Выбрать главу

»Ja, Toby hat's seit Ihrer Zeit ein Stück weitergebracht, Mr. Smiley«, erklärte Tarr. »Ich habe gehört, daß seine Pflastertreter jetzt sogar in Cadillacs rumfahren. Und stehlen den Skalpjägern das Brot vom Mund weg, wenn sie Gelegenheit dazu kriegen, stimmt's, Mr. Guillam?«

»Sie sind die offiziellen Straßenräuber von London Station ge­worden«, sagte Guillam kurz. »Im Zuge des Lateralismus«, fügte er hinzu.

»Ich schätzte, daß die Inquisitoren ein halbes Jahr brauchen wür­den, um sie auszuquetschen, und aus irgendeinem Grund war sie ganz erpicht auf Schottland. Ja, am liebsten hätte sie dort den Rest ihres Lebens verbracht. Mit Thomas. Unsere Babys im Brut­kasten aufgezogen. Ich gab die Adresse von London Station an, kennzeichnete es als >sofort nach Empfang und nur an einen höheren Dienstrang zu übermitteln<.«

Guillam warf ein: »Das ist die neue Formel für maximale Ge­heimhaltung. Soll wahrscheinlich eine Bearbeitung in den Code­räumen ausschließen.«

»Aber nicht in London Station?« sagte Smiley. »Das ist deren Sache.«

»Sie haben vermutlich gehört, daß Bill Haydon den Job gekriegt hat?« sagte Lacon und fuhr zu Smiley herum. »Chef von London Station? Er ist praktisch der Einsatzleiter, was Percy zu Controls Zeiten war. Sie haben einfach alle Namen ausgetauscht. Sie wis­sen, wie Ihre alten Kollegen in bezug auf Namen sind. Sie sollten ihn aufklären, ihn up to date bringen.«

»Oh, ich glaube, ich bin im Bilde, vielen Dank«, sagte Smiley höflich. Mit trügerischer Verträumtheit erkundigte er sich bei Tarr: »Sie sprach von einem großen Geheimnis, sagten Sie?«

»Ja, Sir.«

»Haben Sie in Ihrem Telegramm nach London darüber eine An­deutung gemacht?«

Er hatte an irgend etwas gerührt, das war nicht zu übersehen; er hatte einen wunden Punkt berührt, denn Tarr blinzelte, warf ei­nen argwöhnischen Blick auf Lacon, dann auf Guillam. Lacon, der erriet, worum es ging, ließ sofort ein Dementi los:

»Smiley weiß nur soviel, wie Sie ihm jetzt in diesem Zimmer be­richtet haben«, sagte er. »Das stimmt doch, Guillam?« Guillam nickte bestätigend und beobachtete Smiley.

»Ich habe London das gleiche gesagt, was sie mir gesagt hat«, gab Tarr mürrisch zu, wie jemand, dem man eine besonders gute Ge­schichte gestohlen hat.

»In welchen Worten, ganz genau?« fragte Smiley. »Wenn Sie sich noch an den Wortlaut erinnern.«

>»Behauptet, weitere Informationen von höchster Bedeutung für Wohl des Circus zu besitzen, bisher ohne nähere Angaben.< Je­denfalls ganz ähnlich.«

»Danke. Haben Sie vielen Dank.« Sie warteten, bis Tarr fortfuhr.

»Ferner ersuchte ich den Chef von London Station, Mr. Guillam zu informieren, daß ich fündig geworden sei und mich nicht zum Spaß draußen rumtriebe.«

»Ist das geschehen?« fragte Smiley. »Mir hat niemand etwas gesagt«, sagte Guillam kalt. »Den ganzen Tag war ich dort und habe auf Antwort gewartet, aber am Abend war noch immer nichts da. Irina tat ihre Arbeit wie alle Tage. Darauf habe ich bestanden, verstehen Sie. Sie wollte ei­nen kleinen Fieberanfall simulieren und im Bett bleiben, aber da­von wollte ich nichts hören. Die Delegation sollte ein paar Fabri­ken auf Kaulun besichtigen, und ich sagte, sie solle hübsch mit­zotteln und intelligent dreinschauen. Sie mußte mir schwören, nicht zu trinken. Ich wollte nicht, daß sie im letzten Moment eine Schau abzog, alles sollte bis zum Absprung normal wirken. Ich wartete bis zum Abend, dann stieß ich noch mal nach.« Smileys verschleierter Blick heftete sich auf das blasse Gesicht vor ihm.

»Sie bekamen natürlich Bestätigung?« fragte er. »>In Bearbeitung<. Sonst nichts. Ich habe die ganze verdammte Nacht wie auf Kohlen gesessen. Bei Tagesanbruch noch immer keine Antwort. Ich dachte: vielleicht ist die RAF-Maschine schon unterwegs. London macht's gründlich, dachte ich, knüpfen erst sämtliche Fäden, bevor sie mir grünes Licht geben. Ich meine, wenn man so weit von ihnen entfernt ist, muß man einfach glau­ben, daß sie's richtig machen. Was immer man von ihnen hält, daran muß man glauben. Und ich meine, ab und zu machen sie's tatsächlich richtig, stimmt's, Mr. Guillam?« Niemand kam ihm zu Hilfe.

