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»Gut, danke. Sehr gut.«

Es war plötzlich stockdunkel im Wagen. Sie waren von der Straße abgebogen und fuhren über Kies. Schwarze Mauern aus Blattwerk erhoben sich zu beiden Seiten, Lichter wurden sichtbar, dann ragte ein hohes Portal und der von Türmchen gekrönte Umriß eines weitläufigen Hauses aus den Wipfeln. Der Regen hatte aufgehört, aber als Smiley in die frische Luft hinaustrat, hörte er rundum das rastlose Ticken nasser Blätter.

Ja, dachte er, als ich letztes Mal hier war, hat es auch geregnet; damals als der Name Jim Ellis Schlagzeilen machte.

Sie hatten sich gewaschen und in dem geräumigen Ankleidezimmer Lacons Kletterausrüstung inspiziert, die gänzlich unpassend in einem wirren Haufen auf der Sheraton-Kommode lag. Jetzt saßen sie im Halbkreis vor einem leeren Stuhl. Es war das häßlichste Haus weit und breit, und Lacon hatte es für ein Butterbrot erworben. »Eine Berkshire-Gralsburg«, hatte er es einmal Smiley gegenüber genannt, »erbaut von einem millionenschweren Abstinenzler.« Der Wohnraum war eine riesige Halle mit sechs Meter hohen Buntglasfenstern und einer hölzernen Galerie über dem Eingang. Smiley zählte die bekannten Gegenstände nach. Ein Pianino, darauf Stöße von Noten, alte Porträts von Geistlichen in Amtstracht, ein Stapel gedruckter Einladungen. Er suchte das Universitätsruder aus Cambridge und sah es über dem offenen Kamin hängen. Das gleiche Feuer brannte darin, viel zu spärlich für den gewaltigen Rost. Eine Atmosphäre von Kargheit, die den Reichtum verdrängt hatte.

»Macht der Ruhestand Spaß, George?« fragte Lacon, als faselte er gedankenlos in die Ohrtrompete einer tauben Tante. »Die Wärme des menschlichen Kontakts fehlt Ihnen nicht? Würde mir schon fehlen, glaube ich. Die alte Arbeit, der alte Haufen.« Er war ein langes Gerippe von Mann, ohne Eleganz und alterslos jungenhaft: Der Spion, der aus der Kirche kam, sagte Haydon, der geistreiche Kopf im Circus. Lacons Vater war Kanonikus der schottischen Kirche gewesen und seine Mutter irgend etwas Adeliges. Gelegentlich schrieben die smarteren Sonntagsblätter über ihn und nannten ihn einen Vertreter des neuen Stils, weil er jung war. Sein Gesicht war vom hastigen Rasieren verschrammt.

»Ach, ich komme eigentlich ganz gut zurecht, vielen Dank«, sagte Smiley höflich. Und um das Gespräch in die Länge zu ziehen: »Ja, ja, wirklich recht gut. Und Sie? Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«

»Keine großen Veränderungen, nein. Alles geht seinen Gang. Charlotte bekam ihr Stipendium für Roedean, was uns sehr gefreut hat.«

»Oh, gut.«

»Und Ihre Frau, gesund und blühend und so weiter?« Auch seine Ausdrucksweise war jungenhaft.

»Wie eine Rose, vielen Dank«, sagte Smiley in dem ritterlichen Bemühen, in gleicher Tonart zu antworten.

Sie hielten die Augen auf die Doppeltür gerichtet. In weiter Ferne hörten sie das Klappern von Schritten auf einem Fliesenboden. Smiley schätzte zwei Leute, beides Männer. Die Tür ging auf, und eine große Gestalt tauchte im Gegenlicht halb als Schattenbild auf. Den Bruchteil einer Sekunde lang erblickte Smiley dahinter einen zweiten Mann, dunkel und klein und aufmerksam; aber nur der erste betrat den Raum, und sofort schlossen unsichtbare Hände die Türflügel wieder.

»Bitte, schließen Sie uns ein«, rief Lacon, und sie hörten das Schnappen des Schlüssels. »Sie kennen Smiley, nicht wahr?«

»Ja, ich glaube«, sagte die Gestalt, während sie sich auf den langen Weg aus dem fernen Halbdunkel bis zu den drei anderen machte. »Ich glaube, er hat mir einmal einen Job gegeben, oder, Mr. Smiley?«

Seine Stimme war so sanft wie der Singsang eines Südstaatlers, aber der koloniale Akzent war nicht zu überhören. »Tarr, Sir, Ricki Tarr aus Penang.«

Das Flackern des Feuerscheins erhellte eine Seite des starren Lächelns und ließ das eine Auge wie ein Loch erscheinen. »Der Anwaltssohn, wissen Sie nicht mehr? Na aber, Mr. Smiley, Sie haben mir schon die Windeln gewechselt.«

Und dann standen sie lächerlicherweise alle vier aufrecht, und Guillam und Lacon sahen aus wie Taufpaten, während Tarr Smileys Hand schüttelte, dann nochmals, dann ein drittes Mal, wie für die Fotografen.

