Выбрать главу

Ich trabe zum Sofa und schnuppere am Bezug. Hm, auch Erdbeeren und Minze. Aber noch irgendetwas anderes. Kein Tier. Eher noch ein Mensch. Tief tauche ich in den Geruch ein. Hm, habe ich nicht nur ein neues Frauchen, sondern auch noch ein Herrchen? Ein Frauengeruch ist das jedenfalls nicht. W?hrend ich noch ?berlege, hebt mich Carolin hoch und setzt mich - ja! ja! ja! - auf das Sofa, sich selbst gleich daneben. Begeistert schlecke ich ihre H?nde ab - diese Frau weiss ganz offensichtlich, was Dackel lieben. Sie lacht und zieht ihre H?nde weg. Dann sieht sie mich nachdenklichan.

»So, mein Kleiner: Ich habe alles f?r dich besorgt: K?rbchen, Leine, Fressnapf, Futter. Dann fehlt nur noch eins …« Ich sch?ttle den Kopf, f?r meinen Geschmack klang das ziemlich vollst?ndig. »Du brauchst noch einen sch?nen Namen.«

Ich quieke?berrascht - einen sch?nen Namen habe ich doch schon! Oder hat mich von Eschersbach einfach so im Tierheim abgestellt? Ohne noch ein paar Sachen ?ber mich zu erz?hlen? So eine Herzlosigkeit!

Offenbar merkt Carolin meine Emp?rung, sie hebt mich auf ihren Schoss, dann gucken wir uns in die Augen.

»Hm, also, wie k?nnte so ein Kerlchen wie du wohl heissen? Wonach siehst du denn aus?«

Ich versuche, mich m?glichst wirkungsvoll in die Brust zu werfen und sehr w?rdevoll auszusehen. Vielleicht kommt sie dann von allein auf Carl-Leopold? Zur Unterstreichung dieses Anblicks belle ich noch zweimal staatstragend. Los, Carolin, denk mal scharf nach!

»Auf alle F?lle bist du kein gew?hnlicher Hund - du scheinst mir wirklich Charakter zu haben. Innerlich bist du gewissermassen viel gr?sser, als du von aussen aussiehst.«

Ja! Genau! Gleich hat sie’s! Majest?tisch werfe ich den Kopf zur?ck.

»Ich hab’s! Ich nenne dich Herkules.«

Wie bitte? HERKULES? Alter Grieche statt alter Adel?

ZWEI

Herkules! Gut, Carolin mag keinen Geschmack haben, was die Namenswahl bei Dackeln anbelangt, und an diesen merkw?rdigen neuen Namen muss ich mich auch erst mal gew?hnen. Ein H?ndchen f?r die richtige Wohngegend hat sie aber auf alle F?lle. Tats?chlich scheint das Haus, in dem ich jetzt wohne, fast so gross wie Schloss Eschersbach zu sein. Mein Gef?hl, dass Carolin aus den besten Verh?ltnissenstammt, scheint also zu stimmen. Auch die Nachbarn residieren nicht gerade in bescheidenen H?tten. Direkt hinter unserem Haus beginnt ein Park. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob der Carolin allein geh?rt, denn er ist wirklich riesig. Als wir dort einen kurzen Spaziergang machen, kann ich ?berhaupt nicht erkennen, wo der Park endet - toll!

Und er ist nicht nur gross, es wartet auch das Abenteuer in ihm. Schon nach ein paar Schritten wittere ich die ersten Kaninchen und Eichh?rnchen. Sofort will ich loslaufen, da erinnert mich ein unsanfter Ruck im Nacken daran, dass Carolin etwas f?r mich besorgt hat, was f?r mich v?llig ungewohnt ist: eine Art Strick, den sie an meinem Halsband festgemacht hat. Aua! Was soll das denn? Ich drehe mich um, nehme das Ding in die Schnauze und zerre ein bisschen daran. Carolin kniet sich zu mir herunter.

»Na, Herkules? Magst du deine neue Leine nicht? Oder bist du noch nie so spazieren gegangen? Ich bin mir gar nicht sicher, ob so ein kleiner Hund wie du das gleich kann. An der Leine gehen, meine ich. Aber leider herrscht hier Leinenzwang, und ich kann dich nicht einfach herumlaufen lassen.«

Bei dem Wort»Leinenzwang« muss ich noch ein bisschen wilder auf dem Strick herumbeissen. Ich weiss zwar nicht genau, was das bedeutet, aber es klingt definitiv wie etwas, was sich gegen Hunde richtet.

»Ts, ts!«, sagt Carolin und dann streichelt sie mir ganz z?rtlich ?ber den Kopf. Ich lasse die Leine los und schaue sie an.

