Beim Bett fange ich an: Alles wie gehabt. Rechts riecht es nach Carolin, links mehr nach Thomas. Na gut, was hatte ich erwartet? So schlafen die beiden nun mal. Ich will schon fast wieder herunterh?pfen, da f?llt mir noch der Hauch eines anderen Geruchs auf. Nicht direkt auf den Laken, sondern eher darunter, auf der Matratze. Ich schiebe die Laken auseinander und schn?ffele noch einmal genauer. Seltsam. Denn w?hrend Carolins Seite genau diesen fantastischen Carolin-Geruch an sichhat und bei Thomas selbst seine Bettseite unsympathisch riecht, schwebt noch ein dritter Geruch ?ber diesem Bett. Es ist… hm … ich bin mir nicht sicher … irgendwie … nein, oder vielleicht doch … Wirklich schwer zu sagen! Deshalb robbe ich noch einmal gr?ndlich mit meiner Nase ?ber das gesamte Bett.
In diesem Moment wird die T?r zum Schlafzimmer weit aufgestossen. »Herkules, pfui! Was machst du schon wieder in unserem Bett?«
Carolin steht vor mir und wedelt tadelnd mit dem Zeigefinger. Besch?mt gucke ich zu Boden. Wie soll ich ihr auch erkl?ren, was genau ich suche? Ich weiss es schliesslich selbst nicht. Ich weiss nur, dass ich eben etwas sehr Seltsames entdeckt habe.
»Hunde geh?ren nicht ins Bett, Herkules. Du hast ein sehr komfortables K?rbchen, und da bleibst du bitte, wenn du schlafen m?chtest. Auf dem Sofa kannst du ruhig mit mir sitzen, aber ins Bett darfst du nicht. Thomas war neulich schon echt sauer auf dich, und ich habe ihm versprochen, dichein bisschen besser zu erziehen. Ich will doch, dass ihr Freunde werdet. Und so klappt das nicht!«
Jetzt sieht Carolin richtig traurig aus. Mist. Ich klappe die Ohren an und h?pfe vom Bett. War eine bl?de Idee mit dem Schlafzimmer. Und schlauer bin ich jetzt auch nicht.
»Nun guck nicht so traurig. Ab und zu muss eben auch ein so s?sser Hund wie du noch etwas lernen. Und jetzt komm - dein Fresschen ist bestimmt schon fertig.«
Das lasse ich mir nat?rlich nicht zweimal sagen und sause gleich los in die K?che. Carolin nimmt den Napf aus dem K?hlschrank, r?hrt einmal um und setzt ihn mir dann vor die Nase. Hm, lecker. So eine ordentliche Portion Herz, und der gr?sste Kummer ist schnell vergessen.
Zur?ck in der Werkstatt schlafe ich erst einmal ein St?ndchen. Daniel hat mir aus einer alten Kiste und einem Kissen ein Zweitk?rbchen gebastelt - sehr umsichtig, der Mann. Ich werde wach, weil ich das Gef?hl habe, dass irgendjemand Herrn Beck foltert. Jedenfalls dringen ganz grauenhafte T?ne an mein Ohr. Sehr hoch und schrill, ein elendes Gejaule. Ich springe aus der Kiste und laufe in Richtung des Ger?uschs. Dort, in einem der vorderen R?ume, steht Carolin und h?lt etwas auf dem Arm. Allerdings nicht Herrn Beck, sondern einen der kleinen Holzk?sten, die ?berall in der Werkstatt herumzuliegen scheinen. Komisch sehen die aus. Es gibt sie in verschiedenen Gr?ssen, sie sind nicht eckig, sondern rund, und zwar so, als ob man zwei Kreise aneinandergeklebt h?tte. Ausserdem haben sie einen langen Hals. Und auf diesem Hals haut Carolin gerade mit dem Stock mit den Haaren herum. Besser gesagt, sie streicht darauf herum. Was dem K?stchen anscheinend wehtut, denn aus ihm kommt daraufhin das furchtbare Ger?usch.
Brrr, da gefriert einem ja das Blut in den Adern! Ich kann nicht anders, ich fange an zu heulen. Erst zaghaft, dann richtig laut. Carolin l?sst das K?stchen sinken, Daniel kommt ins Zimmer gelaufen. Er sieht mich, wie ich noch ein letztes Mal kr?ftig losheule, dann bricht er in schallendes Gel?chter aus.
»Ach herrje, sag bloss, Herkules mag keine Musik! Na, da bist du ja bei uns genau an der richtigen Adresse!«
Musik? Das, bitte, soll Musik sein? Das ist doch wohl nicht euer Ernst! Ich kenne Musik schon von Schloss Eschersbach. Im Salon stand nicht nur mein Lieblingssofa, sondern auch ein sogenanntes Klavier. Von Eschersbach spielte dort manchmal, und das war auch nichts, was ich mir pers?nlich ausgesucht h?tte, aber l?ngst nicht so schlimm wie das eben Geh?rte. Und wenn ich mit Emilia zum Einkaufen fahren durfte, dann spielte das Auto Musik, nat?rlich auch viel zu laut, aber ansonsten eigentlich ganz sch?n - mit einem klaren Rhythmus und ganz schnell. Aber das hier gerade war doch einfach nur furchtbar. Und so schrill. Im Leben war das keine Musik. Ich sch?ttle energisch den Kopf.
