Colonel Asam war ihm Gegensatz zu ihr von dunklem Braun, das von der Sonne mehr Wärme aufzunehmen schien, und er blieb lose und bequem gekleidet, der Kälte gegenüber scheinbar unempfindlich. Selbst als der Anstieg mühsam wurde und sie entdeckte, daß ihre gewaltige Lunge zu brennen begann, führte er das Gespräch fast pausenlos weiter und berichtete von vielen seiner Abenteuer und den Leuten und Ländern, die er gesehen hatte. Sie ließ ihn reden, teils deshalb, weil ihm das Vergnügen zu machen schien — obwohl seine Genossen eher gelangweilt wirkten, da sie das vermutlich alles schon mehrmals gehört hatten —, und auch deshalb, weil er ein faszinierender Mann war. Gelegentlich bat er sie, ihre Meinung zu irgendeinem Punkt mitzuteilen oder eine ähnliche Episode aus ihrer Vergangenheit zu erzählen, und es dauerte einige Zeit, bis sie begriff, daß er auf ganz verstohlene Weise versuchte, noch viel mehr Informationen aus ihr herauszuholen. Für wen? fragte sie sich. Für sich selbst? Für irgendeinen Auftraggeber? Asam war in starkem Maß das, was sie gewesen, was vor so langer Zeit ihr Mann gewesen war: ein Abenteurer, ein Freibeuter, aber auf dessen Wort Verlaß war und der getreu jeden einmal übernommenen Auftrag auszuführen pflegte. Sie kam zu dem Schluß, daß es das beste war, wenn vorwiegend er redete.
»Diese Sache mit der Pest«, sagte sie, ein Stichwort nennend. »Worum ging es da?«
Er lächelte, zufrieden, eine neue Zuhörerin zu haben.
»Tja, Kind, das liegt zwanzig oder noch mehr Jahre zurück, schätze ich. Da waren diese beiden Hexagons, Morghun und Dahbi, unmittelbar nebeneinander, und Morghun war ein fruchtbares Ackerland, wo alle möglichen Vieharten und Früchte und Gemüsesorten gezüchtet wurden — tonnenweise — und man die Produkte im Austausch gegen benötigte Dinge, in erster Linie Fabrikwaren, exportierte. Das ist ein nur teilweise technologisches Hex wie Dillia, und das verlieh den Leuten die Energie, die sie brauchten, um das Land zu bewässern, und was dergleichen mehr ist. Da Nahrungsmittel und Häute von dort im Laufe der Jahre fast allem anderen in der Umgebung weit überlegen waren, wurde Morghun zu einer Art großem Markt, den jedermann besuchte. Die meisten anderen Hexagons plagten sich mit Landwirtschaft und dergleichen! gar nicht mehr ab — sie hatten es nicht nötig. Die Hochtech-Hexagons vor allem denken ja immer gleich an Ausgefallenes. Die meisten, gleichgültig, welcher Art die Kultur, können kein schönes Stück Weideland sehen, ohne gleich davon zu träumen, wie man das zu irgendeinem Zweck schön teeren könnte. Sie stellten also die guten Speziallegierungen für die Maschinen von Morghun und andere Dinge her, die von den besten Maschinen am besten erzeugt werden — Kunstdünger, landwirtschaftliche Gebäude aus Fertigteilen, in dieser Richtung. Ganz zu schweigen von schönen Ferien für die Landwirte, wenn sie danach Lust hatten. Das hatte sich alles gut eingespielt.«
»Und Dahbi?« fragte sie interessiert.
»Eine Rasse von Halunken«, erwiderte er. »Alle miteinander. Abschaum der Erde. Davon gibt es auf dieser Welt einige, wenn auch zum Glück nicht sehr viele. Theokratie, beruhend auf Altenkult. Sehr brutal, ärgste Unterdrückung. Ritueller Kannibalismus, zum Beispiel — die übliche Hinrichtungsmethode. Sie werden von der Gemeinde bei einer religiösen Feier gegessen — und zwar lebendig. Sie glauben, daß sie auf diese Weise die Seele verzehren und der Betroffene deshalb als Ahnengeist nicht mehr herumlaufen wird. Eine Art großer Heuschrecken, das kommt der Sache wohl am nächsten — Albino-Heuschrecken, ganz weiß. Aber sie sind nicht wie Sie und ich und die meisten Rassen, denen man begegnet. In ihrer Beschaffenheit haben sie etwas ganz Verrücktes — sie gehen durch feste Wände.«
Sie starrte ihn an.
