Gary Powers war ein überraschend junger Mann mit vollem, dunklem Haar und energischen Bewegungen, der weitaus besser aussah, als ich nach den Bildern aus dem Fernsehen erwartet hatte - und vor allem nach dem, was ich über ihn wusste. Er ging mit einer geradezu bewunderungswürdigen Souveränität mit den Fragen der Journalisten um, und er machte ganz und gar nicht den Eindruck eines Mannes, der gerade zwei Jahre russischer Kriegsgefangenschaft hinter sich gebracht hatte; weder körperlich noch psychisch.
Ich stand in vorderster Reihe der wartenden Journalisten, aber ich achtete kaum auf die närrischen Fragen, die sie stellten, und noch viel weniger auf die Antworten, die Powers gab. In den nächsten Tagen würde ich sie sowieso hundertfach im Fernsehen oder Radio hören und in den Zeitungen lesen können.
Ich suchte nach Bach.
Im ersten Moment hatte ich Mühe, ihn zu entdecken.
Powers hatte einen Tross von mindestens dreißig Begleitern im Schlepptau, von denen der Großteil wahrscheinlich aus FBI- und CIA-Agenten bestand, und Bach war mitten unter ihnen. Trotzdem sah ich ihn nicht sofort. Es war wie gestern Abend im Fernsehen: der Mann schien ein Wunder an natürlicher Mimikri zu sein. Er brachte es fertig, stets so unauffällig irgendwo am Rande des Geschehens zu bleiben, dass man ihn nicht einmal dann wirklich zu sehen schien, wenn man direkt in seine Richtung blickte.
Dafür war ich sicher, dass seiner Aufmerksamkeit umgekehrt nicht das winzigste Detail entging.
Unauffällig zog ich mich zwei, drei Schritte weit ins Innere der Journalistenmeute zurück und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Bach mich noch nicht entdeckt hatte. Ich war hier, um mit ihm zu reden, aber ich zog es vor, den Zeitpunkt selbst zu bestimmen; und sei es nur, um den Vorteil der Überraschung auf meiner Seite zu haben.
Wahrscheinlich war es ohnehin der einzige Vorteil, den ich hatte.
Powers brauchte entnervend lange, um die Fragen der Reporter zu beantworten, aber schließlich war es vorbei: Er verabschiedete sich mit einem jovialen Lächeln von den Kameras, wandte sich um und verschwand zusammen mit seinen Begleitern in einem Flur, dessen Zugang von gleich vier Männern in den Paradeuniformen der Marines flankiert wurde. Mein Herz machte einen erschrockenen Satz, als ich sah, wie Bach stehen blieb und ein paar Worte mit einem von ihnen wechselte. Er deutete dabei mit der Hand über die Schulter zurück; nicht unmittelbar auf mich, aber doch nahe genug in meine Richtung, um mir einen gehörigen Schrecken einzujagen. Instinktiv sah ich mich um, halbwegs darauf gefasst, einen grinsenden Air-Force-Lieutenant zu sehen, der mit einer diesmal vielleicht geladenen Waffe auf mich zielte.
Natürlich war er nicht da. Die Vorstellung war albern, aber der Gedanke zeigte mir auch, wie nervös ich wirklich war. Ich hatte Bach in meinem ganzen Leben nicht länger als fünf Minuten gesehen, und doch beherrschte dieser Mann mittlerweile meine Gedanken. Es war richtig, dass ich hier war. Ich musste ihn stellen, oder ich würde diese Angst nie wieder ganz loswerden.
Mit erzwungen ruhigen Schritten näherte ich mich dem Flur, in dem Bach und die anderen verschwunden waren. Einige besonders hartnäckige Journalisten versuchten ebenfalls, ihnen zu folgen, wurden aber erwartungsgemäß von den Marines aufgehalten; höflich, aber sehr bestimmt. Ich atmete tief ein, schloss die Hand um meinen Dienstausweis, den ich in der rechten Manteltasche trug, und zermarterte mir das Hirn nach irgendeiner Ausrede, die die Marines davon überzeugen würde, mich passieren zu lassen.
