Выбрать главу

Mit einem Mal interessiert mich das Gespr?ch zwischen Nina und Carolin nicht mehr so sehr. Meine Gedanken sind wieder auf dem Schloss: Bei Mama, meiner Schwester Charlotte und Emilia. Wie es ihnen wohl geht? Zum ersten Mal seit den letzten drei aufregenden Tagen f?hle ich eine merkw?rdige Sehnsucht. Vermisst mich meine Familie?Oder reden sie schon nicht mehr ?ber mich? Ob Charlotte auch gut schlafen kann, wenn ich nicht neben ihr im K?rbchen liege? Ach, Charlotte, werde ich dich jemals wiedersehen?

»Hey, Herkules, was ist denn los mit dir? Geht es dir nicht gut?«

Anscheinend habe ich angefangen zu jaulen. Jedenfalls haben Carolin und Nina aufgeh?rt sich zu unterhalten, und Carolin hebt mich auf ihren Schoss. Erstaunt schaue ich direkt in ihr Gesicht. Ihre Augen sind ganz rot - Menschen weinen zwar leicht, aber offensichtlich bekommt es ihnen nicht. Ich schlecke schnell ihre H?nde ab.Alles in Ordnungsoll das bedeuten, aber trotzdem guckt Carolin ganz besorgt.

»Hm, was er wohl hat?«

Nina zuckt mit den Schultern.»Vielleicht ist er auch nicht so gl?cklich mit Thomas? Immerhin w?rde der ihn am liebsten rausschmeissen.«

WUFF! Wie bitte? Thomas will mich rausschmeissen? Lande ich also morgen wieder im Tierheim? Bei Bozo und Boxer?

Als wir wieder zu Hause sind, bin ich immer noch ganz beunruhigt. Ob mich Carolin tats?chlich wieder zur?ckbringt? Das w?re furchtbar. Vielleicht komme ich doch nicht darum herum, mich mit Thomas gutzustellen. Ich beschliesse, mich von meiner besten Dackelseite zu zeigen, wenn ich ihn das n?chste Mal sehe. Das geht mir zwar gegen den Strich, denn ein von Eschersbach kriecht grunds?tzlich nicht zu Kreuze - aber andererseits war mein letzter Akt zivilen Ungehorsams auch nicht gerade ein voller Erfolg und endete bekanntermassen mit einem schmerzhaften Biss in mein ?hrchen.

Momentan allerdings scheint Thomas gar nicht zu Hause zu sein. Carolin ruft jedenfalls nicht nach ihm, sie stellt nur kurz ihre Tasche ab und greift dann wieder nach dem Wohnungsschl?ssel.

»Wir gehen nochmal kurz in die Werkstatt, Herkules.« Dann ?ffnet sie die T?r. »Komm, S?sser!«

Nichts lieber als das! Ich freue mich, Daniel wiederzusehen und laufe schwanzwedelnd hinter Carolin die Treppe hinunter.

Unten angekommen, muss ich allerdings feststellen, dass es immer noch sehr nach Holz, aber nicht unbedingt nach Daniel riecht. Komisch, wo steckt der nur? W?hrend Carolin zu einem der Tische geht und dort ein wenig herumr?umt, laufe ich los und suche Daniel. Ich stelle fest, dass die R?ume hier in der Werkstatt ganz ?hnlich wie in Carolins Wohnung angeordnet sind: Zwei in einander ?bergehende auf der einen Seite, ein dritter dahinter, dann ein langer Flur und hinten noch einmal ein Zimmer. Dort riecht es besonders stark nach Wald - und als ich hineinschnuppere, sehe ich, dass sich hier ganze Stapel von Holz t?rmen. Merkw?rdig - was will Carolin bloss mit so viel Holz? Von Eschersbach sammelt Flaschen in seinem Keller, und der Mann von Emilia sammelt diese kleinen bunten, viereckigen Papierst?cke mit den gezackten R?ndern, aber Holz? Es gibt offensichtlich nichts, was Menschen nicht sammeln.

»Herkules, wo steckst du denn?«, ruft Carolin den Flur hinunter. Ich trabe aus dem Holzzimmer. »Na, was machst du denn im Holzlager? Riecht gut, oder?« Ich lege mich vor Carolins F?sse, und sie streichelt mich kurz. »Oder suchst du Daniel?«

Als ich diesen Namen h?re, wedele ich mit dem Schwanz. Carolin soll gleich mal wissen, was ich mir unter einem netten Herrchen vorstelle.

»Ah, daher weht der Wind. Daniel ist nett, nicht? Aber es ist Wochenende, und da arbeiten wir normalerweise nicht. Ich muss auch nur kurz ein paar Sachen erledigen, die seit deinem Einzug bei mir liegengeblieben sind. Dann gehen wir eine Runde spazieren, versprochen. Du kannst dich so lange ein bisschen im Garten umschauen, bis ich fertig bin, okay?«

Ein guter Plan, denn den Garten habe ich noch gar nicht inspiziert.?berhaupt - bis auf Wohnung und Werkstatt ist das Haus noch g?nzlich unbekannt f?r mich, und ich freue mich schon darauf, es nach und nach zu erkunden. Carolin geht zu einem der Fenster im zweiten Raum und ?ffnet es. Erst jetzt sehe ich, dass von dort zwei Stufen hinauf in den Garten f?hren. Schnell springe ich sie hoch und sitze sofort im Gras. Herrlich - wie das am Bauch kitzelt! Die Sonne scheint mir auf die Nasenspitze, und ich muss niesen. Carolin lacht.

