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Hier sind die Inquisitoren bereits ausnahmslos auf Jims Seite; alle machen gemeinsam Front gegen die Konkurrenz und ihre bürokratische Einmischung.

Frage: (Alleline) »Nur interessehalber, hätten Sie etwas dagegen, mir zu sagen, wo Sie bei Ihren vielen Auslandsaufenthalten Kricketspielen gelernt haben?« (Lachen) Antwort: »Wissen Sie, ich hatte einen Onkel mit einem Kricketplatz in der Nähe von Paris. Ausgesprochener Kricketfan. Mit Netz und allen Schikanen. Wenn ich in den Ferien dort war, mußte ich nonstop mit ihm spielen.« (Anmerkung der Inquisitoren: Comte Henri de Sainte-Yvonne, Dez. 1942, Personalakte. AF64 - 7.) Ende des Interviews. Vertreter der Konkurrenz möchte Haydon als Zeugen vorführen lassen, aber Haydon ist im Ausland und verhindert. Termin auf unbestimmte Zeit verschoben . . .

Smiley war schon fast eingeschlafen, als er die letzte Eintragung las, die achtlos eingefügt worden war, längst nachdem Jims Sicherheitsüberprüfung durch die Konkurrenz formell abgeschlossen war. Es war ein Zeitungsausschnitt vom Juni 1938, eine Besprechung von Haydons damaliger Ein-Mann-Ausstellung, und der Titel lautete »Realismus oder Surrealismus? Oxforder Perspektiven.« Nachdem der Kritiker Bill Haydons Gemäldeausstellung in Grund und Boden verrissen hatte, endete er mit folgender launiger Bemerkung:

»Wie uns zu Ohren kam, hat der treffliche Mr. James Prideaux sich sogar zeitweise von seinem Kricket losgerissen, um beim Hängen der Leinwände behilflich zu sein. Wir meinen zwar, daß er besser daran getan hätte, in der Banbury Road zu bleiben. Da indessen seine Rolle als Förderer der schönen Künste das einzig Echte an der ganzen Veranstaltung war, sollten wir vielleicht nicht allzusehr lästern . . .«

Smiley döste, in seinem Hirn drängten sich, wohlgeordnet, Zweifel, Argwohn und Gewißheiten. Er dachte an Ann und empfand große Zärtlichkeit für sie, sehnte sich danach, ihre Schwachheit mit seiner eigenen zu beschützen. Wie ein junger Mann flüsterte er ihren Namen und stellte sich vor, daß ihr schönes Gesicht sich im Halbdunkel über ihn beuge, während Mrs. Pope Graham durchs Schlüsselloch ihren Bannfluch zeterte. Er dachte an Tarr und Irina und grübelte nutzlos über Liebe und Treue; er dachte an Jim Prideaux und was wohl der Morgen bereithalten würde. Er fühlte in aller Bescheidenheit, daß ein Sieg bevorstand. Er hatte einen weiten Weg zurückgelegt, lange auf den Meeren gekreuzt; morgen, wenn er Glück hatte, würde er vielleicht Land erblicken: eine friedliche kleine verlassene Insel zum Beispiel. Eine, von der Karla nie gehört hatte. Gerade groß genug für ihn und Ann. Er schlief ein.

Dritter Teil

Jim Prideaux rüstet sich für einen Besuch und bekommt selber einen Gast

In Jim Prideaux' Welt war der Donnerstag abgelaufen wie jeder andere Tag, nur daß irgendwann in den frühen Morgenstunden die Wunde in seinem Schulterknochen zu nässen begonnen hatte, woran wohl der Wettlauf vom Mittwochnachmittag schuld war. Er erwachte durch den Schmerz und durch den Luftzug über die feuchte Stelle seines Rückens, wo die Wundabsonderung herabrann. Es war schon einmal passiert, und damals war er mit dem Auto nach Taunton gefahren, aber die Schwestern im Kreiskrankenhaus warfen nur einen Blick auf ihn, dann verfrachteten sie ihn schleunigst in die Notstation, wo er auf Doktor Soundso und eine Röntgenaufnahme warten sollte, und er schnappte sich seine Kleider und verduftete. Er hatte genug von Ärzten und Krankenhäusern. Ob englische oder sonstige, Jim hatte die Nase voll. Sie hatten gesagt, sie Wunde »zeichne noch«.

