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»Hallo, Sam«, sagte Smiley, und sie schüttelten sich die Hände. »Kommen Sie mit in meine Höhle«, sagte Sam und nickte dem einzigen anderen Mann zu, der herumstand, einem sehr dicken Mann mit zu hohem Blutdruck und einem zerschlagenen Gesicht. Der dicke Mann nickte zurück.

»Gefällt's Ihnen?« erkundigte sich Sam, als sie einen mit roter Seide bespannten Korridor durchschritten. »Sehr eindrucksvoll«, sagte Smiley höflich.

»Genau«, sagte Sam. »Eindrucksvoll. Genau das ist es.« Er trug einen Smoking. Sein Büro war in Plüsch gehalten, der Schreibtisch hatte eine Marmorplatte und Klauenfüße, aber der Raum selber war klein und keineswegs gut belüftet, eher wie eine Requisitenkammer im Theater, dachte Smiley, voller alter Versatzstücke. »Später kann ich mich vielleicht sogar mit eigenem Geld beteiligen, in einem Jahr oder so. Sind harte Jungs, aber sehr auf Draht, muß man sagen.«

»Bestimmt«, sagte Smiley. »Wie wir, in den alten Tagen.«

»Genau.«

Er war gepflegt und trat unbefangen auf, und er hatte ein gepflegtes schwarzes Schnurrbärtchen. Smiley konnte ihn sich ohne dieses Bärtchen nicht vorstellen. Er war um die fünfzig. Er hatte viele Jahre im Fernen Osten verbracht, wo sie einmal gemeinsam eine Blitzaktion gegen einen chinesischen Geheimsender durchgeführt hatten. Haut und Haar fingen an, grau zu werden, aber im übrigen sah er noch immer aus wie fünfunddreißig. Er konnte grinsen wie ein Schuljunge, seine Kameradschaftlichkeit war aufrichtig. Er hielt beide Hände über dem Tisch wie beim Kartenspiel und blickte Smiley mit einem Besitzerstolz an, als wäre er sein Vater oder sein Sohn oder beides.

»Wenn unser Freund über fünf kommt«, sagte er und lächelte noch immer, »geben Sie Laut, Harry, ja? Im übrigen halten Sie die Klappe, ich versuche gerade, einen Ölscheich rumzukriegen.« Er sprach in einen Apparat auf seinem Schreibtisch. »Wo ist er jetzt?«

»Drei plus«, sagte die schnarrende Stimme. Smiley vermutete, sie gehöre dem lädierten Mann mit dem Überdruck. »Dann kann er noch acht verlieren«, sagte Sam milde. Halten Sie ihn am Tisch, das ist wichtig. Machen Sie einen Helden aus ihm.« Er schaltete ab und grinste. Smiley grinste zurück. »Wirklich, ein großartiges Leben«, versicherte Sam. »Auf jeden Fall besser, als Waschmaschinen verkaufen. Bißchen komisch natürlich, sich um zehn Uhr früh in den Smoking zu schmeißen. Erinnert mich an diplomatische Tarnung.« Smiley lachte. »Geht sogar ehrlich zu, ob Sie's glauben oder nicht«, ergänzte Sam, ohne eine Miene zu verziehen. »Man muß nur gut rechnen können.«

»Das können Sie bestimmt«, sagte Smiley wiederum äußerst höflich.

»Möchten Sie Musik hören?«

Es war Tonband-Musik und kam aus der Decke. Sam drehte so laut auf, wie sie es ertragen konnten.

»Also, was kann ich für Sie tun?« fragte Sam und grinste noch breiter.

»Ich möchte mit Ihnen über die Nacht sprechen, in der die Schüsse auf Jim Prideaux fielen. Sie waren Offizier vom Dienst.« Es entstand eine lange Pause. Sam rauchte braune Zigaretten, die wie Zigarren rochen. Er zündete eine an, ließ das Ende Feuer fangen und sah dann zu, wie die Flamme verglühte. »Schreiben Sie Ihre Memoiren, alter Junge?« fragte Sam. »Wir rollen den Fall erneut auf.«

»Wer ist wir, alter Junge?«

»Ich, meine Wenigkeit und Ihr sehr Ergebener, wobei Lacon schiebt und der Minister zieht.«

»Macht verdirbt den Charakter, aber irgendwer muß regieren, und in diesem Fall wird Bruder Lacon sich widerwillig an die Spitze schieben.«

»Es hat sich nichts geändert«, sagte Smiley.

Sam zog nachdenklich an seiner Zigarette. Die Musik ging in Sätze von Noel Coward über.

