Выбрать главу

»Jetzt mal im Ernst, Kleiner - was glaubst du eigentlich, wer du bist?«

Ich will darauf gerade etwas erwidern, da zischt Becks Tatze blitzschnell millimeterscharf an meiner Schnauze vorbei.»Halt - falsche Frage! Fang jetzt bloss nicht wieder mit diesem Adelsgequatsche an.«

Ich knurre. Beck soll nicht denken, dass ich mich hier ohne weiteres beleidigen lasse - Krallen hin, Krallen her. Beck ignoriert das leider v?llig und f?hrt unbeeindruckt fort: »Ich lebe nun schon eine ganze Weile als einziges Tier in diesem Haus, wenn man mal von dem bl?den Wellensittich im zweiten Stock absieht. Und nur, weil du von der zugegebenermassen ganz reizenden Carolin hier angeschleppt wurdest, musst du nicht glauben, dass ich mein Revier r?ume. Das warmeinGarten, das istmeinGarten, und das wird auch immermeinGarten bleiben! Also sei froh, wenn du dir hier ab und zu die Sonne auf die Nase scheinen lassen darfst und bleib weg von dem Baum. Verstanden?«

Mit diesen Worten dreht er sich um und will mich offensichtlich einfach so stehen lassen. Da platzt mir endg?ltig der Kragen. Ich mache einen Satz nach vorne und schnappe nach Becks Schwanz. Eigentlich mit dem Ziel, es ebenso knapp ausfallen zu lassen, wie Beck vorhin seinen Tatzenhieb. Leider senkt er in genau diesem Moment seine Schwanzspitze in Richtung meines Fangs - und ehe ich mich versehe, beisse ich genau hinein. Autsch. Das war bestimmt ein kleines bisschen schmerzhaft. Vielleicht auch ein grosses bisschen. Aber keine Absicht, ehrlich!

Beck faucht laut auf und will sich r?chen, ich gebe Fersengeld. An Tag zwei von einem Kater verm?belt zu werden, geh?rt ganz sicher nicht zu meiner Vorstellung von einem gelungenen Einstand. Bevor er mich erwischt, springe ich mit einem beherzten Satz direkt durch das noch ge?ffnete Fenster der Werkstatt.

Ich lande fast auf Carolins F?ssen, die schaut mich erstaunt an.

»Was machst du denn da, Herkules? Kunstfliegen?« Sie schaut aus dem Fenster und sieht Beck, der gerade noch eine Vollbremsung hinlegen kann. »Hast du dich etwa mit der Katze gestritten?«

Ich versuche, m?glichst unschuldig zu gucken, und wedele mit dem Schwanz.

»Also wirklich, Herkules! Herr Beck ist ein ganz netter ?lterer Herr. Ausserdem giesst sein Frauchen immer meine Blumen, wenn ich mal nicht da bin. Du musst dich also ein bisschen benehmen.«

Wie peinlich! Sie kennt den Kater n?her. Ich tue so, als w?rde ich irgendetwas sehr Interessantes auf dem Boden beobachten. Allerdings kann ich mir den Gedanken nicht verkneifen, dass Carolins M?nnergeschmack sowohl bei Menschen als auch bei Katzen alles andere als exquisit ist. Erst dieser unm?gliche Thomas, dann Herr Beck - es ist eigentlich fast ein Wunder, dass sie mich und nicht Bozo aus dem Tierheim mitgenommen hat.

Bei dem Gedanken an Thomas f?llt mir wieder ein, dass ich heute noch dringend einen guten Eindruck bei dem Bl?dmann hinterlassen muss. Er soll doch gar nicht erst auf die Idee kommen, dass man mich auch zur?ckbringen k?nnte. Ausserdem reichteinFeind in meiner n?heren Umgebung, und Herrn Beck brauche ich meine Freundschaft momentan wohl nicht mehr anzudienen. Ich nehme mir fest vor, die erstbeste Gelegenheit zur Verbr?derung mit Thomas beim Schopf zu packen.

Ein von Eschersbach fackelt nicht lange - er handelt, wenn sich die M?glichkeit bietet, und zwar k?hn und unerschrocken.Genauso werde ich es machen, Opili. K?hn und unerschrocken.

VIER

Tats?chlich kommt die Gelegenheit zur Verbr?derung mit Thomas schon fr?her als gedacht. Eine Nacht sp?ter liege ich in meinem K?rbchen und kann nicht schlafen. Zu viel geht mir durch den Kopf. Thomas. Der kleine Zwischenfall mit Herrn Beck. Das Gespr?ch zwischen Carolin und Nina. Selbst an Fritz, den M?nsterl?nder aus dem Tierheim, muss ich denken. Unruhig w?lze ich mich hin und her.

Pl?tzlich h?re ich ein Ger?usch. Es ist ein Murmeln … oder eher ein … Wimmern? Ich rapple mich hoch, klettre aus dem K?rbchen und trabe aus dem Wohnzimmer in Richtung Flur. Dort kann ich das Ger?usch noch viel besser h?ren. Es ist tats?chlich ein Wimmern, und es kommt aus dem Schlafzimmer! O Schreck - geht es Carolin nicht gut? Die T?r ist nur angelehnt, deswegen kann ich leise hineinhuschen. Leider ist es ist v?llig dunkel, ich kann nichts erkennen.

