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»Hey, tut mir leid, das war blöd von mir.«

Carolin antwortet nicht. Sie ist richtig böse auf ihn, das merkt selbst ein kurzsichtiger Vierbeiner wie ich. Warum, habe ich zwar nicht ganz verstanden. Aber Daniel hat es wohl sofort kapiert. Er steht jetzt ganz dicht neben ihr und scheint zu überlegen, was er machen soll. Schließlich entscheidet er sich für die Variante, die ich als Hund in so einer Situation auch gewählt hätte: Körperkontakt. Er nimmt Carolin in den Arm und drückt sie ganz fest an sich.

Und in der Luft liegt auf einmal eine Spannung, als hätte der alte von Eschersbach den Trafo am Zaun der Pferdekoppel richtig auf Anschlag gedreht.

ZWÖLF

»Er ist so süß! Ehrlich! Ich glaube, ich habe schon lange nicht mehr so einen tollen Mann kennengelernt.«

Ninas Augen strahlen, und wenn sie erzählt, reden ihre Hände gleich mit. Mag auch unsere Aktion »Ein Prinz für Carolin« noch nicht von Erfolg gekrönt sein - zumindest ihre beste Freundin scheint endlich fündig geworden zu sein. Jedenfalls sitzt Nina seit einer geschlagenen Stunde auf unserer Couch und schwärmt von Dr. Wagner. Brrr, allein die Vorstellung, dass Nina ihre Zeit freiwillig mit diesem Hundeschinder verbringt, ist abenteuerlich. Ein Mann, an dessen Händen mit Sicherheit Blut klebt! Wenn nicht sogar mein eigenes! Andererseits kann es mir auch egal sein, wichtig ist für mich schließlich nur Carolins Wohlergehen.

Während Ninas Stimme im Hintergrund weiterplappert, schweifen meine Gedanken ab. Wenn das Wetter besser wird, wollen Herr Beck und ich gleich wieder loslegen. Immerhin kann man die Sache mit Willi nicht als totalen Flop bezeichnen. Beck hatte Recht - es war eine schöne Übung, und wir sind ziemlich weit gekommen. Gut, warum Carolin dachte, dass Willi ein Einbrecher sein könnte, ist mir nicht klar. Hatte es vielleicht mit seinem seltsamen Geruch zu tun? Aber den hat Carolin doch bestimmt nicht bemerkt. Dafür ist ihre Nase viel zu schlecht, und Willi stand nie direkt neben ihr. Irgendwas müssen Beck und ich da noch verbessern. Ich werde gleich mal im Garten nach ihm suchen. Vorausgesetzt, Nina kommt irgendwann zu einem Ende, und ich kann wieder mit Carolin in die Werkstatt. Danach sieht es momentan aber leider nicht aus; Nina sprudelt wie ein Wasserfall.

»Und wie er aussieht - einfach toll! Eine super Figur! Und dann diese vollen braunen Haare! Ein bisschen wie Hugh Grant. Findest du nicht?«

Ich spitze die Öhrchen. Vielleicht ist das Gespräch doch nicht so langweilig. Dr. Wagner sieht also gut aus. Womit wir bei einem für Hunde ziemlich undurchschaubaren Thema sind: Wann sieht ein Mensch für andere Menschen gut aus? Muss er besonders viele Haare haben? Oder lieber wenige? Ist groß schön - oder lieber klein? Gilt für Männer etwas anderes als für Frauen? O je, wenn ich genau darüber nachdenke, habe ich mir mit dem Projekt »Partnervermittlung« ganz schön viel vorgenommen. Umso interessanter, was Nina jetzt erzählt.

»Ist dir nicht auch gleich aufgefallen, was für unglaublich blaue Augen er hat?« Aha! Die Augenfarbe. Offensichtlich ein wichtiger Punkt. »Ne, ist mir nicht aufgefallen.«

Mir auch nicht. Allerdings kann ich Farben sowieso nicht so gut auseinanderhalten.

»Das musst du doch gesehen haben, die sind total auffällig. Kornblumenblau ! «

»Nina, ich weiß nicht, ob du dich noch dran erinnerst - aber als wir in der Praxis waren, hatte ich einen sehr schlecht gelaunten Herkules dabei, der erst die ganze Zeit jaulte und dann versuchte, zwei niedliche Kaninchen zu killen, woraufhin ein völliges Chaos ausbrach. Verzeih, dass ich keine Gelegenheit hatte, einen Blick in die tiefblauen Augen von deinem Superdoc zu werfen.«

Carolin klingt leicht genervt. Ob das an der Erinnerung an den schrecklichen Besuch beim Tierarzt liegt? Weil ich mich dort so schlecht benommen habe? Peinlich, peinlich.