»Ein alter Traum von mir«, sagte Sam Collins durch den Rauch. »Eines schönen Tages spaziert Percy Alleline mit einem schäbigen braunen Köfferchen durch diese Tür und bittet um ein Spielchen. Er setzt alle Geheimstimmen auf Rot und verliert.«

»Die Akte ist geflöht«, sagte Smiley. »Jetzt muß ich bei den Leuten rumgehen und fragen, woran sie sich erinnern. So gut wie keine Unterlagen greifbar.«

»Überrascht mich nicht«, sagte Sam. Übers Telefon bestellte er Sandwiches. »Lebe davon«, erklärte er. »Sandwiches und Kanapees. Gehört zur Pfründe.«

Er goß Kaffee ein, als das rote Lämpchen zwischen ihnen auf dem Schreibtisch aufleuchtete.

»Unser Freund ist patt«, sagte die schnarrende Stimme. »Dann zählen Sie mit«, sagte Sam und schaltete ab. Sam erzählte schlicht, aber exakt, wie ein guter Soldat den Hergang einer Schlacht rekapituliert, nicht um nochmals zu gewinnen oder zu verlieren, sondern einfach zur Erinnerung. Er sei gerade aus dem Ausland zurückgekommen, sagte er, von einem Dreijahres-Kontrakt in Vientiane. Er hatte sich bei der Personalabteilung zurückgemeldet, alles mit dem Delphin ins reine gebracht, und da niemand Pläne für ihn zu haben schien, überlegte er, ob er nicht einen Monat Urlaub in Südfrankreich machen sollte, als Mac Fadean, der alte Portier, der praktisch Controls Kammerdiener war, ihn im Korridor aufgriff und in Controls Büro schleppte.

»Das war an welchem Tag genau?« sagte Smiley.

»Am 19. Oktober.«

»Donnerstag.«

»Donnerstag. Ich hatte vor, am Montag nach Nizza zu fliegen. Sie waren in Berlin. Ich wollte Sie zu einem Glas einladen, aber die Mütter sagten, Sie seien occupe, und als ich bei der Reisestelle nachfragte, hieß es, Sie seien nach Berlin geflogen.«

»Ja, das stimmt«, sagte Smiley nur. »Control hat mich hingeschickt.«

Um mich aus dem Weg zu räumen, hätte er hinzufügen können: sogar damals hatte er dieses Gefühl gehabt.

»Ich habe überall nach Bill herumgeschnüffelt, aber Bill war ebenfalls Fehlanzeige. Control hatte ihn irgendwohin aufs Land geschickt«, sagte Sam und mied Smileys Blick.

»Zur Schmetterlings-Hatz«, murmelte Smiley, »aber er ist wiedergekommen.«

Hier schickte Sam einen scharfen, fragenden Blick in Smileys Richtung, aber er berührte das Thema von Bill Haydons Reise nicht mehr.

»Das ganze Haus war wie ausgestorben. Um ein Haar hätte ich die erste Maschine zurück nach Vientiane genommen.«

»Es war wirklich so gut wie tot«, gestand Smiley und dachte: ausgenommen Witchcraft.

Und Control, sagte Sam, sah aus, als habe er Malaria. Er war von einem Meer von Akten umgeben, seine Haut war gelb, und beim Sprechen unterbrach er sich ständig, um sich mit dem Taschentuch die Stirn zu wischen. Er hielt sich kaum mit dem üblichen Tamtam auf, sagte Sam. Er beglückwünschte ihn nicht zu den drei erfolgreichen Jahren im Außendienst und machte nicht einmal eine hinterhältige Anspielung auf sein Privatleben, das damals ziemlich unruhig war; er sagte nur, daß es ihm recht wäre, wenn Sam an Stelle von Mary Masterman den Wochenend-Dienst übernähme, ob Sam es einrichten könne?

»Klar kann ich's einrichten«, sagte ich. »Wenn Sie wollen, daß ich den O.v.D. mache, dann mach' ich ihn.« Er sagte, den Rest der Geschichte werde er mir Sonnabend erzählen. Inzwischen dürfe ich niemandem etwas sagen. Kein Wort zu irgendwem im Hause, auch nicht darüber, worum er mich vorhin gebeten habe. Er brauche einen tüchtigen Mann, der die Telefonzentrale bedienen könne, falls eine Krise ausbräche, aber es mußte jemand von einem Außenposten sein oder jemand wie ich, der lange vom Hauptbüro weggewesen sei. Und es mußte ein alter Hase sein.« Also ging Sam zu Mary Masterman und jammerte ihr vor, daß er den Mieter nicht aus seiner Wohnung herauskriegen könne, ehe er am Montag seinen Urlaub antrete; wie wär's, wenn sie ihn ihren Dienst übernehmen ließe, dann könne er das Hotel sparen? Sam trat am Sonnabend um neun Uhr früh an, mit seiner Zahnbürste und sechs Dosen Bier in einer Aktenmappe, auf der noch Hoteletiketten mit Palmen klebten. Geoff Agate sollte ihn am Sonntag ablösen.