Ich spürte, dass ich den Bann fast gebrochen hatte, gab mir einen letzten Ruck und reichte ihr den Kuchen, den ich an der Raststätte gekauft hatte. Natürlich erntete ich nur einen verständnislosen Blick - aber immerhin warf sie mir das Ding nicht gleich ins Gesicht.
»Meine Freundin hat ihn für mich gebacken«, log ich. »Ein bisschen viel für mich allein. Und ich habe noch etwas Zeit, bis mein Zug fährt, und da dachte ich, dass wir vielleicht bei einer Tasse Kaffee ...?«
Für einen Moment blieb das misstrauische Funkeln in ihren Augen. Aber dann machte es einem Lächeln Platz, und ich wusste, dass ich gewonnen hatte.
Etwa eine Sekunde lang. Dann wurde die Tür ganz geöffnet, und ein hoch gewachsener, dunkelhaariger Schwarzer funkelte mich an. Ich war einen Moment lang verwirrt. Aus Friends Akte war weder hervorgegangen, dass Barney Hill ein Farbiger war, noch, dass er zwar zwei Jahre älter als seine Frau war, aber mindestens zehn Jahre jünger aussah.
»Sehr schön, Mister Loengard«, sagte er kühl. »Warum nehmen Sie nicht Ihren Kuchen, Ihre Fragen und Ihre neuen Erkenntnisse und fahren damit zurück zu Ihrer Freundin, um mit ihr zusammen Weihnachten zu feiern? Meine Frau und ich haben nichts mehr zu sagen.«
Er nahm seiner Frau den Kuchen aus der Hand, gab ihn nur mit einer ärgerlichen Bewegung zurück und trat gleichzeitig so zwischen sie und mich, dass er damit den Blickkontakt zwischen uns unterbrach. »Verschwinden Sie. Lassen Sie uns endlich in Ruhe!«
Ich musste mich mit aller Kraft beherrschen, um nicht vor ihm zurückzuweichen. Er hatte nicht einmal die Stimme erhoben, aber die Feindseligkeit in seinen Worten war beinahe greifbar.
»Also gut, Mister Hill«, sagte ich. »Ich will offen zu Ihnen sein. Ich bin wirklich im Auftrag der Regierung hier, aber es gibt keine neuen Erkenntnisse. Ganz im Gegenteil. Mein Auftrag lautet, Beweise dafür zu finden, dass diese ganze Suche nach fliegenden Untertassen und außerirdischem Leben nichts als Geldverschwendung ist.« Ich zögerte einen Moment, dann fügte ich hinzu: »Und diesen Kuchen hat auch nicht meine Freundin gebacken. Ich habe ihn an einer Tankstelle gekauft, nur ein paar Meilen von hier.«
»Ich weiß«, sagte Hill. »Ich halte selbst manchmal dort an, um ihn mitzubringen. Er ist ausgezeichnet.«
Er schien noch mehr sagen zu wollen, unterbrach sich aber dann und starrte für einen winzigen Moment fast erschrocken auf einen Punkt irgendwo hinter mir. Bevor ich mich jedoch herumdrehen und in die gleiche Richtung sehen konnte, fuhr er fort. »Major Friend hat Sie geschickt?«
»Wenigstens indirekt«, antwortete ich. »Er hat mir Ihre Akte gegeben.«
»Das wundert mich«, sagte Hill. »Wir werden Ihnen kaum helfen können, wenn Sie Beweise dafür suchen, dass es sie nicht gibt.«
»Sie?«
Hill sah wieder zu jenem Punkt irgendwo hinter mir, aber er sprach auch jetzt weiter, bevor ich mich herumdrehen konnte. »Wie immer Sie sie nennen wollen, Mister Loengard. Kommen Sie rein.«
Nach der unverhohlenen Feindseligkeit, mit der er mich bis jetzt behandelt hatte, überraschte mich diese Einladung um so mehr; allerdings nicht so sehr, dass ich ihr nicht sofort gefolgt wäre. Nachdem ich zwischen ihm und seiner Frau hindurch ins Haus getreten war, drehte ich mich sofort herum, um einen Blick auf die Straße hinaus zu werfen. Irgendetwas dort draußen schien Hill erschreckt zu haben. Aber er hatte die Tür bereits geschlossen und machte eine einladende Bewegung mit der anderen Hand.
Während ich ihm ins Wohnzimmer folgte, sah ich mich verstohlen um. Das Haus der Hills hielt im Inneren das, was sein Äußeres versprochen hatte: Es war geschmackvoll und solide eingerichtet, nicht auffällig, aber auch alles andere als spießig. An den Wänden hingen gerahmte Kunstdrucke neben gestickten Bildern, die wahrscheinlich Betty Hill angefertigt hatte. Auf dem Wohnzimmertisch lag ein gehäkeltes Spitzendeckchen, und der Kamin im Wohnzimmer war eine gasbetriebene Attrappe. Ich kam zu dem Schluss, dass meine erste Einschätzung richtig gewesen war: Das waren keine Leute, die ihre Gesichter um jeden Preis auf dem Titelblatt der Boulevardpresse sehen wollten.
