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WOLFGANG HOHLBEIN

DARK SKIES - DAS RÄTSEL UM MAJESTIC 12

Roman

Nach dem Originaldrehbuch von

Bryce Zabel und Brent V. Friedman

Auf Basis der Fernsehserie »dark skies«

von Bryce Zabel und Brent V. Friedman

Ebook by »Zerwas«

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Prolog

In der unterirdischen Zentrale von Majestic 12 herrschte gespanntes Schweigen. In dem großen, tief unter dem gewachsenen Granitfundament Washingtons gelegenen Raum war es meist unnatürlich still; die Geräte und Apparaturen entsprachen dem neusten Stand der Technik und arbeiteten größtenteils elektronisch und somit nahezu lautlos. Es gab hier keine hektisch tickenden Fernschreiber, keine klingelnden Telefone, kein Türenschlagen oder das Trappeln von Schritten auf dem Flur. Selbst die Männer und Frauen, die hier in dem arbeiteten, was Bach manchmal das Allerheiligste nannte, senkten instinktiv ihre Stimmen, sobald sie diesen Raum betraten. Vielleicht, weil an diesem Ort zwei seltene Faktoren zusammenkamen: das fast körperliche Begreifen der vielen hunderttausend Tonnen Felsgestein, die sich über dem halbrunden Raum türmten und ihm zugleich etwas fast Heiliges wie auch Bedrückendes gaben, und das Bewusstsein, sich an einem Ort konzentrierter Macht zu befinden.

Mit alledem hatte das atemlose Schweigen, das sich jetzt in dem abgedunkelten Raum ausbreitete, jedoch nichts zu tun. Das für einen Außenstehenden sinnverwirrende Durcheinander von Linien, Ziffern, kryptischen Buchstabenkombinationen und blinkenden Punkten auf dem zwei Meter großen Wandschirm unterschied sich in nichts von dem, was an einem normalen Tag darauf zu sehen gewesen wäre. Das große Leuchtschild an der Wand neben dem Bildschirm signalisierte ein beruhigendes DEFCON 5, und auch das rote Telefon auf dem Pult vor Bach war stumm geblieben.

Trotzdem, dachte Bach, war es gut möglich, dass dieser Raum in den nächsten Minuten zu etwas wurde, das sich seine Erbauer niemals hätten träumen lassen: nämlich zur Bühne, auf der sich das Schicksal der Welt entschied. Und er zum Regisseur, der den Ablauf bestimmte.

»Lieutenant Powers!« Die Stimme des jungen Mannes am Funkgerät riss Bach aus seinen Gedanken. In dem atemlosen Schweigen, das sich in den vergangenen Minuten hier ausgebreitet hatte, klang sie unangenehm laut, und eine Spur von Nervosität schwang in ihr mit. Alle hier waren nervös.

»Lieutenant Powers!« sagte der junge Mann noch einmal. »Sie haben keine Erlaubnis, ich wiederhole: keine Erlaubnis, die Verfolgung über die Grenze hinaus fortzusetzen. Bestätigen!«

Wie immer, wenn Bach unter Anspannung stand, glitt seine linke Hand in einer unbewussten Geste nach oben und tastete nach dem rechteckigen Amulett, das er an einer dünnen Kette um den Hals trug, sicher verborgen unter seiner Uniform, metallisch kalt und trotzdem beruhigend auf der nackten Haut.

Heute beruhigte es ihn nicht.

Bachs Gesichtsausdruck blieb so undurchschaubar und versteinert wie immer, aber hinter seiner Stirn jagten sich die Gedanken. Der sichtlich überforderte junge Mann am Funkgerät war nicht der Einzige hier, der nervös war. Sie alle waren nervös, aber er, Bach, hatte regelrecht Angst. Vielleicht zum ersten Mal, seit all dies begonnen hatte, spürte er eine tief bohrende Angst in sich. Er musste eine Entscheidung treffen, und er wusste einfach nicht, was richtig war, und was falsch. Dies war - vielleicht - der Moment, auf den sie alle so lange gewartet hatten, und nun, als er da war, wusste er einfach nicht, was er tun sollte. Wenn er einen Fehler beging, konnten die Folgen katastrophal sein; im wortwörtlichen Sinn.

