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Als er die beiden Männer sah, blieb Haydon wie angewurzelt stehen. Seit Guillam zuletzt mit ihm gesprochen hatte, war ein Monat vergangen; vermutlich war er in ungenannten Geschäften verreist gewesen. Als er jetzt, das Licht im Rücken, vor seiner offenen Bürotür stand, sah er seltsam schwarz und groß aus. Er trug irgend etwas, Guillam konnte nicht feststellen, was es war, eine Zeitschrift, eine Akte oder ein Bericht; sein Büro, das von seinem Schatten entzweigeschnitten wurde, war ein Mittelding zwischen Mönchszelle und unaufgeräumter Studentenbude. Überall lagen Berichte, Manuskripte und Akten herum; ein filzbespanntes Anschlagebrett an der Wand war mit Postkarten und Zeitungsausschnitten besteckt; daneben hing, schief und ungerahmt, eines von Bills frühen Bildern, konsequent abstrakt, in harten, flachen Wüstenfarben. »Hallo Bill«, sagte Guillam.

Haydon ließ seine Tür offenstehen — ein eklatanter Bruch der Hausordnung - und setzte sich, noch immer wortlos, vor ihnen in Bewegung. Er war wie immer sagenhaft verschroben gekleidet. Die Lederflecke auf seinem Jackett waren sternenförmig aufgenäht, nicht viereckig, so daß er von hinten wie ein Harlekin aussah. Die Brille hatte er über die graue Stirntolle geschoben wie eine Schutzbrille. Eine Weile trabten sie unsicher hinter ihm her, bis er sich plötzlich unversehens umdrehte, in ganzer Figur, wie eine Statue, die langsam auf ihrem Sockel herumschwenkt, und den Blick auf Guillam richtete. Dann grinste er, so daß die sichelförmigen Augenbrauen sich hoben wie die Brauen eines Clows, und sein angespanntes Gesicht wurde hübsch und unwahrscheinlich jung.

»Was, zum Teufel, haben Sie denn hier zu suchen, Sie Paria?« erkundigte er sich liebenswürdig.

Lauder, der die Frage ernst nahm, stürzte sich in Erklärungen über Belgrad und das nötige Kleingeld.

»Schließen Sie besser die Löffel weg«, sagte Bill und redete einfach durch Lauder hindurch. »Diese Skalpjäger stehlen Ihnen das Gold aus den Zähnen«, und setzte mit einem weiteren freundschaftlichen Grinsen seinen Weg fort, nachdem er sie vorbeigelassen hatte. »Und verschließen Sie auch die Mädchen«, rief er ihnen noch nach, »wenn sie sich's gefallen lassen. Seit wann stauben die Skalpjäger ihr Geld selber ab? Das ist unsere Arbeit.«

»Lauder staubt ab. Wir verpulvern's nur.«

»Unterlagen an mich«, sagte Haydon mit plötzlicher Barschheit zu Strickland. »Mit dem Kuddelmuddel ist jetzt Schluß.«

»Sind schon an Sie unterwegs«, sagte Guillam. »Liegen wahrscheinlich bereits in Ihrem Einlaufkorb.«

Ein letztes Nicken forderte sie zum Überholen auf, so daß Guillam auf dem ganzen Weg bis zur nächsten dunklen Biegung spürte, wie Haydons blaßgrauer Blick sich in seinen Rücken bohrte.

»Phantastischer Kerl«, erklärte Lauder, als hätte Guillam Bill zum erstenmal gesehen. »London Station könnte gar nicht in besseren Händen sein. Unglaubliche Befähigung. Unglaubliche Beurteilung. Glänzend.«

Während ihr, dachte Guillam, vom Abglanz profitiert. Indem man euch mit Haydon identifiziert, mit dem Kaffeeautomaten, mit den Banken. Seine Betrachtungen wurden durch die ätzende Cockney-Stimme Roy Blands unterbrochen, der aus der nächsten Tür vor ihnen auftauchte.

