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John le Carre

Dame, König, As, Spion

Die Personen des Romans

In den Hauptrollen

Control

Percy Alleline

George Smiley

Peter Guillam

Bill Haydon

Roy Bland

Toby Esterhase

Lauder Strickland

Diana Dolphin

Ricki Tarr

SteveMackelvore

Lord Miles Sercombe

Oliver Lacon

Inspektor Mendel, ehemals Chef des Circus, des Britischen Geheimdienstes neuer Chef des Circus ehemals Controls rechte Hand zur Zeit Chef der Skalpjäger in Brixton, Einsatzleiter des Teams unter Percy Alleline

Mitarbeiter von Bill Haydon

Leiter der Bankabteilung des Circus

die Gestrenge der Personalabteilung des Circus Außenagent im Fernen Osten, zu Guillams Section in Brixton gehörig

Außenagent in Paris

Staatssekretär in Whitehall

der Mann des Ministers

George Smileys Freund und Helfer

Sam Collins Jerry Westerby

Roddy

Martindale Karla, alias Gerstmann Gerald,

der »Maulwurf« Oberst Viktorow, alias Alexei Poljakow Boris

Irina

Mr. Thursgood

Jim Prideaux Max

Bill Roach Ann Camilla Ian

Connie Sachs

Mrs. Graham Pope

Manager eines Spielclubs

Sportjournalist

ein gefürchteter Schwätzer

der Große Geheimnisvolle auf der Gegenseite

sowjetrussischer Agent innerhalb des Circus Kulturattache der sowjetischen Botschaft in London

Mitglied einer russischen Handelsdelegation in Hongkong Boris' Frau

Direktor des Thursgoodschen Internats

Aushilfslehrer bei Mr. Thursgood ein tschechischer Babysitter a. D. ein schwieriger Zögling George Smileys schöne Frau Peter Guillams schöne Freundin Bill Haydons Freundin eine Dame mit phänomenalem Gedächtnis

Inhaberin des Hotels »Islay«

Ferner wirken mit

Angehörige beider Geheimdienste, Lehrerinnen, Lehrer und Schüler des Thursgoodschen Internats, einige Oxford-Professoren, Babysitter, Inquisitoren, Hausdamen, ein tschechischer General, eine tote Eule u.a.m.

Erster Teil 

Jim Prideaux trifft im Thursgoodschen Internat ein und wird von einem Schüler adoptiert

Jim wäre nie zu Thursgood gekommen, wenn den alten Major Dover beim Taunton-Rennen nicht der Schlag getroffen hätte. Er fing dort ohne Einstellungsgespräch mitten im Quartal an - es war Ende Mai, obwohl man es dem Wetter nicht anmerkte. Vermittelt hatte ihn eine fragwürdige Agentur, die sich auf Aus­hilfslehrkräfte für Heimschulen spezialisierte, und er sollte die Fächer des alten Dover übernehmen, bis passender Ersatz gefunden wäre. »Er ist Linguist«, erklärte Thursgood im Lehrerzimmer, »ein Notbehelf«, und fegte kämpferisch die Haarlocke aus der Stirn. »Priddo.« Er buchstabierte den Namen »P-R-I-D-...« Französisch war nicht sein Fach, er konsultierte einen Zettel -»E-A-U-X, Vorname James. Ich glaube, bis Juli können wir uns mit ihm behelfen.« Der Lehrkörper konnte mühelos die Zeichen lesen. Jim Prideaux war ein armer Weißer aus dem Schul­meisterstand. Er gehörte der gleichen traurigen Gilde an wie die selige Mrs. Loveday, die einen Persischlamm-Mantel getragen und den Religionsunterricht in der Unterstufe erteilt hatte, bis ihre Schecks platzten; oder wie der selige Mr. Maltby, der Kla­vierlehrer, der mitten aus einer Chorübung abberufen worden war, um der Polizei bei ihren Nachforschungen behilflich zu sein, und ihr, nach allem was man wußte, noch heute behilflich war, denn Maltbys Reisekoffer lag noch immer im Keller und wartete auf seine Weisung. Einige Lehrer, vor allem Marjoribanks, waren dafür, daß man den Koffer öffnete. Er enthalte, sagten sie, ver­schwundene bekannte Kostbarkeiten: Aprahamians silbergerahmtes Bild seiner libanesischen Mutter zum Beispiel, Best-Ingrams Schweizer Armeemesser und Matrons Uhr. Aber Thursgood wehrte sich entschieden gegen ihr Drängen. Seit er die Schule von seinem Vater geerbt hatte, waren erst fünf Jahre vergangen, aber sie hatten ihn bereits gelehrt, daß manche Dinge am besten unter Verschluß bleiben.

