständlich, wie er es heute ist. Schlimmer noch, er war in Markoviergestalt und vollkommen in der Lage, praktisch alles mit dem Riesencomputer zu machen, was er wollte, einfach durch eine Art geistigen Kontakts.«

»Würden Sie ihm trauen?« warf jemand ein.

Ortega überlegte.

»Ja. Aber ich würde nicht unbedingt darauf vertrauen, daß er fähig wäre, sein Versprechen zu halten, aus den Gründen, die wir eben aufgeführt haben. Mit dem Schacht einige Einzelpersonen zu behandeln, ist eine Sache; den ganzen Computer zu reparieren und dann mit ihm auf das komplette Universum einzuwirken, eine völlig andere. Er ist ein kecker kleiner Halunke — ich bin überzeugt davon, er glaubt, daß er das kann. Aber ich bin nicht sicher, ob ich das auch glaube.«

Einen Augenblick lang flammten keine Lichter auf, als die anderen sich durch die Köpfe gehen ließen, was Ortega gesagt hatte. Dann versuchten alle gleichzeitig zu sprechen, und er mußte sie wieder unterbrechen.

»Die dritte Alternative, mit der Brazil rechnet, ist die, daß wir uns ihm widersetzen — ihn um jeden Preis daran hindern, daß er den Schacht erreicht. Seine Helfer sind schon hier, organisieren die Neuankömmlinge und nutzen die nationalen Eigeninteressen einer Anzahl verwundbarer Sechsecke, die ihn von sich aus unterstützen könnten. Seine Armee wird jetzt eingeschleust und steht im Begriff, sich um diese Organisatoren zu scharen. Wenn wir versuchen, ihn aufzuhalten, müssen wir uns mit verschiedenen nachteiligen Tatsachen befassen. Erstens können wir ihn gefangennehmen, einsperren, ihm alles mögliche Üble zufügen, aber töten können wir ihn nicht. Der Schacht läßt das nicht zu, gleichgültig, wie sehr wir uns anstrengen. Es geschieht immer etwas, das ihm einen Ausweg läßt. Deshalb sprechen wir von praktisch unbegrenzter Gefangenschaft. Zweitens haben wir es in einem solchen Fall mit einem schier unvorstellbaren Kampf zu tun. Wir sind uns noch nicht sicher, wo er ist, und bis jetzt ist er noch nirgends aufgetaucht. Letzteres ist vermutlich nur gut, weil wir wissen, daß er ein Typ 41 ist, wir kennen seine generelle äußere Beschreibung, und früher oder später würden wir es wissen. Er würde entdeckt werden, und wenn er sich dort befindet, wo er verwundbar ist, sagen wir, auf dem Meer, könnte man ihn sofort festnehmen. Wir müssen davon ausgehen, daß er irgendwo in oder bei Glathriel oder Ambreza ist, obwohl wir ihn dort bisher vergeblich gesucht haben. Er ist nicht so dumm, nicht für ein fast narrensicheres Versteck gesorgt zu haben. Wir müssen also warten, bis er sich zeigt. Er wird darauf warten, daß seine Armee oder Armeen ihn zum Handeln veranlassen, daß sie ihm die Kraft verleihen, nach Norden zu marschieren. Das heißt, es muß eine multinationale, vielrassige Gruppe von Armeen aufgestellt werden, verteilt an strategischen Orten, bereit, sich bei jeder Wendung gegen sie zu stellen. Da er sich den Weg aussucht, sind wir in der Logistik noch mehr im Nachteil als er, aber uns kommt die reine Zahl ebenso zugute wie das Gelände.« Er schwieg einen Augenblick und fügte hinzu:»Und drittens verurteilen wir uns, wenn wir das tun, natürlich dazu, zuletzt die einzigen Lebensformen in der ganzen Schöpfung zu sein.«