»He, Lauder, Moment maclass="underline" haben Sie Bloody Bill irgendwo gesehen? Er wird dringend gewünscht.«

Darauf folgte unmittelbar Toby Esterhases getreues mitteleuropäisches Echo aus der gleichen Richtung: »Umgehend, Lauder, wir haben sogar schon seinetwegen Alarm geschlagen.« Sie waren in den letzten engen Korridor eingeschwenkt. Lauder hatte vielleicht drei Schritt Vorsprung und setzte bereits zu seiner Antwort an, als Guillam die offene Tür erreichte und hineinschaute. Bland lungerte in Hemdsärmeln an seinem Schreibtisch. Schweißringe umzogen die Achselhöhlen. Esterhase beugte sich wie ein Oberkellner zu ihm, ein sehr kleiner Mann mit steifem Rücken, eine Miniatur-Exzellenz mit Silberhaar und einem verkrampften unfreundlichen Kiefer, und er hatte eine Hand nach dem Schriftstück ausgestreckt, als wollte er eine Spezialität empfehlen. Sie hatten offenbar gerade das gleiche Dokument gelesen, als sie des vorbeigehenden Lauder ansichtig wurden. »Doch Roy, ich habe Bill Haydon gesehen«, sagte Lauder, der die Gabe hatte, ungebührliche Fragen in eine anständige Form umzufunktionieren. »Mir schwant sogar, daß Bill zu Ihnen unterwegs ist, er kommt schon hinten im Korridor, wir haben nur kurz über ein paar Dinge gesprochen.«

Blands Blick glitt langsam zu Guillam und blieb auf ihm haften; dieses frostige Abschätzen erinnerte unangenehm an Haydon. »Hallo, Peter«, sagte er. Im gleichen Moment reckte sich Klein Toby zu voller Höhe und wandte die Augen gleichfalls auf Guillam; braun und still wie die Augen eines Schützen. »Hei«, sagte Guillam, »worüber wird gelacht?« Ihre Begrüßung war nicht nur frostig, sie war schlichtweg feindselig. Guillam hatte während eines sehr kniffligen Einsatzes in der Schweiz drei Monate lang eng mit Toby Esterhase zusammengearbeitet, und Toby hatte die gleiche Zeit über nicht ein einziges Mal auch nur gelächelt, daher war sein eisiges Glotzen keine Überraschung für Guillam. Aber Bland war eine von Smileys Entdeckungen, zu warmherzig und impulsiv für diese Welt, rothaarig und stämmig, von unverdorbenem Intellekt, und ein erfreulicher Abend bestand für ihn darin, daß man in den Kneipen rund um Kentish Town über Wittgenstein diskutierte. Er hatte zehn Jahre als Spitzel in der Kommunistischen Partei gearbeitet, die akademische Route in Osteuropa abgeklappert, und jetzt war er, genau wie Guillam, zurückgepfiffen worden, was immerhin eine Gemeinsamkeit darstellte. Zu seinem Begrüßungsstil gehörten im allgemeinen ein breites Grinsen, ein Schlag auf die Schulter und eine abgestandene Bierfahne. Aber nicht so heute. »Es wird überhaupt nicht gelacht, Peter, alter Junge«, sagte Roy schließlich und rang sich ein reichlich verspätetes Lächeln ab. »War nur überrascht, Sie zu sehen, weiter nichts. Wir sind so daran gewöhnt, dieses Stockwerk ganz für uns allein zu haben.«

»Da kommt Bill«, sagte Lauder, hoch befriedigt, weil seine Prognose sich so prompt bestätigte. Als Haydon in einen Lichtstreifen trat, fiel Guillam die merkwürdige Färbung seiner Wangen auf. Eine tiefe wallende Röte hoch auf den Backenknochen, die von geplatzten Äderchen stammte. Sie verlieh ihm, wie Guillam in seiner Erregtheit dachte, eine gewisse Ähnlichkeit mit Dorian Gray.