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Carolin und Daniel schauen sich etwas ratlos an.

»Vielleicht sind ihm die Töne zu hoch? Hol doch mal das Cello, passt ihm vielleicht besser als die Violine?«

Daniel trabt los und kommt mit einem der größeren Kästchen wieder. Aha, dieses Ding trägt also den schönen Namen. Na, Hoffentlich klingt es auch ein bisschen danach. Daniel setzt sich auf einen Stuhl und klemmt sich das Cello zwischen die Beine. Auch er nimmt den Stock zur Hand. Dann bewegt er ihn langsam hin und her. Tatsächlich, auch hier kommen Töne heraus. Und sie klingen wirklich deutlich besser. Ich grunze zufrieden und lege mich vor Daniel, den Kopf auf meine Vorderläufe.

»Okay, Herkules ist nicht der Typ für Geige. Aber generell scheint er nichts gegen Musik zu haben«, stellt Carolin fest. »Dann muss er wohl immer einen kleinen Spaziergang im Garten machen, wenn wir hier die Geigen stimmen. Schade, dabei ist Violine so ein tolles Instrument.«

»Wer weiß, wie das für Hundeohren klingt. Wahrscheinlich hört er noch irgendwelche Schwingungen, die wir gar nicht mitbekommen. Es gibt doch auch diese lautlosen Hundepfeifen, die können wir schon nicht mehr hören, Hunde aber sehr wohl.«

»Hey, hast du dir heimlich mein Hundebuch geklaut?«

»Nein, aber wir hatten zu Hause immer einen Hund. Ziemlich viele Terrier, aber einmal sogar auch einen Dackel. Du kannst mich also Fachmann nennen.«

»Gut zu wissen. Ich werde dich bestimmt bald mit einer Fachfrage behelligen. Jetzt muss ich aber weiterarbeiten. Also, Herkules, wenn dir deine Ohren lieb sind, dann gehst du wohl besser in den Garten.«

Auch gut, kann ich noch ein bisschen Pinkeln üben.

FÜNF

Im Garten ist es friedlich und ruhig. Ich schaue mich um, ob ich diesmal auch wirklich keine ungebetenen Zuschauer habe, dann steuere ich den großen Baum an und hebe mein Beinchen. Wer sagt's denn? Klappt doch schon besser. Der blöde Beck kann mich mal. Außerdem ist das natürlich nicht sein Garten, sondern meiner. Schließlich geht er von Carolins Werkstatt ab. Beck ist also nur Besucher. Dagegen ist nichts zu sagen, ein von Eschersbach ist schließlich Freund gepflegter Gastlichkeit. Aber wenn dieser blöde Kater meint, dass ich nun nach seiner Pfeife tanzen werde, nur weil er länger hier lebt, dann irrt er gewaltig. Ich werde nicht klein beigeben. Ein von Eschersbach gibt niemals klein bei!

Ich probiere es noch ein paar Mal wechselseitig mit dem linken und mit dem rechten Bein, dann wird es mir irgendwann langweilig. Zeit, sich die anderen Eckchen des Gartens anzuschauen. Hinter dem Baum beginnt eine große Rasenfläche, auf die gerade einladend die Sonne scheint. Ansonsten ist es dort für meinen Geschmack recht langweilig. Keine Spur von Kaninchen oder Maulwürfen. Das ein oder andere Eichhörnchen scheint ab und zu über die Wiese zu laufen, jedenfalls riecht es ein bisschen danach. Eichhörnchen sind aber keine lohnende Beute, dafür springen sie auf der Flucht viel zu schnell auf Bäume. Selbst so ein toller Hecht wie Opili hätte da keine Chance.

Die Wiese wird links und rechts von einem Blumenbeet eingerahmt. Hier riecht es süßlich-sommerlich, und ein paar Bienen schwirren schwerbeladen mit Pollen von Blüte zu Blüte. Ich schnüffele ein bisschen am Rand herum, kann aber nichts Interessantes entdecken. Gerade will ich umdrehen, um in Richtung Vorgarten zu traben, da höre ich jemanden rufen.

»Herkules! Hey, komm mal rüber!« Sollte das Herr Beck sein? Der Revanche fordert? Ich beschließe, nicht zu reagieren.

»Mann, Herkules, komm schon.«

Ich drehe mich langsam herum, rühre mich aber immer noch nicht vom Fleck.

»Also gut, wenn's dir so wichtig ist: Carl-Leopold, würdest du bitte mal kommen?«

Oh, ganz neue Töne. Beck scheint irgendetwas Wichtiges von mir zu wollen. Aber wo, zum Teufel, steckt er? Ich kann ihn nirgends sehen. Auf der Wese nicht, auf dem Baum nicht, nirgends.