»Sehr erfreut, Mr. Smiley. Wirklich nett, Sie zu sehen, Sir.« Endlich ließ er Smileys Hand los und nahm Kurs auf den für ihn reservierten Stuhl, während Smiley dachte: Ja, bei Ricki Tarr wäre es möglich gewesen. Bei Ricki Tarr war einfach alles möglich. Mein Gott, dachte er, noch vor zwei Stunden habe ich mir eingeredet, ich würde mich in die Vergangenheit flüchten. Er war durstig und vermutete, es komme von der Furcht.

Vor zehn? Vor zwölf Jahren? Sein Zeitgefühl war in dieser Nacht nicht auf der Höhe. Damals hatte es zu Smileys Aufgaben gehört, die Rekruten zu sieben: keiner wurde genommen ohne sein Nicken, keiner ausgebildet ohne seine Unterschrift auf dem Lehrplan. Der Kalte Krieg lief auf Hochtouren, Skalpjäger waren gefragt, die Außenstellen des Circus hatten Anweisung von Haydon, sich nach geeignetem Material umzusehen. Steve Mackelvore aus Djakarta hatte Tarr angeworben. Mackelvore war ein alter Profi, als Schiffsmakler getarnt, und hatte seinen Schützling gefunden, als Tarr, reizbar und betrunken, in den Docks herumrandalierte und ein Mädchen namens Rose suchte, das ihn hatte sitzenlassen.

Nach Tarrs eigener Darstellung hatte er mit ein paar Belgiern zusammengearbeitet, die zwischen den Inseln und der Küste Waffenhandel trieben. Er haßte Belgier, und das Waffenschieben hing ihm zum Hals heraus, und er war erbost, weil sie ihm Rose gestohlen hatten. Nach Mackelvores Ansicht würde er auf Disziplin ansprechen, und zudem war er jung genug für das Nahkampftraining, das die Skalpjäger hinter den Mauern ihres unfreundlichen Hauses in Brixton betrieben. Nach den üblichen Erkundigungen wurde Tarr zu einer zweiten Inspektion nach Singapur weitergereicht und dann zu einer dritten an die Nursery in Sarratt. Hier schaltete Smiley sich ein, als Moderator bei einer Reihe von Interviews, darunter ein paar sehr unerfreulichen. Die Nursery war das Ausbildungslager, aber sie hatte auch Platz für andere Zwecke.

Tarrs Vater, ein australischer Advokat, lebte angeblich in Penang. Die Mutter, Provinzschauspielerin aus Surrey, war vor dem Krieg mit einer britischen Theatertruppe nach Asien gekommen. Der Vater war, wie Smiley sich erinnerte, missionarisch angehaucht und predigte in evangelischen Gemeindehäusern. Die Mutter hatte in England ein kleines Strafregister gehabt, aber Tarrs Vater wußte entweder nichts davon, oder es war ihm egal. Bei Kriegsausbruch übersiedelte das Paar des kleinen Jungen wegen nach Singapur, und Ricki Tarr erhielt seine erste Ausbildung im Gefängnis von Changi unter japanischer Aufsicht. In Changi predigte der Vater jedem, dessen er habhaft werden konnte, Gottes Barmherzigkeit, und wären die Japse ihm nicht auf den Pelz gerückt, so hätten seine Mitgefangenen diese Aufgabe für sie übernommen. Nach der Befreiung gingen alle drei nach Penang zurück. Ricki nahm einen Anlauf, das Strafrecht zu studieren, kam jedoch häufig damit in Konflikt, und der Vater hetzte ihm ein paar rauhe Gottesmänner auf den Hals, die ihm die Sünden aus der Seele prügeln sollten. Tarr setzte sich nach Borneo ab. Mit achtzehn war er regulär bezahlter Waffenschmuggler, der auf dem indonesischen Archipel Freund und Feind belieferte, und dabei war Mackelvore auf ihn gestoßen.

Als Tarr die Nursery absolviert hatte, war die Malaya-Krise ausgebrochen, und er wurde erneut in den Waffenhandel eingeschleust. So ziemlich die ersten, mit denen er zu tun bekam, waren seine alten belgischen Freunde. Sie waren von ihren Waffenlieferungen an die Kommunisten zu sehr in Anspruch genommen, um sich Gedanken darüber zu machen, wo er gesteckt hatte, und sie waren knapp an Leuten. Tarr übernahm ein paar Lieferungen für sie, um ihre Verträge platzen zu lassen, dann setzte er sie eines Nachts unter Alkohol, erschoß vier oder fünf von ihnen, einschließlich Rose, und steckte ihren Kahn in Brand. Er trieb sich in Malaya herum und erledigte noch einige Aufträge, dann wurde er nach Brixton zurückbeordert und für Sondereinsätze in Kenia umgeschult: oder weniger vornehm ausgedrückt: für die Mau-Mau-Jagd gegen Kopfprämie.