Jim Prideaux kam an einem Freitag unter Regengüssen an. Die Schauer rollten wie Geschützrauch über die braunen Hänge der Quantocks herab und preschten dann über die leeren Kricket­platze gegen den Sandstein der alten Fassaden. Er kam kurz nach dem Lunch, in einem alten roten Alvis mit schrottreifem Wohn­anhänger, der früher einmal blau gewesen war. Der frühe Nach­mittag ist bei Thursgood eine friedliche Zeit, eine kurze Kampf­pause im Rückzugsgefecht eines jeden Schultags. Die Jungens wer­den zur Mittagsruhe in ihre Schlafsäle geschickt, die Lehrer sitzen beim Kaffee im Lehrerzimmer und lesen Zeitung oder korrigieren Hefte. Thursgood liest seiner Mutter einen Roman vor. So kam es, daß Bill Roach als einziger von der ganzen Schule Jim ankommen sah, sah, wie der Dampf aus dem Kühler des Alvis brodelte, wie der Wagen den bröckeligen Fahrweg entlangkeuchte, die Schei­benwischer auf Hochtouren liefen und der Wohnanhänger durch die Pfützen hinterherrumpelte.

Roach war neu an der Schule und als lernschwach eingestuft, wenn nicht gar als geistesschwach. Thursgood war seine zweite Privat­schule in zwei Halbjahren. Er war ein fettes, kurzbeiniges Kind mit Asthma und einem romantischen Herzen, und er verbrachte stets einen großen Teil der Ruhezeit damit, keuchend am Fußende seines Bettes zu knien und durchs Fenster zu schauen. Seine Mutter lebte in Bath auf großem Fuß, sein Vater galt allgemein für vermögender als die übrigen Väter, eine Auszeichnung, die den Sohn teuer zu stehen kam. Als Kind einer gescheiterten Ehe war Roach von Natur aus ein guter Beobachter. Wie Roach beobach­tete, hielt Jim nicht vor den Schulgebäuden an, sondern nahm die Kehre zum Wirtschaftshof. Er kannte also die Anlage. Roach kam später zu dem Schluß, daß Jim sich eingehend erkundigt oder Pläne studiert haben mußte. Auch im Hof machte er noch nicht halt, sondern fuhr weiter ins nasse Gras, schnell genug, um nicht steckenzubleiben. Dann über die Koppel in die Senke, Kopf voran und weg war er. Roach erwartete fast, daß der Wohnanhänger am Grabenrand abknicken werde, so schnell riß Jim ihn hinter sich her, aber er lüpfte nur das Hinterteil und verschwand wie ein rie­siges Karnickel in seinem Loch.