»Ich muss mir wohl ein Buch ?ber Hundeerziehung kaufen. Oder vielleicht ein paar Stunden beim Hundetrainer buchen? Du bist n?mlich mein allererster Hund ?berhaupt. Aber gestern hatte ich auf einmal das Gef?hl, es w?re nett, so ein freundliches, treues Wesen um mich zu haben.«

Okay, das mit der Erziehung ist nat?rlich ?berfl?ssiger Unsinn, und ich hoffe, Carolin kommt noch von allein drauf. Aber das mit dem freundlichen, treuen Wesen trifft hundertprozentig auf mich zu. Wie auf alle von Eschersbach’schen Dackel. Ich w?rde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass wir daf?r ber?hmt sind.Ein von Eschersbach verl?sst seinen Menschen nie. Nie! Merk dir das, Carl-Leopold!,h?re ich Opili sagen. Was aber ist, wenn der Mensch auf einmal den Dackel verl?sst? Dazu w?re Opili bestimmt auch nichts eingefallen, f?ge ich in Gedanken finster hinzu. Einen Moment will sich schlechte Laune bei mir breitmachen, aber da raschelt Carolin mit irgendwas in ihrer Tasche. Hmh, nicht mit irgendetwas - den Geruch kenne ich doch! Es ist Fleischwurst. Sie h?lt mir tats?chlich ein St?ck davon unter die Nase.

»Hier, mein Schatz. Beginnen wir doch unsere erste Trainingseinheit in Sachen Spaziergang mit etwas Erfreulichem. Ich hoffe, du magst das.«

Ich schnappe mir den Wurstzipfel und springe gleich mal begeistert auf und ab. Carolin soll doch wissen, dass das auf alle F?lle die richtige Idee war.

»Das freut dich, nicht wahr? Vielleicht lassen wir das Leinentraining auch erst mal und besuchen stattdessen Daniel. Wird Zeit, dass du den kennenlernst. Um diese Uhrzeit ist er bestimmt gerade fleissig und vielleicht f?r ein bisschen Abwechslung dankbar.«

Schade, ich w?re gerne noch im Park geblieben. Auch mit Leine. Vielleicht h?tten wir noch einen anderen Hund getroffen, den ich ein bisschen ?ber die Nachbarschaft h?tte ausquetschen k?nnen. Man will ja schliesslich wissen, mit wem man es zu tun hat. Aber wenn dieser Daniel so wichtig ist - bitte, von mir aus!

Carolin geht genau den Weg zur?ck, den wir gerade gekommen sind, und ich gebe mir M?he, brav an der Leine hinter ihr herzutrotten. Vielleicht kriege ich noch ein St?ck Wurst, wenn ich ihr jetzt ein p?dagogisches Erfolgserlebnis verschaffe. Tats?chlich dreht sie sich kurz zu mir um.

»Braver Herkules! Du lernst aber schnell!«, lobt sie mich. Leider ohne noch einmal in ihre Tasche zu greifen. Sei’s drum, Hunger habe ich ja eigentlich keinen.

Mittlerweile stehen wir wieder vor unserem Haus. Ob dieser Daniel auch hier wohnt? Carolin beugt sich zu mir und nimmt mich auf den Arm.

»So, ab in die Werkstatt!«

Werkstatt? Interessantes Wort. Was sich dahinter wohl verbirgt? Wir gehen tats?chlich ins Haus, aber anders als eben nicht die Treppe hoch, sondern vier Stufen hinunter. Dann ?ffnet Carolin die T?r - und wir stehen in einem Raum, der unglaublich nach Holz riecht. Ich schnaube erstaunt. Ob die Menschen auch W?lder haben, die sichinH?usern befinden? Und wohnen dann dort trotzdem F?chse und Kaninchen? Allerdings sehe ich ?berhaupt keine B?ume. Merkw?rdig.

Aus einer Ecke des Werkstattdings h?re ich jemanden pfeifen. Ob das Daniel ist? Carolin tr?gt mich in Richtung des Ger?uschs. Wir kommen in einen Raum mit zwei grossen Fenstern, in die gerade die warme Nachmittagssonne scheint. Direkt hinter den Fenstern beginnt eine Wiese, es sieht sehr h?bsch aus. Vor den Fenstern steht ein grosser Tisch, und hinter dem Tisch steht der Mensch, der so laut pfeifen kann. Er h?lt ein langes Dings in den H?nden, das aussieht wie ein Ast mit langen Haaren. Als er uns sieht, legt er das Dings zur Seite und h?rt auf zu pfeifen.

»Oh, hallo! Hat sich da jemand zu uns verlaufen? Oder haben wir gerade Besuch?«

Carolin sch?ttelt den Kopf. »Weder noch: Wir haben einen neuen Mitbewohner. Darf ich vorstellen: Herkules - Daniel. Daniel - Herkules.« Mit diesen Worten setzt sie mich auf den Tisch neben das Dings.

»Bitte? Du hast einen Dackel gekauft?«

»Einen Dackelmix, ja.«

Ich kann nicht anders - ich muss an dieser Stelle einfach heftig den Kopf sch?tteln und emp?rt knurren. Die beiden schauen mich erstaunt an.

»Hoppla, mag er vielleicht keine M?nner?«, will Daniel wissen.

Carolin zuckt mit den Schultern und krault mich beschwichtigend hinter den?hrchen. »Das will ich doch nicht hoffen. Im Tierheim haben sie jedenfalls nichts davon gesagt, und ich wollte ihn eigentlich tags?ber mit in die Werkstatt bringen.«