»Lieutenant Powers!« sagte der Mann am Funkgerät noch einmal. Seine Stimme bebte vor Anspannung. »Brechen Sie ab. Ich wiederhole ...«

Bach hatte seine Entscheidung getroffen. Mit einem raschen Schritt trat er neben den jungen Mann, nahm ihm das Mikrofon aus der Hand und sagte: »Lieutenant Powers? Hier Bach.«

Powers' Antwort drang erst nach zwei oder drei Sekunden aus den Lautsprechern, leise, verrauscht und auf eine sonderbare Art verzerrt, was nur zu einem geringen Teil daran lag, dass sie den halben Erdball umrundet hatte. Zusätzlich wurde das Gespräch über ein kompliziertes System von Verzerrern, Zerhackern und anderen Codierungsmaschinen geleitet, die jeden Versuch, es abzuhören, zum Scheitern verurteilten.

»Majestic? Hier Lieutenant Powers. Ich nähere mich dem sowjetischen Luftraum.«

»Kontakt zum Zielobjekt?« fragte Bach.

»Positiv«, antwortete Powers. »Aber ich weiß, zum Teufel noch mal, noch immer nicht, was es ist. Das Ding ist schnell.«

»Wie ist Ihre genaue Position?« fragte Bach. Sein Blick wanderte zum Monitor und versuchte den blinkenden Leuchtpunkt zu identifizieren, der Powers' Maschine darstellte. Es gelang ihm nicht, aber im Grunde war dieser Blick ebenso überflüssig wie seine Frage. Er wusste nur zu gut, wo sich Powers befand.

»Westpakistan«, antwortete Powers. »Noch zwanzig Sekunden bis zum sowjetischen Luftraum. Was soll ich hin? Abbrechen?«

»Negativ«, antwortete Bach. »Sie haben die Erlaubnis, die Verfolgung fortzusetzen.«

Nicht nur der junge Mann am Funkgerät riss überrascht die Augen auf und starrte Bach an. Jedermann in der unterirdischen Zentrale starrte ungläubig oder erschrocken in seine Richtung. Auf dem einen oder anderen Gesicht glaubte Bach auch echtes Entsetzen zu erkennen. Er konnte dieses Gefühl verstehen. Der Befehl, den er gerade erteilt hatte, hatte durchaus das Potential, einen Krieg auszulösen. Trotzdem fuhr er fort: »Sie haben Ihre Befehle, Lieutenant. Befolgen Sie sie.«

»Roger, Sir«, antwortete Powers. »Noch zehn Sekunden, bevor ich den sowjetischen Luftraum verletze.«

Der letzte Satz war überflüssig und entsprach ganz und gar nicht dem militärischen Protokoll. Wahrscheinlich hatte Powers ihn nur gesagt, um sich selbst abzusichern; vielleicht auch, um ihm noch eine letzte Chance zu geben, seinen Befehl zu überdenken und zurückzunehmen.

Stattdessen sagte er: »Können Sie den Kontakt sehen, Lieutenant?«

»Nein«, antwortete Powers, verbesserte sich aber praktisch in der gleichen Sekunde selbst: »Doch. Es ist ... großer Gott! Es ist unglaublich schnell!«

»Bleiben Sie dran, Lieutenant«, sagte Bach. »Ganz egal, was geschieht, Ihre Mission hat Vorrang.«

»Vorrang vor was?« fragte eine Stimme aus Richtung Tür.

Bach widerstand dem Impuls, sich zur Tür herumzudrehen. Er wusste auch so, wer hereingekommen war. Er erkannte die Stimme ebenso wie den typischen, schweren Schritt Gouverneur Humphreys. Er wusste sogar, welchen Anblick Humphrey in diesem Moment bieten würde: Er stürmte mit leicht nach vorne gebeugten Schultern heran, den linken Arm angewinkelt, um entweder seine Aktentasche oder den Trenchcoat zu halten, ohne den er niemals das Haus verließ, unabhängig von Witterung und Jahreszeit. Und in der rechten Hand hielt er gewiss die schwere Hornbrille. Bach bezweifelte, dass Humphrey überhaupt eine Brille brauchte. Sie war nichts als ein Utensil, das er im passenden Moment auf- oder absetzte, um Wirkung zu erzielen. Humphrey war ein Idiot, aber gefährlich.

Bach verscheuchte den Gedanken und rief sich seine eigenen Worte in Erinnerung: Ihre Mission hatte Vorrang.

»Sichtkontakt!« meldete Powers. »Es ist ... o mein Gott!«

»Was ist los?« fragte Bach. »Powers!«

Powers schwieg gerade lange genug, um Bachs Sorge einen spürbaren Schub zu versetzen. Als er schließlich antwortete, waren Schrecken und Überraschung aus seiner Stimme verschwunden. Aber sie hatten nur einer erzwungenen Ruhe Platz gemacht, die fast noch schlimmer war.