»So, dann viel Spass - ich lasse die T?r auf, du kannst also reinkommen, wenn dir langweilig wird.«

Keine Sorge, Carolin, das wird garantiert nicht passieren! Ich trabe los und beschnuppere den riesigen Baum, der seitlich vorm Haus steht. Hm, interessant. Offensichtlich war hier schon l?ngere Zeit kein Hund mehr, denn es ist absolut nichts markiert an diesem Stamm. Ich hole das sofort nach und hebe gleich mal mein Beinchen. Oft habe ich das noch nicht gemacht und an so einem breiten Stamm schon gleich gar nicht, deshalb sieht das Ganze bestimmt noch ein bisschen amateurhaft aus. Aber egal, das kann ich hier schliesslich ausgiebig unter Ausschluss der ?ffentlichkeit ?ben. So lange, bis ich es genauso gut hinkriege wie die erwachsenen R?den, die ich dabei schon heimlich beobachtet habe. Total l?ssig sind die: laufen an einem Baum vorbei und heben - als w?re es keine grosse Sache - einfach ihr Bein.

Ich versuche es noch einmal auf der anderen Seite, ist schliesslich wichtig, dass man es mit beiden Beinen hinkriegt. Gar nicht so leicht, das! Nur gut, dass mich keiner sieht.

»Na, Kleiner?«, t?nt es in diesem Moment von direkt ?ber mir. »Das schaut noch ganz sch?n wackelig aus. Machst du wohl noch nicht so lang, he he!«

Wer, zum Teufel, ist das? Ich gucke nach oben und sehe in der Baumkrone eine dicke, schwarze Katze. O nein, welch Schmach! Ein heimlicher Beobachter und dann ausgerechnet noch eine Katze!

»Im ?brigen sind das hiermeinGarten undmeinBaum - ich m?chte dich also auffordern, dieses Rumgepinkel hier zu unterlassen. Es ist ekelhaft und stinkt.«

Mit diesen Worten klettert die Katze gem?chlich den dicken Stamm hinunter und steht dann vor mir. F?r eine Katze ist sie ziemlich gross. Vor allen Dingen ist sie auch fett. Ich knurre sie an.

»Was denn? Ist das etwa eine korrekte Begr?ssung? Ihr Hunde habt einfach kein Benehmen. Kommst hier quasi ohne anzuklopfen in mein Wohnzimmer und stellst dich nicht mal vor. Aber na gut«, die Katze seufzt, »fangen wir eben anders herum an: Ich bin Herr Beck.«

Aha, ein Kater.

»Ich bin Carl-Leopold von Eschersbach. Erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Herr Beck.« Schliesslich will ich mir von so einem nicht nachsagen lassen, ich w?sste nicht, was sich geh?rt.

Der Kater kichert.»Carl-Leopold? Komisch, meine eben geh?rt zu haben, dass Carolin dich Herkules nennt. Und>von Eschersbach< klingt reichlich?berkandidelt.«

Was f?r eine Frechheit! Am liebsten w?rde ich diesem fetten Viech gleich mal richtig in die Fersen beissen - aber vom Umgang mit den Schlosskatzen weiss ich, dass das f?r einen kleinen Hund wie mich ziemlich schmerzhaft ausgehen kann. Diese Biester sind echt schnell und haben richtig scharfe Krallen. Obwohl ich innerlich sch?ume, versuche ich also, mich ganz k?hl zu geben.

»Eine tolle Frau wie Carolin kann mich nennen, wie sie will. Bei einer gew?hnlichen Katze wie Ihnen muss ich leider aufCarl-Leopoldbestehen. Im?brigen ist das hier mitnichten Ihr Wohnzimmer, sondern mein neuer Garten. Ich m?chte Sie also bitten, in Zukunft nicht mehr auf meinen ebenfalls neuen Baum zu klettern. Sie besch?digen ihn mit Ihren Krallen.«

Der Schwanz des Katers beginnt zu zucken. Allerdings leider nicht, weil Beck vor Angst zittert, sondern weil er in geradezu hysterisches Gel?chter ausbricht.

»Grossartig - du hast hier gerade noch gefehlt! Gerade war mir ein bisschen langweilig geworden - aber mit einem Clown wie dir wird das bestimmt ein sehr unterhaltsamer Sommer.«

Beck f?ngt an, sich lachend auf dem Boden zu w?lzen. Es ist offensichtlich, dass er sich blendend am?siert. Ich hingegen k?nnte mir die Schwanzhaare ausreissen. Niemand nimmt mich f?r voll. Langsam beruhigt sich Herr Beck wieder, steht auf und sch?ttelt sich kurz.