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Nun allerdings werden sie selbst für meinen Geschmack zu langsam. Wahrscheinlich, weil sie so in ihr Gespräch vertieft sind. Nervig. Ständig müssen Menschen reden. Ich zerre ein bisschen an der Leine. He, weitergehen! Hier habe ich nun schon jeden Strauch angepinkelt!

Aber Carolin und Daniel beachten mich gar nicht. Stattdessen steuern sie die nächste Parkbank an und setzen sich. Tja, von wegen: Ich habe Herkules so vernachlässigt und muss das dringend ändern ... so wird das nichts! Aber dann könnte mir Carolin wenigstens mal die Leine abmachen, dann gehe ich eben allein ein bisschen weiterschnüffeln. Ich springe also zu den beiden hoch auf die Bank und lege meinen Kopf auf Carolins Schoß.

Hm, bilde ich mir das ein, oder liegt schon wieder diese seltsame Spannung in der Luft? Daniel scheint nervös zu sein, und auch Carolin riecht aufgeregt. Verwunderlich wäre es nicht, denn wenn ich so lange nicht draußen gewesen wäre wie die beiden, könnte ich mich kaum halten vor Unruhe. Irgendwie sind Menschen eben doch große Tiere. Sie wollen es nur nicht wahrhaben. Ich schnüffele nach Carolins Händen und will sie ein bisschen abschlecken. Vielleicht wirkt das beruhigend auf sie.

Bevor ich aber mit meiner Zunge einmal über Carolins Handrücken schlabbern kann, landet überraschend Daniels Hand auf meiner Nase. He - was soll das? Bei meiner Nase kenne ich keinen Spaß, da bin ich echt empfindlich. Ich knurre kurz, Daniel zieht seine Hand blitzschnell zurück. Offensichtlich habe ich ihn erschreckt. Er mich aber auch. Was will er denn mit meiner Nase? Ich blinzele hoch zu ihm, aber er tut so, als wäre nichts geschehen. Seltsam. Ein paar Minuten ist es jetzt ganz still, weder Carolin noch Daniel sagen ein Wort. Eigentlich sehr schön. Dann räuspert sich Daniel.

»Sag mal, was hältst du davon, wenn wir diese Woche mal etwas zusammen machen?«

Was redet der Mann da bloß für einen Unsinn? Die beiden machen doch jeden Tag etwas zusammen. Carolin sieht das offensichtlich genauso. Sie kichert.

»Und an was hattest du da so gedacht? An ein Cello oder eine Violine?«

»Ha, ha, sehr komisch.«

»Komm, kleine Revanche für deinen Cognac-Spruch von neulich.«

»Okay, dann sind wir jetzt quitt.« Weder Schweigen.

»Kochen«, sagt Carolin dann, »wir könnten doch zusammen etwas kochen. So wie früher in unserer WG in Mittenwald. Das haben wir schon ewig nicht mehr gemacht, und es war immer sehr lustig.«

Sie lächelt Daniel an. Es ist genau dieses Lächeln, das mir schon im Tierheim aufgefallen ist. Unverwechselbar und wunderschön. Mit einem Mal ist es viel wärmer auf unserer Bank. Herrlich! Ich kuschle mich eng an Carolin und genieße den Moment.

Diesmal sehe ich Daniels Hand rechtzeitig, bevor sie auf meiner Nase landen kann, und ducke mich weg. Der spinnt ja wohl! Wobei - offensichtlich hat er gar nicht mich im Visier, sondern Carolin. Denn über meinen Rücken hinweg greift er jetzt nach ihrer Hand und zieht sie zu sich herüber. Carolin guckt erstaunt, zieht ihre Hand aber nicht zurück. Was hat das schon wieder zu bedeuten? Wann hält ein Mann die Hand einer Frau? Schade, dass Beck nicht hier ist, der weiß das bestimmt. Ich beschließe, dass es eigentlich nur ein gutes Zeichen sein kann - so sparsam, wie Menschen sonst mit Körperkontakt sind. Ich bin gespannt, was nun passiert.

»Hey, Sie!«, poltert in diesem Moment eine laute Stimme unfreundlich los.

Carolin und Daniel zucken zusammen, er lässt ihre Hand wieder los.

»Ja, genau Sie meine ich!«, bellt die Stimme weiter.

Jetzt ist auch der Besitzer der unfreundlichen Stimme zu sehen: Er steht direkt vor unserer Bank. Ich belle kurz - merkt der Typ nicht, dass er gerade extrem stört? Aber er bleibt wie angewurzelt stehen und starrt Carolin und Daniel an. Oder starrt er doch eher mich an? Eine böse Vorahnung steigt in mir hoch.

»Entschuldigen Sie, dass ich Sie hier so angehe. Holger Diekamp mein Name. Aber der Hund, den Sie da auf dem Schoß haben, der hat sich hier gestern ausgesprochen seltsam benommen - ich fürchte, er hat irgendeine bösartige Krankheit. Offen gestanden halte ich selbst Tollwut nicht für ausgeschlossen, auch wenn die Polizei das gestern anders beurteilt hat.«

»Die Polizei?«, echoen Carolin und Daniel wie aus einem Mund.