»Ich habe mir Sorgen wegen Irina gemacht, verstehen Sie? Noch einen Tag, und sie würde schlappmachen. Endlich kam die Ant­wort. Es war überhaupt keine Antwort. Es war Verzögerungs­taktik: >Teilen Sie uns mit, in welchen Abteilungen sie gearbeitet hat, die Namen früherer Kontakte und Bekannte innerhalb der Moskauer Zentrale, wie ihr jetziger Boß heißt, Eintrittsdatum in Zentrale. < Herrje, ich weiß nicht mehr, was noch alles. Ich setzte schnell eine Antwort auf, denn ich war für drei Uhr mit ihr ver­abredet, drunten an der Kirche . . .«

»An welcher Kirche?« Wieder Smiley.

»Englische Baptisten, Kennedy Road.« Zu jedermanns Erstaunen errötete Tarr aufs neue. »Sie ging so gern hinein. Nicht zum Gottesdienst, nur so'n bißchen rumschnuppern. Ich lungere am Eingang herum, aber sie kreuzt nicht auf. War das erste Mal, daß sie eine Verabredung nicht eingehalten hat. Unser Ausweich-Treff war drei Stunden später oben auf dem Hügel, danach jeweils zwei Minuten vor der vollen Stunde an der Kirche, bis es klappen würde. Falls sie in Schwierigkeiten wäre, würde sie ihren Badean­zug vors Fenster legen. Sie war eine leidenschaftliche Schwimme­rin, ging alle Tage schwimmen. Ich rase zum Alexandra, kein Badeanzug. Ich mußte zweieinhalb Stunden totschlagen. Ich konnte nichts anderes mehr tun als nur warten.«

Smiley sagte: »Welchen Vermerk hatte das Telegramm der Zen­trale an Sie?«

»Dringend.«

»Aber Ihres war ein Blitztelegramm.«

»Meine beiden waren Blitze.«

»Trug das Telegramm aus London eine Unterschrift?« Guillam schaltete sich ein: »Das ist nicht mehr üblich. Außen­stehende haben immer mit London Station allgemein zu tun.«

»Hieß es >Persönlich entschlüsseln?«

»Nein«, sagte Guillam. Sie warteten, bis Tarr fortfuhr.

»Ich trieb mich in Thesingers Büro herum, aber dort erfreute ich mich keiner besonderen Beliebtheit, er hält nichts von Skalpjä­gern und er hatte eine große Sache auf dem chinesischen Festland laufen und fürchtete offenbar, ich würde dazwischenfunken.

Also setzte ich mich in ein Cafe, und dort fiel mir ein, ich könnte zum Flugplatz hinunterschauen. Es war nur ein Einfalclass="underline" wie man sich sagt, >eigentlich könnte ich ins Kino gehen<. Ich setzte mit der Fähre über, nahm ein Taxi und wies den Chauffeur an, zu fah­ren wie der Teufel. Dann hat es sich zu einer Art Panik ausge­wachsen. Ich drängte mich an der Auskunft vor und fragte nach sämtlichen Flügen nach oder aus Rußland. Ich bin fast verrückt geworden, während sie die Fluglisten durchgingen, und habe die chinesischen Clerks angebrüllt, aber die letzte Maschine war be­reits gestern gestartet, und die nächste ging an diesem Abend um sechs. Aber jetzt hatte mich diese Ahnung gepackt. Ich mußte Gewißheit haben. Wie stand es mit Chartermaschinen, mit außer­planmäßigen Flügen, Fracht-, Sondermaschinen? War seit ge­stern vormittag nichts, wirklich gar nichts nach Moskau abge­flogen? Dann rückt diese Kleine mit der Antwort heraus, eine der chinesischen Hostessen. Ich gefalle ihr, verstehen Sie. Sie tut mir einen Gefallen. Eine außerplanmäßige Sowjetmaschine war vor zwei Stunden gestartet. Mit nur vier Passagieren an Bord. Die Attraktion war eine kranke Frau gewesen. Eine Dame. Im Koma. Sie mußte auf einer Bahre zum Flugzeug gebracht wer­den, und ihr Gesicht war mit Bandagen umwickelt. In ihrer Be­gleitung waren zwei Krankenpfleger und ein Arzt. Das war die ganze Reisegesellschaft. Ich rief als letzte Hoffnung das Alexandra an. Weder Irina noch ihr sogenannter Ehemann waren offiziell abgereist, aber aus ihrem Zimmer kam keine Antwort. Das windige Hotel wußte nicht mal, daß sie fort waren.«