Carolin und Daniel schauen sich etwas ratlos an.
»Vielleicht sind ihm die T?ne zu hoch? Hol doch mal das Cello, passt ihm vielleicht besser als die Violine?«
Daniel trabt los und kommt mit einem der gr?sseren K?stchen wieder. Aha, dieses Ding tr?gt also den sch?nen Namen. Na, Hoffentlich klingt es auch ein bisschen danach. Daniel setzt sich auf einen Stuhl und klemmt sich das Cello zwischen die Beine. Auch er nimmt den Stock zur Hand. Dann bewegt er ihn langsam hin und her. Tats?chlich, auch hier kommen T?ne heraus. Und sie klingen wirklich deutlich besser. Ich grunze zufrieden und lege mich vor Daniel, den Kopf auf meine Vorderl?ufe.
»Okay, Herkules ist nicht der Typ f?r Geige. Aber generell scheint er nichts gegen Musik zu haben«, stellt Carolin fest. »Dann muss er wohl immer einen kleinen Spaziergang im Garten machen, wenn wir hier die Geigen stimmen. Schade, dabei ist Violine so ein tolles Instrument.«
»Wer weiss, wie das f?r Hundeohren klingt. Wahrscheinlich h?rt er noch irgendwelche Schwingungen, die wir gar nicht mitbekommen. Es gibt doch auch diese lautlosen Hundepfeifen, die k?nnen wir schon nicht mehr h?ren, Hunde aber sehr wohl.«
»Hey, hast du dir heimlich mein Hundebuch geklaut?«
»Nein, aber wir hatten zu Hause immer einen Hund. Ziemlich viele Terrier, aber einmal sogar auch einen Dackel. Du kannst mich also Fachmann nennen.«
»Gut zu wissen. Ich werde dich bestimmt bald mit einer Fachfrage behelligen. Jetzt muss ich aber weiterarbeiten. Also, Herkules, wenn dir deine Ohren lieb sind, dann gehst du wohl besser in den Garten.«
Auch gut, kann ich noch ein bisschen Pinkeln?ben.
F?NF
Im Garten ist es friedlich und ruhig. Ich schaue mich um, ob ich diesmal auch wirklich keine ungebetenen Zuschauer habe, dann steuere ich den grossen Baum an und hebe mein Beinchen. Wer sagt’s denn? Klappt doch schon besser. Der bl?de Beck kann mich mal. Ausserdem ist das nat?rlich nicht sein Garten, sondern meiner. Schliesslich geht er von Carolins Werkstatt ab. Beck ist also nur Besucher. Dagegen ist nichts zu sagen, ein von Eschersbach ist schliesslich Freund gepflegter Gastlichkeit. Aber wenn dieser bl?de Kater meint, dass ich nun nach seiner Pfeife tanzen werde, nur weil er l?nger hier lebt, dann irrt er gewaltig. Ich werde nicht klein beigeben. Ein von Eschersbach gibt niemals klein bei!
Ich probiere es noch ein paar Mal wechselseitig mit dem linken und mit dem rechten Bein, dann wird es mir irgendwann langweilig. Zeit, sich die anderen Eckchen des Gartens anzuschauen. Hinter dem Baum beginnt eine grosse Rasenfl?che, auf die gerade einladend die Sonne scheint. Ansonsten ist es dort f?r meinen Geschmack recht langweilig. Keine Spur von Kaninchen oder Maulw?rfen. Das ein oder andere Eichh?rnchen scheint ab und zu ?ber die Wiese zu laufen, jedenfalls riecht es ein bisschen danach. Eichh?rnchen sind aber keine lohnende Beute, daf?r springen sie auf der Flucht viel zu schnell auf B?ume. Selbst so ein toller Hecht wie Opili h?tte da keine Chance.
Die Wiese wird links und rechts von einem Blumenbeet eingerahmt. Hier riecht es s?sslich-sommerlich, und ein paar Bienen schwirren schwerbeladen mit Pollen von Bl?te zu Bl?te. Ich schn?ffele ein bisschen am Rand herum, kann aber nichts Interessantes entdecken. Gerade will ich umdrehen, um in Richtung Vorgarten zu traben, da h?re ich jemanden rufen.
»Herkules! Hey, komm mal r?ber!« Sollte das Herr Beck sein? Der Revanche fordert? Ich beschliesse, nicht zu reagieren.
»Mann, Herkules, komm schon.«
Ich drehe mich langsam herum, r?hre mich aber immer noch nicht vom Fleck.
»Also gut, wenn’s dir so wichtig ist: Carl-Leopold, w?rdest du bitte mal kommen?«
Oh, ganz neue T?ne. Beck scheint irgendetwas Wichtiges von mir zu wollen. Aber wo, zum Teufel, steckt er? Ich kann ihn nirgends sehen. Auf der Wese nicht, auf dem Baum nicht, nirgends.