»Ja, ich habe natürlich gleich die Polizei informiert. Aber bevor die kommen konnten, war der Hund schon verschwunden. Gemeinsam mit dem dicken Kater, der die ganze Zeit dabei war. Ich war aber alarmiert und habe mir dann vorgenommen, weiter nach dem Hund Ausschau zu halten. Schließlich ist die Tollwut eine tödliche Krankheit. Gut, das werden Sie vielleicht für übertriebene Sorge halten, aber der kleine Kerl da wand sich in Krämpfen und hatte Schaum vor dem Mund. Außerdem erschien er mir anhänglich bis distanzlos - alles ganz typische Zeichen. Waren Sie mit dem Tier in letzter Zeit vielleicht in Nordafrika?«

Ich merke, dass ich vor Schreck langsam ganz starr werde - was, wenn ich jetzt doch noch zur Polizei muss? Und die mich dann wirklich einschläfern wollen? O nein, und alles nur wegen unseres blödsinnigen Plans! Ich versuche, mich so klein wie möglich zu machen und drücke mich ganz fest zwischen Daniel und Carolin. Dicht gekauert an Daniels Hosenbein merke ich, wie dieser anfängt zu zittern. Wie furchtbar! Offenbar hat er große Angst vor mir - mein Schicksal ist besiegelt, gleich werden mich die beiden an die Polizei ausliefern. Ich senke meine Schnauze und beginne zu jaulen.

»Tollwut!«, stößt Daniel gepresst aus und zittert noch stärker. »Das ist ja der größte Unsinn, den ich jemals gehört habe.«

Uff! Daniel schlottert nicht vor Angst, sondern er schüttelt sich vor Lachen! Vor Erleichterung springe ich spontan auf seinen Schoß und schlecke ihm übers Gesicht.

»Hoppla, Herkules! Sie sehen, Herr Diekamp - dieses kleine Kerlchen ist ganz munter. Was auch immer er gestern hatte, Tollwut war es bestimmt nicht. Vielleicht haben Sie ihn auch mit einem anderen Hund verwechselt.«

Diekamp schaut mich böse an.

»Nein, eine Verwechslung war das mit Sicherheit nicht. Aber wenn Sie mit Ihrer Sorglosigkeit auch Ihre eigene Gesundheit gefährden wollen, bitte sehr!« Diekamp gibt noch ein wütendes Schnauben von sich, dann macht er auf dem Absatz kehrt und läuft Richtung Parkausgang.

Daniel schüttelt den Kopf. »Also wirklich, es sind doch ganz schöne Spinner unterwegs. Tollwut - so ein Schwachsinn.«

»Hm, ein bisschen Sorgen mache ich mir aber langsam schon.«

»Sorgen? Warum? Herkules ist mit Sicherheit pumperlgesund. Sieh ihn dir einfach an. Dem fehlt nichts.«

»Ja, aber erinnerst du dich noch an letzte Woche? Der Penner? Der hat doch auch gesagt, dass Herkules sich so seltsam aufgeführt hat. Vielleicht ist er ja doch krank.«

Carolins Stimme klingt ganz beunruhigt. Mist - was habe ich da bloß angezettelt!

»Ich meine, Krämpfe, Schaum vor dem Mund - ich habe mal irgendwo gelesen, dass Hunde auch epileptische Anfälle haben können. Und wenn man das weiß, kann man es auch behandeln, genau wie beim Menschen.«

Daniel seufzt. »Also gut, dann lass uns doch eben bei deinem Tierarzt vorbeischauen, wenn du dich dann besser fühlst. Ist von hier aus bei dem schönen Wetter auch ein netter Spaziergang - also so oder so eine gute Idee.«

Carolin nickt. »Ja, ich rufe gleich bei Dr. Wagner an.«

»Schon mal etwas Beruhigendes vorweg, Frau Neumann: Auf den ersten Blick ist Herkules in ausgezeichneter Verfassung. Klare Augen, eine kalte Nase, gute Körperspannung - also einen Infekt würde ich ausschließen wollen.«

Ich hocke mal wieder auf dem kalten Metalltisch des Wagner'schen Untersuchungszimmers und lasse Wagner gottergeben an mir herumhantieren. Ich fühle mich so mickrig, dass ich nicht mal die Gelegenheit nutze, Dr. Wagner auf seine blauen Augen zu überprüfen. Aber was soll ich sagen? Ich bin selbst schuld. Gerecht wäre es natürlich, wenn auch Herr Beck hier seine Portion abkriegen würde, aber so ist die Welt nun einmal nicht. Wagner streicht mir über den Kopf, dann dreht er sich wieder zu Carolin und Daniel, die neben dem Tisch stehen und das ganze Procedere aufmerksam beobachten.