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Lacon hatte die Läden geöffnet, und jetzt strömte das weiße Tageslicht voll in den Raum. Die Fenster gingen auf eine kleine Koppel hinaus, wo Jackie Lacon, ein fettes kleines Mädchen mit Zöpfen und Reitkappe, behutsam ihr Pony im Kanter laufen ließ.

Außerplanmäßige Flüge mit Landung in Ost und West

Ehe Tarr wegging, stellte Smiley ihm einige Fragen. Er blickte dabei nicht Tarr an, sondern stellte die kurzsichtigen Augen auf mittlere Distanz ein. Die Tragödie hatte einen trostlosen Ausdruck auf dem feisten Gesicht hinterlassen. »Wo ist das Original dieses Tagebuchs?«

»Ich habe es sofort wieder in den toten Briefkasten gelegt. Sie müssen es sich so vorstellen, Mr. Smiley: Als ich das Tagebuch fand, war Irina schon vierundzwanzig Stunden in Moskau. Meiner Vermutung nach würde sie nicht mehr viel Puste haben, wenn das Verhör losging. Höchstwahrscheinlich war sie schon im Flugzeug gründlich präpariert worden, dann folgte eine zweite Runde bei der Landung, dann Frage Eins, sobald die Obermacher mit dem Frühstück fertig waren. So machen sie's bei den Schüchternen: erst die Daumenschrauben und dann die Fragen, stimmt's? Es könnte daher nur einen, höchstens zwei Tage dauern, bis die Zentrale einen Strauchdieb losschicken würde, der sich ein bißchen dort hinten in der Kirche umsehen sollte, okay?« Und dann wieder affektiert: »Außerdem mußte ich auf mein eigenes Wohlergehen bedacht sein.«

»Er will sagen, daß die Moskauer Zentrale weniger daran interessiert sein würde, ihm die Kehle durchzuschneiden, wenn sie glaubten, er hätte das Tagebuch nicht gelesen«, sagte Guillam. »Haben Sie es fotografiert?«

»Ich trage keine Kamera. Ich habe mir ein dickes Schreibheft gekauft. In dieses Heft habe ich das Tagebuch abgeschrieben. Das Original habe ich wieder in sein Versteck gelegt. Die ganze Arbeit hat rund vier Stunden gedauert.« Er schaute Guillam an, dann von ihm weg. Das frische Tageslicht enthüllte plötzlich tiefverborgene Furcht auf Tarrs Gesicht. »Als ich ns Hotel zurückkam, war mein Zimmer völlig verwüstet: sie hatten sogar die Tapeten von den Wänden gerissen. Der Direktor schrie mich an, ich solle mich zum Teufel scheren. Er wollte von nichts gewußt haben.«

»Er hat eine Kanone bei sich«, sagte Guillam. »Er wird sie nicht mit hinausnehmen.«

»Da haben Sie verdammt recht, das werd' ich nicht.« Aus Smileys Magengegend kam ein mitfühlendes Grunzen: »Diese Zusammenkünfte, die Sie mit Irina hatten: die toten Briefkästen, die Warnsignale und Ausweichtreffpunkte. Wer hat diese fachmännischen Vorschläge gemacht: die Frau oder Sie?«

»Irina.«

»Worin bestanden die Warnsignale?«

»Körpersprache. Wenn ich den Kragen offen trug, wußte sie, daß ich die Umgebung abgesucht hatte und vermutete, daß die Luft rein sei. Wenn ich ihn geschlossen trug, Treffen abgeblasen bis zum Ausweichtermin.«

»Und Irina?«

»Handtasche. Linke Hand, rechte Hand. Ich kam als erster und wartete irgendwo, wo sie mich sehen konnte. Sie hatte die Wahclass="underline" Bleiben oder Abhauen.«

»Das Ganze ereignete sich vor einem halben Jahr. Was haben Sie inzwischen gemacht?«

»Geschlafen«, sagte Tarr grob.

Guillam sagte: »Er hat durchgedreht und sich nach Kuala Lumpur in eines der Bergdörfer verzogen. Sagt er jedenfalls. Er hat eine Tochter namens Danny.«

»Danny ist meine Kleine.«

»Er hat bei Danny und ihrer Mutter sein Lager aufgeschlagen«, sagte Guillam. Wie immer redete er Tarr ganz einfach dazwischen. »Er hat seine Weiber über den ganzen Globus verstreut, aber im Moment scheint sie die Lieblingsfrau zu sein.«

»Warum sind Sie ausgerechnet jetzt zurückgekommen?« Tarr sagte nichts.

