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»Aber Sie haben's geschafft«, sagte Guillam kurz. Ja, bestätigte Tarr; so ziemlich. Er wußte, daß sie ihm nicht die volle Wahrheit gesagt hatte, aber er wußte, wie schwer die Wahrheit einer Frau fallen mußte, die seit ihrem fünfzehnten Jahr unter falschem Namen gelebt hatte, und er fand, daß sie es für den Anfang schon recht nett machte.

»Ich fühlte sozusagen mit ihr«, sagte er, wiederum in seinem verlogenen Bekennerton. »Ich fühlte, daß wir auf der gleichen Wellenlänge waren, ungelogen.«

»Bestimmt«, ließ Lacon sich ausnahmsweise vernehmen. Er war sehr blaß, aber ob der Ärger daran schuld war oder das ständig heller werdende Licht des frühen Morgens, das durch die Läden kroch, ließ sich nicht sagen.

Ricki Tarr enthüllt seine Methoden, London Station hüllt sich in Schweigen

»Nun war ich in einer vertrackten Situation. Ich sah Irina am nächsten und übernächsten Tag, und ich schätzte, wenn sie nicht überhaupt schon schizoid war, so würde sie es verdammt bald werden. Im Augenblick faselte sie davon, daß sie von Percy einen Job im Circus kriegte und für Oberst Thomas arbeitete, brach dann einen Streit mit mir vom Zaun, ob sie Leutnant oder Major werden würde. Im nächsten Augenblick sagte sie, sie wolle nie wieder für irgend jemanden spionieren und werde Blumen züchten und sich mit Thomas im Heu tummeln. Dann kriegte sie die Klostertour: Baptistennonnen würden ihre Seele reinwaschen. Ich bin fast gestorben. Wer zum Teufel hat jemals von Baptistennonnen gehört, fragte ich sie. Egal, sagte sie, die Baptisten seien die Wucht, ihre Mutter sei Bäuerin und kenne sich aus. Das sei das zweitgrößte Geheimnis, das sie mir jemals anvertrauen werde. >Und was ist dann das größte?< frage ich. Fehlanzeige. Sie sagt lediglich, wir seien in tödlicher Gefahr, in größerer Gefahr, als ich wissen könne: keiner von uns hätte noch die geringste Chance, es sei denn, sie könne dieses Schwätzchen mit Bruder Percy halten. >Was für eine Gefahr, um Gottes willen? Was weißt du, was ich nicht weiß?< Sie war wahnsinnig stolz auf ihr Wissen, aber als ich sie drängte, klappte sie zu wie eine Auster, und ich bekam höllische Angst, sie könnte heimsausen und alles brühwarm Boris erzählen. Außerdem wurde die Zeit knapp. Es war schon Mittwoch, und die Delegation sollte am Freitag nach Moskau zurückfliegen. Irina war technisch gesehen nicht ganz ohne, aber wie konnte ich einer Irren wie ihr vertrauen? Sie wissen, wie Frauen sind, wenn sie sich verlieben, Mr. Smiley. Sie können kaum . . .« Guillam war ihm ins Wort gefallen. »Bleiben Sie gefälligst beim Thema, ja?« befahl er, und Tarr schwieg eine kleine Weile. »Mit Sicherheit wußte ich nur, daß Irina überlaufen wollte - mit Percy sprechen, nannte sie es -, sie hatte noch drei Tage Zeit, und je eher sie absprang, um so besser für alle. Wenn ich noch lange wartete, würde sie es sich wieder ausreden. Also riskierte ich es und suchte Thesinger auf, sofort, nachdem er seinen Laden aufgemacht hatte.«

»Mittwoch, der elfte«, murmelte Smiley. »In London ganz früh am Morgen.«

»Thesinger muß mich für ein Gespenst gehalten haben. >Ich muß nach London telegrafieren, persönlich für den Leiter von London Station<, sagte ich. Er wehrte sich mit Händen und Füßen, aber er ließ mich dann doch. Ich setzte mich an seinen Schreibtisch und verschlüsselte selber die Botschaft nach einem alten Code, während Thesinger mir zusah wie ein kranker Hund. Wir mußten das Ganze auf Handelscode zurechtstutzen, denn Thesingers Tarnung war das Exportgeschäft. Das dauerte nochmals eine halbe Stunde. Ich war völlig fertig, wirklich. Dann verbrannte ich den verdammten Code und tippte die Nachricht in den Apparat. Außer mir wußte damals kein Mensch auf der Welt, was die Zahlen auf diesem Blatt Papier bedeuteten, auch Thesinger nicht. Ich forderte volles Überläuferverfahren für Irina an, Schnellverfahren. Ich erbat alle die Vergünstigungen, von denen sie nicht einmal gesprochen hatte: Bargeld, Paß, neue Identität, kein Rampenlicht und einen Ort zum Leben. Schließlich war ich gewissermaßen ihr Sachwalter, nicht wahr, Mr. Smiley?«