»Das soll wohl ein Witz sein!«
»Nein. In dem ganzen verdammten Hex gibt es keine einzige Tür. Sie quellen sozusagen nur durch die Ritzen und gehen auf der anderen Seite an der Wand herunter. Tja, jedenfalls ist eine Religion keine Religion mehr, wenn sie so lange so streng bleibt. So groß sind die Sechsecke nicht — früher oder später, vor allem, wenn man Handel treibt, sehen deine Leute, daß andere nicht so elend zu leben brauchen wie sie, und das bringt sie auf Gedanken. Sie sind nicht-technologisch, so daß sie, um Fertigwaren bekommen zu können, Handel treiben müssen. In erster Linie mit Mineralien. Wenn man Gestein durchdringen kann, ist man von Natur aus sozusagen Bergmann. Sie vermieten, über die Religion, versteht sich, sogar Arbeitstrupps, die anderswo schürfen, Brunnen graben und dergleichen. Was kann der Kult nun bieten? Ein schöneres Leben nach dem Tode? Das taugt eine Weile, aber wenn die Leute ringsum besser leben, als dein Nachleben dir verspricht, na, da fängst du an, dir Gedanken zu machen. Das taten viele Dahbi, und das ganze Volk kann man nicht gut ausrotten. Die Führer sind kluge Leute — üble Burschen, aber schlau. Um selbst zu überleben, beschlossen sie, zu produzieren — und das hieß, benachbarte Länder wie Morghun für Besiedelung, Beherrschung und Kontrolle durch Dahbi zu öffnen.«
»Aber ich dachte, das geht nicht«, wandte sie ein. »Ich meine, ob ich durch Wände gehen kann oder nicht, man kann doch nicht wirklich annehmen, daß ein nicht-technologisches Hex ein hochtechnologisches oder auch nur teilweise technologisches Hex in einem Krieg besiegt.«
»Ganz richtig«, bestätigte Asam. »Und die Dahbi wußten das auch, obwohl sie im Nahkampf enorm gut sind. Sie haben scharfe Klingen an den Beinen und scheußliche Mahlkiefer. Nein, was ihr Führer, das Größte an Schweinehund, den es je gegeben hat — er hieß Gunit Sangh —, zustande brachte, war eine Abmachung mit einem Hochtech-Hex im Norden, wo man überhaupt keine Ahnung davon hatte, wie es in Ländern bei uns steht. Sie erzeugten künstlich einen Erreger, ein Bakterium, mit dem die Morghuner hingerafft wurden. Das war nur der Anfang, wohlgemerkt. Die Dahbi wollten schließlich mit einer Art Wunder-Heilmittel, vermischt mit religiösem Gefasel, dahergestürzt kommen und den Rest der Bevölkerung von Morghun ›retten‹. Inzwischen wären die Dahbi natürlich in Massen angetreten und hätten das Kommando übernommen.«
»Und das haben Sie verhindert?«
Er nickte stolz.
»Sozusagen. Niemand wußte nämlich, daß die Dahbi dahintersteckten. In irgendeinem Hex brechen immer Seuchen aus, und die verdammten Wesen hatten sich aufgeführt wie alle besorgten Nachbarn — freundlich, hilfsbereit, Sie verstehen. Und da kein Erreger von einem Hex einer anderen Rasse schaden kann, liefen sie auch keine Gefahr. Der Botschafter von Morghun, der selbst daran auf den Tod erkrankt war, wandte sich an den Zone-Rat um Hilfe und bewog Czill, ein Hochtech-Hex mit wandelnden Pflanzen, wo in der Hauptsache reine Forschung betrieben wird — wie eine riesige Universität, sozusagen —, dazu, sich für die Sache zu interessieren. Man isolierte den Erreger, und als das geschehen war und man geklärt hatte, daß es sich um ein künstliches Produkt handelte, erfand man ein Gegenmittel. Das Problem dabei war nur, es gab keinen Morghun-Bewohner, der fähig gewesen wäre, auch nur zum Zone-Zugang zu gelangen und das Zeug abzuholen. Aus diesem Grund erboten sich zwei benachbarte Hexagons, das zu übernehmen. Es stellte sich heraus, daß die Lieferungen überhaupt nicht ankamen. Kein Zweifel daran, daß jemand sie aufhielt.«
»Und wie sind Sie hineingeraten?« fragte sie gebannt.
»Ich war in Dhutu, nicht weit von ihr. Ortega setzte sich mit mir in Verbindung und machte mir klar, worum es ging. Die Dhutu sind nicht sehr mobil — sie kriechen langsam dahin und brauchen einen ganzen Tag, um durch das Zimmer zu kommen, aber sie sind ungeheuer stark. Es machte keine Mühe, das Serum zu beschaffen, aber dann stellte ich eine Mannschaft auf, und wir begannen eine Reise von viertausend Kilometern nach Morghun. Eine haarige Sache, kann ich Ihnen sagen.«