Die Senke gehört zur Folklore des Thursgoodschen Internats. Sie liegt in einem Stück Ödland zwischen dem Obstgarten, dem Vorratshaus und den Stallungen. Der Betrachter sieht weiter nichts als eine grasbewachsene Bodenmulde mit Erdhügeln an der Nord­seite, etwa von Bubenhöhe und mit Gestrüpp überwuchert, das im Sommer morastig wird. Diese Erdhocken verliehen der Senke ihre besondere Eignung als Spielplatz, und ihre Legende, die je nach der Phantasie jeder neuen Jungengeneration wechselt. Sie sind die Reste einer aufgelassenen Silbermine, sagt der eine Jahr­gang und buddelt begeistert nach Reichtümern. Sie waren eine römisch-britannische Befestigung, sagt ein anderer und inszeniert Schlachten mit Stöcken und Lehmgeschossen. Für wieder andere ist die Senke ein Bombenkrater aus dem Krieg, und die Erdhocken sind sitzende Menschen, die durch die Explosion ums Leben ka­men. Die Wahrheit ist viel prosaischer. Vor sechs Jahren, kurz ehe er mit der Empfangsdame des Schloßhotels durchbrannte, hatte Thursgoods Vater den Bau eines Schwimmbeckens angeregt und die Jungens dazu gebracht, daß sie eine große Grube aushoben, mit einem tiefen und einem flachen Ende. Aber die eingehenden Gelder reichten nie ganz aus, um das ehrgeizige Vorhaben zu fi­nanzieren, und so wurden sie an andere Pläne verzettelt, zum Bei­spiel einen neuen Projektionsapparat für den Kunstunterricht und die Vorarbeiten zur Einrichtung einer Champignonzucht in den Schulkellern. Und sogar, sagten die Zyniker, als Nestpolster für ein gewisses, sündiges Liebespaar, das inzwischen nach Deutsch­land, die Heimat der Dame, entfleucht war. Jim ahnte nichts von diesen Zusammenhängen. Aus schierem Glück hatte er die einzige Stelle des Thursgood-Anwesens gewählt, die, jedenfalls für Roach, mit übernatürlichen Eigenschaften ausgestattet war. Roach blieb am Fenster, sah aber nichts mehr. Der Alvis samt An­hänger waren im toten Winkel verschwunden, und wären nicht die nassen roten Fahrspuren auf dem Gras gewesen, so hätte er sich fragen können, ob er das Ganze nicht bloß geträumt habe. Aber die Spuren waren da, und als die Glocke das Ende der Mittagsruhe anzeigte, zog er seine Gummistiefel an und stapfte durch den Re­gen zum Rand der Senke. Als er hinunterlinste, sah er Jim, der einen Militär-Regenmantel trug und einen höchst absonderlichen Hut, breitrandig, wie ein Safarihut, aber aus Haarfilz und an einer Seite mit verwegenem Piratenschwung hochgeschlagen, und das Wasser rann herab wie aus einer Regenrinne. Der Alvis stand im Wirtschaftshof. Roach erfuhr nie, wie Jim ihn aus der Senke herausgezaubert hatte, aber der Anhänger war noch drunten, er stand am tieferen Ende auf verwitterten Ziegelsteinen aufgebockt und Jim saß auf der Treppe, trank aus einem grünen Plastikbecher und rieb sich die rechte Schulter, als hätte er sie an etwas gestoßen, und der Regen troff aus seinem Hut. Dann hob sich der Hut, und Roach starrte plötzlich in ein äußerst grimmiges rotes Gesicht, das im Schatten der Hutkrempe und durch einen braunen, vom Regen zu zwei Fangzähnen verklebten Schnurrbart noch grimmiger wirkte. Das übrige Gesicht war kreuz und quer von zackigen Furchen durchzogen, so tief und verwinkelt, daß Roach in einem seiner Phantasieblitze zu dem Schluß kam, Jim müsse einmal irgendwo in den Tropen sehr ausgehungert gewesen sein und inzwischen wieder zugenommen haben. Der linke Arm lag noch immer über der Brust, die linke Schulter war noch immer zum Hals hochgezogen. Aber die ganze verdrehte Gestalt ver­hielt sich regungslos, sah aus wie ein festgefrorenes Tier: ein Edel­hirsch, lautete Roachs optimistische Interpretation, etwas Beson­deres.