Smiley blickte auf, als überraschte ihn die Anrede. »Ja«, sagte er ganz freundlich, »ja, ich nehme an, das waren Sie, gewissermaßen.«

»Und außerdem war er auch real beteiligt, wie ich ihn kenne«, sagte Guillam leise.

Tarr hatte es aufgeschnappt oder erraten und wurde wütend. »Das ist eine verdammte Lüge!« schrie er und wurde krebsrot. »Das ist eine . . .« Nachdem er Guillam haßerfüllt angestarrt hatte, kehrte er zu seiner Erzählung zurück.

»Ich umriß ihre Laufbahn bis dato und wo sie Zugang gehabt hatte, einschließlich ihrer Aufträge von der Zentrale. Ich bat um Inquisitoren und eine Militärmaschine. Sie glaubte, ich hätte um eine persönliche Unterredung mit Percy Alleline auf neutralem Boden gebeten, aber ich fand, diese Hürde sollten wir erst nehmen, wenn wir auf der anderen Seite wären. Ich schlug vor, sie sollten ein paar von Esterhases Aufklärern vorschicken, die sich um sie kümmern könnten, dazu vielleicht einen von unseren Ärzten.«

»Warum die Aufklärer?« fragte Smiley scharf. »Sie sind nicht autorisiert, Überläufer zu betreuen.«

Die Aufklärer waren Toby Esterhases Meute und nicht in Brixton stationiert, sondern in Acton. Sie hatten die Hilfsdienste bei Großaktionen zu leisten: Beschatten, Abhören, Transport und »sichere Häuser«.

»Ja, Toby hat's seit Ihrer Zeit ein Stück weitergebracht, Mr. Smiley«, erklärte Tarr. »Ich habe gehört, daß seine Pflastertreter jetzt sogar in Cadillacs rumfahren. Und stehlen den Skalpjägern das Brot vom Mund weg, wenn sie Gelegenheit dazu kriegen, stimmt's, Mr. Guillam?«

»Sie sind die offiziellen Straßenräuber von London Station geworden«, sagte Guillam kurz. »Im Zuge des Lateralismus«, fügte er hinzu.

»Ich schätzte, daß die Inquisitoren ein halbes Jahr brauchen würden, um sie auszuquetschen, und aus irgendeinem Grund war sie ganz erpicht auf Schottland. Ja, am liebsten hätte sie dort den Rest ihres Lebens verbracht. Mit Thomas. Unsere Babys im Brutkasten aufgezogen. Ich gab die Adresse von London Station an, kennzeichnete es als >sofort nach Empfang und nur an einen höheren Dienstrang zu übermitteln<.«

Guillam warf ein: »Das ist die neue Formel für maximale Geheimhaltung. Soll wahrscheinlich eine Bearbeitung in den Coderäumen ausschließen.«

»Aber nicht in London Station?« sagte Smiley. »Das ist deren Sache.«

»Sie haben vermutlich gehört, daß Bill Haydon den Job gekriegt hat?« sagte Lacon und fuhr zu Smiley herum. »Chef von London Station? Er ist praktisch der Einsatzleiter, was Percy zu Controls Zeiten war. Sie haben einfach alle Namen ausgetauscht. Sie wissen, wie Ihre alten Kollegen in bezug auf Namen sind. Sie sollten ihn aufklären, ihn up to date bringen.«

»Oh, ich glaube, ich bin im Bilde, vielen Dank«, sagte Smiley höflich. Mit trügerischer Verträumtheit erkundigte er sich bei Tarr: »Sie sprach von einem großen Geheimnis, sagten Sie?«

»Ja, Sir.«

»Haben Sie in Ihrem Telegramm nach London darüber eine Andeutung gemacht?«