»Hätten Sie nicht gern Weihnachten mit Danny verbracht?«

»Schon.«

»Also, was ist passiert? Hat Ihnen etwas einen Schreck eingejagt?«

»Es sind Gerüchte umgegangen«, sagte Tarr mürrisch. »Welche Art von Gerüchten?«

»So ein Franzose ist in KL aufgetaucht und hat herumerzählt, ich schuldete ihm Geld. Wollte mir einen Anwalt auf den Hals hetzen. Ich schulde niemandem Geld.«

Smiley wandte sich wieder an Guillam: »Im Circus wird er noch immer als Überläufer geführt?«

»Als mutmaßlicher.«

»Was haben Sie bisher unternommen?«

»Ich bin nicht zuständig. Ich habe auf Umwegen erfahren, daß London Station vor einer Weile mehrmals Kriegsrat über ihn gehalten hat, aber ich war nicht eingeladen und weiß also nicht, was dabei herauskam. Ich vermute, gar nichts, wie üblich.«

»Welchen Paß hat er benutzt?«

Tarr hatte die Antwort bereit: »Thomas habe ich abgeworfen, sobald ich in Malaya ankam. Wie ich annahm, war Thomas zur Zeit in Moskau nicht gerade Liebkind, und so machte ich ihm besser an Ort und Stelle den Garaus. In KL ließ ich mir einen Commonwealth- und britischen Paß anfertigen.« Er gab ihn Smiley. »Auf den Namen Poole. Nicht schlecht für den Preis.«

»Warum benutzten Sie nicht einen Ihrer Schweizer Pässe?« Wieder eine argwöhnische Pause.

»Oder kamen die Pässe bei der Durchsuchung Ihres Hotelzimmers abhanden?«

Guillam sagte: »Er hat sie sofort nach seiner Ankunft in Hongkong gut versteckt. Das Übliche.«

»Warum haben Sie sie dann nicht benutzt?«

»Sie waren numeriert, Mr. Smiley. Sie waren zwar nicht ausgefüllt, aber numeriert waren sie. Mir war ein bißchen mulmig, ehrlich gesagt. Wenn London die Nummern hatte, dann hatte Moskau sie vielleicht auch, wenn Sie wissen, was ich meine.«

»Und was taten Sie mit Ihren Schweizer Pässen?« wiederholte Smiley freundlich.

»Er sagt, er hat sie weggeworfen«, sagte Guillam. »Wahrscheinlich hat er sie verkauft. Oder für diesen da in Tausch gegeben.«

»Wie? Wie hat er sie weggeworfen? Haben Sie sie verbrannt?«

»Stimmt, ich habe sie verbrannt«, sagte Tarr, und seine Stimme klang frech, halb Drohung, halb Furcht. »Aber Sie sagten, dieser Franzose habe Sie gesucht...«

»Er suchte Poole.«

»Wer hat jemals etwas von Poole wissen können, außer dem Mann, der diesen Paß gefälscht hat?« fragte Smiley und blätterte darin. Tarr sagte nichts. »Sagen Sie mir, wie Sie nach England zurückgereist sind«, forderte Smiley ihn auf.

»Hinten rum, über Dublin. Kein Problem.« Tarr war ein schlechter Lügner, wenn er unter Druck gesetzt wurde. War vielleicht die Schuld seiner Eltern. Er reagierte überstürzt, wenn er nicht vorbereitet war, und zu aggressiv, wenn er eine Antwort in petto hatte.

»Wie sind Sie nach Dublin gekommen?« fragte Smiley und prüfte die Einreisestempel auf der Mittelseite.

»Ging wie geschmiert.« Er hatte sein Selbstvertrauen zurückgewonnen. »Ich habe ein Mädchen, die Stewardeß bei der South African ist. Ein Kumpel hat mich per Fracht zum Kap geflogen, dort hat mich mein Mädchen übernommen und mir dann durch einen der Piloten einen Freiflug nach Dublin verschafft. Für die Leute im Osten habe ich die Halbinsel überhaupt nicht verlassen.«

»Ich tue alles in meiner Macht Stehende, um das zu prüfen«, sagte Guillam mit einem Blick zur Decke.

»Dann passen Sie verteufelt auf, Baby«, herrschte Tarr Guillam an.

»Hetzen Sie mir nicht die falschen Leute auf den Pelz.«

»Warum sind Sie zu Mr. Guillam gekommen«, erkundigte sich Smiley, der noch immer in Mr. Pooles Paß vertieft war. Es war ein benutztes, ein vielbenutztes Dokument, weder zu voll noch zu leer. »Abgesehen davon, daß Sie natürlich Angst hatten.«