Er konnte nicht an die Wunde heranreichen, um sie zu behandeln, aber seit dem letzten Mal hatte er sich Dreiecke aus Scharpie zurechtgeschnitten und Bänder an die Ecken genäht. Nachdem er sie sich auf dem Ablaufbrett bereitgelegt hatte, kochte er Wasser, schüttete ein halbes Päckchen Salz hinein und verabreichte sich damit eine improvisierte Dusche, wobei er sich so zusammenkauerte, daß der Strahl seinen Rücken traf. Er tränkte die Scharpie mit einer Desinfektionslösung, warf sie sich auf den Rücken, verschnürte die Bänder über der Brust und legte sich bäuchlings auf sein Bett, einen Wodka in Reichweite. Der Schmerz ließ nach, und Schläfrigkeit überkam ihn, aber er wußte, wenn er jetzt nachgab, würde er den ganzen Tag schlafen; also nahm er die Wodkaflasche mit zum Fenster und setzte sich an den Tisch und korrigierte die Französischhefte von V B, während die Morgendämmerung des Donnerstags in die Senke glitt und die Saatkrähen in den Ulmen zu lärmen begannen.

Manchmal war die Wunde für ihn eine Erinnerung, die er nicht verdrängen konnte. Er beschwor Himmel und Hölle, um sie zu verdrängen und zu vergessen, aber der Himmel oder die Hölle halfen auch nicht immer.

Er ließ sich Zeit mit dem Korrigieren, weil er es gern tat und weil diese Arbeit seine Gedanken bei der Stange hielt. Zwischen halb sieben und sieben war er fertig; er zog eine alte Flanellhose und ein Sportjackett an und schlenderte hinunter zur Kirche, die nie abgeschlossen war. Eine Weile kniete er im Mittelgang der Curtois-Kapelle, einer Familien-Gedenkstätte für die Toten zweier Kriege und fast immer leer. Das Kreuz auf dem kleinen Altar hatten Pioniere bei Verdun geschnitzt. Beim Knien tastete Jim vorsichtig unter dem Kirchenstuhl herum, bis seine Fingerspitzen auf eine Reihe von Klebestreifen stießen, und über diese Spur auf ein Etui aus kaltem Metall. Nachdem er seine Andacht verrichtet hatte, preschte er die Combe Lane bis zur nebelumwallten Spitze des Hügels hinauf, im Trab, um in Schweiß zu kommen, denn die Wärme tat ihm gut, solange sie anhielt, und der Rhythmus dämpfte seine Überwachheit. Nach der schlaflosen Nacht und dem Morgenwodka war er ein bißchen durchgedreht, und als er die Ponys am Hang sah, die ihm ihre törischten Gesichter zuwandten, schrie er sie an: »Trollt euch! Ihr blöden Viecher, glotzt mich nicht so an!« Dann stapfte er die Landstraße entlang wieder zurück, trank Kaffee und wechselte seinen Verband.

Die erste Unterrichtsstunde nach der Morgenandacht war Französisch in Klasse V B, und hier wäre Jim um ein Haar der Gaul durchgegangen: brummte diesem Blödel Clements, Sohn eines Tuchhändlers, eine Strafe auf und mußte sie am Ende der Stunde rückgängig machen. Im Aufenthaltsraum brachte er eine weitere Routine hinter sich, ähnlich der, die er in der Kirche praktiziert hatte: rasch, ohne zu denken, kein Herumfummeln und raus. Es war eine ganz simple Prozedur, die Post zu untersuchen, und es klappte. Er kannte keinen Profi, der das machte. Aber Profis erzählen nicht alles. »Man muß es so sehen«, würde er gesagt haben, »wenn die Gegenseite dich überwacht, dann überwacht sie bestimmt deine Post, denn das ist die einfachste Form der Überwachung: und noch einfacher, wenn die Gegenseite die eigene Seite ist und die Post mit ihr zusammenarbeitet. Was also ist zu tun? Man schickt jede Woche, vom gleichen Briefkasten, zur gleichen Zeit, in gleichem Abstand, einen Umschlag an sich selber und einen zweiten an eine unbeteiligte Person mit der gleichen Adresse. Steckt irgend etwas hinein - Wohltätigkeitskarten mit Weihnachtswunsch, Sonderangebot vom Supermarkt in der Nähe - verklebt den Umschlag sorgfältig, wartet ab und vergleicht die Zeiten des Eintreffens. Wenn der Brief an die eigene Adresse später ankommt als der an die andere Person, dann ist jemand hinter einem her, in diesem Fall Toby.