»Meine Güte, bist du schlecht gelaunt. Ich dachte, es interessiert dich, wenn deine beste Freundin ein Date hatte.«

»Entschuldige, du hast Recht. Tut mir leid, dass ich so schlecht drauf bin. Ich gelobe Besserung! Also, mal abgesehen von den kornblumenblauen Augen: Wie küsst er denn so?«

Das scheint ein besonders wichtiger Punkt zu sein, sonst würde Carolin nicht als Erstes danach fragen. Aber woran sieht man das bloß? Wie finden Beck und ich einen Mann, der gut küsst?

Nina kichert. »Das wirst du mir jetzt nicht glauben - aber ich weiß es nicht. Wir haben uns noch nicht geküsst.«

Verstehe. Ist also keine Eigenschaft, die man Menschen ansehen kann. Muss man selbst ausprobieren.

»Ihr habt euch noch nicht geküsst? Ich denke, ihr wart den ganzen Abend unterwegs?«

»Waren wir auch. Und wir haben uns super unterhalten. Marc war sehr charmant und witzig. Aber wir haben uns nicht geküsst. Macht aber nichts. Ich will es mal ruhiger angehen lassen.«

»Hm«, meint Carolin, und es klingt zweifelnd. »Mal ruhiger angehen lassen? Du? Das ist eine völlig neue Taktik. Seit wann wendest du die denn an? In seiner Praxis war davon noch nichts zu merken. Da sah es eher nach die Sache schnell klarmachen aus. Ich meine, du lagst schließlich schon in seinen Armen.«

Nina schnaubt empört. »Na hör mal - ich bin einfach über deinen blöden Hund gestolpert! Und was heißt hier neue Taktik? Das klingt so, als ob ich die Typen immer mit der Schrotflinte erlegen würde.«

»Tja, also zimperlich warst du bisher nicht gerade, wenn dir jemand gefällt. Schon eher Schrotflinte als Präzisionsschütze.«

»Carolin, man merkt, dass du lange nicht mehr am Markt warst. Ich bin jung, ich bin Single. Und wenn mir ein Typ gefällt, warte ich nicht darauf, dass er auf einem Schimmel bei mir vorbeigeritten kommt, sondern nehme die Sache selbst in die Hand. Von mir aus nenn es Prinzip Schrotflinte - aber was spricht dagegen?«

Markt? Schimmel? Schrotflinte? Nina spricht in Rätseln. Carolin scheint allerdings zu verstehen, wovon sie redet.

»Schon gut, schon gut. Du hast Recht, ich war wirklich lange nicht mehr unterwegs. Ich muss mich erst mal wieder daran gewöhnen.«

Nina nickt heftig. »Ja, und ich sage dir - warte besser nicht, dass der passende Typ einfach so bei dir auftaucht! Das passiert nämlich nur im Märchen.«

Falsch, meine Liebe! Das passiert auch, wenn sich Carl-Leopold von Eschersbach persönlich darum kümmert. Dann muss man sich auch nicht die Abende mit einem Tierarzt um die Ohren schlagen. So, Mädels, und nun kommt mal zum Ende, damit ich Herrn Beck meine neuesten Erkenntnisse erzählen kann!

»Sag mal, meinst du, Herkules muss mal?« Nina schaut mich nachdenklich an.

»Wieso?«

»Na, der tigert hier auf einmal so unruhig herum. Nicht, dass er gleich ein kleines Geschäft unter deinem Sofa platziert.«

»Eigentlich war ich kurz mit ihm Gassi, bevor du gekommen bist. Aber vielleicht langweilen wir ihn auch. Ich kann ihn ja in den Garten lassen, ich muss sowieso noch einmal in die Werkstatt.«

»Schade, ich dachte, du kannst dir ein bisschen freinehmen, und wir gehen noch einen Kaffee zusammen trinken.«

»Würde ich gerne - aber ich habe Daniel in den letzten Wochen echt hängen lassen. Habe schon ein total schlechtes Gewissen.«

»Ach komm. Dir ging's nicht gut, und Daniel hat dir bestimmt gerne geholfen.« Nina grinst Carolin an und klopft ihr auf die Schulter.

»Du brauchst gar nicht so zu grinsen. Natürlich hat Daniel mir gerne geholfen, aber ich möchte ihn nicht weiter strapazieren. Er hat selbst genug auf dem Zettel. Wenn ich allein an die Rekonstruktion von Auroras Geige denke. Das wird eine Ewigkeit dauern.«

»Mir kommen gleich die Tränen. Offen gestanden ist es mir einfach lieber, wenn sich Daniel um dich als um so eine blöde Geige von einer noch viel blöderen Geigerin kümmert.«