Und wieder das Ger?usch. Das Wimmern ist mittlerweile zu einem St?hnen geworden. Zu meiner grossen Erleichterung ist es aber eindeutig Thomas, dem es nicht gut zu gehen scheint. Mein erster Gedanke: Mit Carolin ist wohl alles in Ordnung. Mein zweiter Gedanke: Hier ist sie, meine Chance! Nun heisst es, k?hn und unerschrocken zu handeln. Denn ganz offensichtlich liegt Thomas im Bett und windet sich vor Schmerzen. Carolin schl?ft anscheinend - jedenfalls scheint sie ihn nicht zu h?ren, denn sonst w?rde sie ihm ja helfen. Ich werde also daf?r sorgen, dass sie aufwacht und Thomas nicht l?nger leiden muss. Dann wird er erkennen, was f?r ein toller Hund ich bin und wie gut es ist, dass Carolin mich geholt hat.

Mit einem k?hnen und unerschrockenen Satz springe ich ins Bett, genau neben den st?hnenden Thomas. Es ist wirklich erstaunlich, dass Carolin ihn nicht h?rt, denn sie liegt mehr oder weniger unter ihm. Ich erw?hnte es bereits: Menschen haben wirklich grottenschlechte Ohren. Aber keine Sorge, Thomas, du hast ja jetzt einen neuen treuen Freund. In seinen Schmerzen windet er sich regelrecht, das Gesicht nach unten gedreht. Ich schlecke ihm schnell den Nacken ab, er soll wissen, dass Hilfe nah ist. Er zuckt zusammen. Dann beginne ich, m?glichst laut zu bellen. Schliesslich soll Carolin endlich aufwachen.

Das N?chste, an was ich mich noch erinnern kann, ist, dass ich quer durch den ganzen Raum fliege und sehr unsanft neben der T?r lande. Dann wird es pl?tzlich ganz hell. Thomas - wie durch ein Wunder spontan genesen - steht ?ber mir und funkelt mich b?se an.

»Du Scheissk?ter! Was f?llt dir ein! Dich mach ich platt!«

Er holt aus - will er mich etwa schlagen? Ich versuche, mich wegzuducken. Nur wohin? In Panik jaule ich auf. Zur Hilfe - was ist hier bloss los?

In diesem Moment steht auf einmal Carolin hinter Thomas. Von dem ganzen L?rm ist sie nun doch aufgewacht. Sie packt Thomas von hinten an der Schulter und zerrt ihn zur?ck.

»Unterstehe dich, Herkules ein Haar zu kr?mmen! Er hat uns schliesslich nicht absichtlich gest?rt.«

Thomas f?hrt zu ihr herum. »Bitte? Die T?le springt in unser Bett, als ich gerade richtig in Fahrt bin, und du verteidigst sie? Dem dummen Vieh werde ich gleich mal zeigen, was ich von seiner kleinen Einlage halte.«

»Thomas!«, kommt es jetzt ganz scharf von Carolin. »Du l?sst sofort die Finger von Herkules. Sofort!«

Sie b?ckt sich zu mir herunter und nimmt mich auf den Arm. Mittlerweile zittere ich wie Espenlaub. Das ist einfach zu viel f?r mein empfindliches Nervenkost?m. Und ?berhaupt verstehe ich nur noch Bahnhof: Was heisst hierst?ren?Undin Fahrt?Thomas soll doch froh sein, dass wenigstens ich seinen kritischen Zustand erkannt habe. Stattdessen hatte er ernsthaft vor, mich zu verm?beln. Und mein Dackelpo tut auch noch weh von dem Tritt, den er mir im Bett verpasst hat. Ich fange an zu winseln. Noch nie bin ich so ungerecht behandelt worden. Gegen diesen Psychopathen ist der alte von Eschersbach ja die Mildt?tigkeit in Person!

»Du Armer, du zitterst ja ganz doll!« Carolin dr?ckt mich an sich und presst ihr Gesicht in meinen Nacken. »Keine Angst, ich bin bei dir. Ich passe schon auf dich auf.«

Thomas schnauft ver?chtlich. »Also echt, Carolin. Hast du jetzt etwa ein erotisches Verh?ltnis zu einem Hund? Dir scheint die Unterbrechung ja ?berhaupt nichts auszumachen. Wahrscheinlich war sie dir ganz recht. Musst du wenigstens nicht wieder sagen, dass du Kopfschmerzen hast.«

Halt maclass="underline" Thomas st?hnt, und Carolin hat Kopfschmerzen? Unterbrechung wovon? So sehr ich mir auch M?he gebe, ich kann mir ?berhaupt keinen Reim darauf machen. Nur eins ist v?llig klar: Mein Versuch, bei Thomas gut Wetter respektive Dackel zu machen, ist gr?ndlich danebengegangen. Und ich weiss nicht mal, warum. Ob ich meinen neuen Kauknochen wohl mit ins Tierheim nehmen darf? Wobei es auch egal ist, wahrscheinlich nehmen mir Bozo und Boxer den als Erstes weg.