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Stanley sei während eines bewaffneten Einsatzes in Den Haag übergelaufen, erklärte sie. Er war ein berufsmäßiger Killer und nach Holland geschickt worden, um einen russischen Emigranten zu ermorden, der der Zentrale auf die Nerven ging. Statt dessen beschloß er, sich der Gegenseite zu stellen. »Irgendein Mädchen hat ihm den Kopf verdreht«, sagte Connie voll Verachtung. »Die Holländer hatten diesen Lockvogel auf ihn angesetzt, und er ist ihm mit weit geschlossenen Augen ins Garn gegangen.«

Um ihn auf diese Mission vorzubereiten, hatte die Zentrale ihn in ein Trainingslager in der Nähe von Moskau gebracht, zwecks Auffrischung in den schwarzen Künsten: Sabotage und lautloses Töten. Die Holländer, die ihn zunächst hatten, waren darüber schockiert gewesen und hatten ihre Verhöre auf diesen Punkt konzentriert. Sie brachten ein Foto in die Zeitungen und ließen ihn Zeichnungen von Zyanidkugeln und all den anderen schmutzigen Waffen anfertigen, die der Zentrale so teuer sind. Aber die Inquisitoren in der Nursery kannten das alles in- und auswendig, sie interessierten sich für das Trainingslager, das neu eingerichtet und wenig bekannt war. »Eine Art Nobel-Sarratt«, erklärte sie. Sie erstellten eine Skizze der Anlage, die Hunderte von Morgen Wald- und Seenland umfaßt, und zeichneten alle Gebäude ein, an die Stanley sich erinnern konnte: Wäschereien, Kantinen, Vortrags-Baracken, den ganzen Plunder. Stanley war mehrmals dort gewesen und erinnerte sich an eine Menge. Sie glaubten schon, ziemlich alles zu haben, als Stanley sehr still wurde. Er nahm einen Bleistift und malte in die Nordwestecke fünf weitere Baracken und rundum einen Doppelzaun für die Wachhunde, der Gute. Diese Baracken seien neu, sagte Stanley, erst in den letzten Monaten errichtet. Man erreichte sie über eine Privatstraße; Stanley hatte sie von einem Hügel aus gesehen, als er mit seinem Instrukteur Milos einen Spaziergang machte. Laut Milos, der Stanleys Freund war, sei dort eine unlängst von Karla gegründete Spezialschule untergebracht, die Offiziere für Verschwörungen ausbildete.

»Da hatten wir's also, mein Lieber«, schrie Connie. »Seit Jahren kamen uns Gerüchte zu Ohren, wonach Karla versuchte, innerhalb der Moskauer Zentrale seine eigene Privatarmee aufzubauen, aber, das arme Schaf, er hat es nicht geschafft. Wir wußten, daß er Agenten rund um den Globus hatte und natürlich mit zunehmendem Alter immer besorgter wurde, er könne sie eines Tages nicht mehr allein unter Kontrolle halten. Wir wußten, daß er, wie jeder, schrecklich eifersüchtig auf sie war und den Gedanken, sie den Außenstellen in den Zielländern zu überlassen, nicht ertragen konnte. Ganz klar: Sie wissen, wie er Außenstellen haßte: zu viele Leute, zu wenig Sicherheit. Genau, wie er die alte Garde haßte - Kriechtiere, nannte er sie. Stimmt. Jetzt aber hatte er die Macht, und er nutzte sie, wie jeder echte Mann. März dreiundsechzig«, wiederholte sie, falls Smiley das Datum entgangen sein sollte.

Dann war natürlich Sense. »Das übliche Spieclass="underline" abwarten, inzwischen etwas anderes tun.«

Drei Jahre lang hatte sie gewartet, bis Major Mikhail Fedorowitsch Komarow, stellvertretender Militärattache an der Sowjetischen Botschaft in Tokio, in flagranti bei der Übernahme von sechs streng geheimen Filmrollen erwischt wurde, die ein höherer Beamter des japanischen Verteidigungsministeriums beschafft hatte. Komarow war der Held ihres zweiten Märchens: kein Verräter, sondern ein Soldat mit den Schulterstücken der Artillerie.