»Beck, wo bist du? Ich sehe dich nicht.« »Ich bin hier oben.«

»Auf dem Baum?« »Nein, auf dem Tisch.«

Auf dem Tisch? Einen Tisch kann ich nicht entdecken, ratlos blicke ich umher.

»Auf dem Tisch auf dem Rasen. Lauf hinter das Beet, dann siehst du ihn!«

Ich trabe also hinter das linke Blumenbeet und sehe dort tatsächlich einen großen Gartentisch, beziehungsweise die Tischbeine eines solchen. Aus Dackelsicht gar nicht so leicht hinter diesen hohen Stauden zu entdecken, aber das muss er wohl sein.

»Genau, jetzt bist du richtig. Spring mal auf den Stuhl, dann siehst du mich.«

Welche Art Ratespiel soll das eigentlich werden? Ich sehe mich nach einem Stuhl um und finde ihn gleich neben dem Tisch. Hoppla, der ist aber hoch! Hoffentlich komme ich da überhaupt mit einem Satz drauf.

»Hör mal, Beck, ich weiß nicht, ob ich da raufspringen kann. Das ist ziemlich hoch für mich. Warum sagst du mir nicht einfach, was du willst, oder noch besser, kommst einfach zu mir runter?«

»Das geht nicht. Wirst gleich sehen, warum. Also bitte, gib dir Mühe und spring!«

Ich seufze und mache drei Schritte zurück, um ein bisschen Anlauf zu nehmen. Dann sause ich los und hechte auf den Stuhl. Geschafft! Knapp zwar, aber immerhin. Ein bisschen stolz auf diese Leistung sehe ich mich mit hocherhobenem Kopf um - und entdecke Herrn Beck mitten auf dem Gartentisch. Genauer gesagt: in einem Vogelbauer, der mitten auf dem Gartentisch steht.

»Na, siehst du jetzt, warum ich nicht kommen kann?«

Beck schaut mich unglücklich an. Ich hingegen muss sehr an mich halten, um nicht vor Lachen gleich wieder vom Stuhl zu fallen.

»Was machst du denn da? Das sieht ja saukomisch aus! Ein fetter Kater wie du in so einem kleinen Käfig!«

»Ja, danke auch für dein Mitgefühl. Was werde ich hier wohl machen? Ich hatte die historische Chance, mir diesen nervigen, altklugen Wellensittich zu schnappen. Leider habe ich nicht bedacht, dass die Käfigtür nach innen aufgeht und ich sie jetzt nicht aufkriege, weil ich sie mit meiner Größe selbst blockiere.«

»Ich sage doch: Du bist fett!«

Beck ignoriert diesen Einwand und schaut mich stattdessen so eindringlich an, wie man es als Katze durch Gitterstäbe hindurch eben kann.

»Du musst mir helfen, Carl-Leopold. Wenn die alte Meyer sieht, dass ich mir ihren Vogel geschnappt habe, gibt es richtig Ärger.«

»Kann sie sich doch auch so denken, selbst wenn du nicht im Käfig sitzt.«

»Ja, denken vielleicht. Aber nicht beweisen. Mein erstes Herrchen war Anwalt, und ich sage dir - zwischen Glauben und Wissen machen die Menschen einen Riesenunterschied.«

»Wie dem auch sei - warum sollte gerade ich dir helfen? Ich kann doch froh sein, wenn du ins Tierheim oder sonst wohin wanderst. Habe ich endlich meine Ruhe vor dir.«

»Hey, Kumpel? Ist das etwa Solidarität unter Haustieren?«

»Solidarität unter Haustieren? Weiß nicht, dazu würde ich jetzt gerne mal den Wellensittich befragen.«

Ich will mich schon umdrehen, da unternimmt Herr Beck noch einen letzten Versuch: »Gut, dann nenn es eben, wie du willst. Aber wenn du jemals mit dem Gedanken gespielt hast, das Kriegsbeil zwischen uns zu begraben, dann wäre jetzt ein extrem günstiger Zeitpunkt dafür. Denk mal drüber nach, ob es nicht nützlich wäre, einen Freund in diesem Haus zu haben - und zwar einen, der sich verdammt gut mit Menschen auskennt!«

Okay, damit hat er mich. Ich seufze. »Also gut, was soll ich tun?«

»Komm neben den Käfig. Man kann ihn auch von oben öffnen, aber dafür muss man erst einmal die Knoten in der Kordel durchkauen, und das kann ich mit meinem Gebiss nicht allein.«