»Nehmen Sie Platz, Mister Loengard«, sagte Hill. »Kaffee oder Tee?«
»Kaffee, bitte.«
Hills Frau verschwand in der Küche, während er selbst zum Fenster ging und einen raschen, sehr aufmerksamen Blick auf die Straße hinaus warf. Dann kam er zurück, nahm auf der behaglichen Couch mir gegenüber Platz und sah mich auf eine sehr seltsame Art an. »Sie suchen also nach Beweisen, die dagegen sprechen, Mister Loengard.«
Seine Frau kam zurück. Der Kaffee war offensichtlich bereits fertig gewesen, denn sie trug ein Tablett mit einer dampfenden Kanne und drei Tassen, das sie geschickt auf dem Tisch ablud, noch bevor ich Gelegenheit fand, ihr zur Hand zu gehen. Ich wartete, bis auch sie Platz genommen hatte, ehe ich Hills Frage beantwortete.
»Ich bin nicht mehr ganz sicher«, sagte ich. »Um ehrlich zu sein: Congressman Pratt erwartet von mir, dass ich ihm hieb- und stichfeste Argumente liefere, um all diese Projekte nicht mehr finanzieren zu müssen, aber je mehr ich mich mit diesem Thema beschäftige, desto weniger weiß ich im Grunde, was ich glauben soll. Vielleicht sollte ich einfach nur Fakten sammeln.«
Ich beugte mich zu meiner Aktentasche hinunter, klappte sie auf und fragte: »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihren Bericht auf Band aufnehme?«
»Nein«, antwortete Hill. »Aber es wird Ihnen nichts nutzen. Niemand wird Ihnen glauben, Mister Loengard.«
»Es gibt eine Menge Leute, die an UFOs glauben«, antwortete ich, während ich das kleine Tonbandgerät aufstellte, das ich zwar stets bei mir trug, bisher aber so gut wie nicht benutzt hatte. Entsprechend ungeschickt stellte ich mich dabei an, das Magnetband zwischen den Tonköpfen hindurchzuziehen und in die leere Spule einzufädeln.
Hill sah mir eine Weile ebenso schweigend wie amüsiert dabei zu, ehe er fortfuhr: »Es gibt eine Menge Leute, die über fliegende Untertassen reden, Mister Loengard. Aber nicht sehr viele, die wirklich daran glauben.«
»Ist das ein Unterschied?« fragte ich. Es war mir endlich gelungen, das Band einzufädeln. Ich legte die Finger auf die beiden Tasten, die ich gleichzeitig drücken musste, sah aber Hill erst fragend an. Er nickte. Das schwere Klicken, mit dem die Aufnahme startete, vermischte sich mit Hills Antwort, wie um ihr besonderes Gewicht zu betonen.
»Es gibt zwei Wege, die Wahrheit zu verschleiern, Mister Loengard«, antwortete er. »Man kann sie leugnen. Man kann Dinge vertuschen, Beweise verschwinden lassen und Leute zum Schweigen bringen. Die andere Möglichkeit ist, ganz offen darüber zu reden. Nehmen Sie die Wahrheit, und verbergen Sie sie unter einem Berg von Übertreibungen, von Lächerlichkeiten und ganz offensichtlichen Lügen, und am Ende wird sie niemand mehr erkennen.«
»Ist es das, was Ihnen passiert ist?« fragte ich.
Hill antwortete nicht sofort. Er tauschte einen kurzen, aber sehr bezeichnenden Blick mit seiner Frau, eine unausgesprochene Frage, die er ihr stellte und die sie ebenso lautlos beantwortete. Ich habe niemals wirklich begriffen, warum - aber diese beiden wildfremden Menschen vertrauten mir in diesem Augenblick rückhaltlos.
»Ich weiß nicht, was uns passiert ist«, sagte er.
Ich sah ihn nur fragend an. Für zwei oder drei Sekunden war das leise Schleifen, mit dem sich die Tonbandspulen drehten, das einzige Geräusch im Raum.
»Wir waren in Kanada«, begann Hill. »Meine Frau und ich hatten dort Urlaub gemacht. Der erste seit zehn Jahren. Wir waren mit dem Wagen unterwegs - irgendwo in den White Mountains.«
»Irgendwo?« unterbrach ich ihn.
»Es war spät«, sagte Betty. »Lange nach Mitternacht. Wir waren beide müde.«
»Eigentlich hatten wir uns vorgenommen, die Nacht durchzufahren«, fügte ihr Mann hinzu. »Wir hatten noch zwei Tage, die wir gemütlich zu Hause verbringen wollten. Aber es war spät. Vielleicht hatten wir unsere Kräfte einfach überschätzt. Jedenfalls waren wir beide ziemlich müde. Vielleicht habe ich es auch deshalb nicht gleich bemerkt.«