»Und Orden, mein Lieber! Jede Menge Orden!« Komarow hatte Tokio so überstürzt verlassen müssen, daß sein Hund in der Wohnung zurückblieb und später verhungert dort aufgefunden wurde, etwas, das Connie nicht verzeihen konnte. Komarows japanischer Agent wurde indessen gebührend ausgequetscht, und durch einen glücklichen Zufall konnte der Circus von der Toka das Protokoll erwerben.

»Übrigens, George, da fällt mir ein, Sie haben ja den Handel arrangiert!«

In seiner beruflichen Eitelkeit geschmeichelt, schürzte Smiley kokett die Lippen und räumte ein, daß dies durchaus möglich sei.

Der Inhalt des Protokolls war im wesentlichen ganz einfach. Der japanische Verteidigungsbeamte war ein Maulwurf. Er war vor dem Krieg im Schatten des japanischen Einfalls in die Mandschurei von einem gewissen Martin Brandt angeworben worden, einem deutschen Journalisten, der mit der Komintern in Verbindung stand. Brandt, sagte Connie, sei in den dreißiger Jahren einer von Karlas Namen gewesen. Komarow habe selber nie der offiziellen Tokioter Außenstelle innerhalb der Botschaft angehört, er habe solo gearbeitet, mit einem Kurier und einem direkten Draht zu Karla, dessen Waffenbruder er im Krieg gewesen war: »Es kommt noch besser: Vor seiner Ankunft in Tokio hatte er eine Spezialausbildung in einem neuen Trainingslager in der Umgebung von Moskau absolviert, das für Karlas eigens ausgesuchte Schüler eingerichtet worden war. »Schlußfolgerung«, sang Connie, »Brüderchen Komarow war unser erster und leider nicht sehr glänzender Absolvent von Karlas Ausbildungsstätte. Er wurde erschossen, der arme Kerl«, fügte sie hinzu und senkte theatralisch die Stimme. »Sie hängen sie nie, was? Zu ungeduldig, die kleinen Schlingel.« Jetzt sah Connie ihre Zeit gekommen, sagte sie. Sie wußte, wonach sie suchen mußte, und sie nahm sich Karlas Akte vor. Sie verbrachte drei Wochen in Whitehall bei den Moskau-Onkels und kämmte die sowjetischen Armee-Postbücher nach verschlüsselten Einträgen durch, bis sie aus einem Heer von Verdächtigen drei neue, identifizierbare Karla-Schüler aussortiert hatte. Alle Militärs, alle persönlich mit Karla bekannt, alle zehn bis fünfzehn Jahre jünger als er. Als ihre Namen gab sie Bardin, Stokowsky und Viktorow an, alle drei Oberst.

Bei der Erwähnung des dritten Namens senkte sich Schläfrigkeit über Smileys Züge, seine Augen blickten sehr müde, als müsse er verzweifelt gegen die Langeweile ankämpfen. »Und was ist aus ihnen geworden?« fragte er. »Aus Bardin wurde Sokolow und dann Rusakow. Wurde Mitglied der sowjetischen Delegation bei den Vereinten Nationen in New York. Keine offene Verbindung zur dortigen Außenstelle, keine Teilnahme an kleinen Fischzügen, keine Provokationsversuche, ein guter, solider Tarnposten. Ist noch immer dort, soviel ich weiß.«

»Stokowsky?«

»In die Illegalität gegangen, hat in Paris unter dem Namen Grodescu, Franco-Rumäne, ein fotografisches Unternehmen aufgezogen. Errichtete eine Zweigstelle in Bonn, betreut angeblich eine von Karlas westdeutschen Quellen von jenseits der Grenze.«

»Und der dritte? Viktorow?«

»Spurlos untergetaucht.«

»So was«, sagte Smiley, und seine Langeweile schien sich zu vertiefen.