Ich brauchte weder sie noch meinen Dienstausweis. Der Soldat machte keinen Versuch, mich aufzuhalten. Er sah mich nicht einmal an. Verwirrt - aber auch ein bisschen beunruhigt - ging ich an ihm und den drei anderen vorbei, bog um die Ecke und blieb überrascht stehen. Powers und seine Begleiter waren nicht mehr da, aber der Flur war trotzdem nicht leer.
Bach saß auf einer Bank ganz am Ende des Flurs, rauchte eine Zigarette und sah mir mit steinernem Gesichtsausdruck entgegen. Ich war wirklich ziemlich naiv gewesen, mir im Ernst einzubilden, er hätte mich nicht bemerkt.
Ich ging weiter, aber ich bewegte mich langsamer als notwendig. Annähernd drei Monate lang hatte ich nichts anderes getan, als diesen Mann zu suchen, und es war kein Tag vergangen, an dem ich mir den Moment, in dem ich ihm gegenüberstehen würde, nicht mindestens einmal ausgemalt hatte. Jetzt war mein Kopf wie leergefegt. Ich wusste weder, was ich tun, noch, was ich sagen sollte. Schweigend setzte ich mich neben Bach auf die Bank.
»Und ich dachte, es gäbe Sie gar nicht«, sagte ich nach einer Weile. »Sagten Sie nicht, Sie wären nur Teil eines ... Traums?«
»Die genaue Formulierung war Alptraum, wenn ich mich recht erinnere«, antwortete Bach. Er zog an seiner Zigarette, inhalierte den Rauch tief und fuhr fast im Plauderton fort: »Was sind Sie, John - ganz besonders mutig, oder ganz besonders dumm? Ich dachte, ich hätte klar zum Ausdruck gebracht, was passiert, wenn sich unsere Wege noch einmal kreuzen.«
»Sie können mir keine Angst machen«, antwortete ich. »Nicht mehr.«
»Seltsam, aber ich hatte einen anderen Eindruck.«
»Wir sind hier nicht auf einer einsamen Landstraße in Ohio«, antwortete ich. »Und wenn ich richtig sehe, dann haben Sie auch Ihren Schlägertrupp nicht dabei. Das hier ist das Capitol, und ich bin ein offizieller Mitarbeiter des Kongresses der Vereinigten Staaten. Sie machen mir keine Angst.«
Meine Worte beeindruckten ihn nicht sonderlich, und warum sollten sie auch? Ich sprach zu schnell, meine Stimme war eine Spur zu schrill, und ich konnte meine Hände nicht davon abhalten, nervös mit meinem Hut zu spielen. Ich plapperte einfach drauflos, nur, um überhaupt etwas zu sagen.
»Warum sollte ich auch?« fragte Bach. »Ich bin schließlich nur ein Traum. Es gibt mich gar nicht.«
»Ein Traum - Captain Frank Bach?«
Ich sah Bach bei diesen Worten scharf an, und diesmal zollte er mir genügend Aufmerksamkeit, um den Kopf zu drehen und mich kühl anzublicken. Er wirkte keineswegs überrascht. Nach einer weiteren kleinen Ewigkeit nickte er jedoch und sagte: »Gut.«
»Und es wird noch besser.« Ich hatte keine Wahl, als zu improvisieren und zu bluffen. »Ich habe hier eine Vollmacht des Kongresses, Captain Bach. Ihr Name steht darauf.«
Diesmal glaubte ich tatsächlich so etwas wie ein spöttisches Glitzern in seinen Augen zu entdecken, aber ich war nicht ganz sicher. »Und was steht in dieser ... Vollmacht?« fragte er.
»Ich will endlich Antworten«, sagte ich. »Ich weiß noch nicht genau, wer und was Sie sind, Bach, aber ich bin nahe daran. Ich werde die Wahrheit herausfinden, das schwöre ich Ihnen.«
»Die Wahrheit?« Bach schüttelte den Kopf. Obwohl sein Gesicht nach wie vor unbewegt blieb, hatte ich das Gefühl, dass ihn meine Worte amüsierten. »Was ist schon die Wahrheit? Wahrheit, John, ist ein höchst relativer Begriff. Sie wollen die Wahrheit herausfinden?« Er schüttelte den Kopf, drückte seine Zigarette aus und fügte hinzu: »Glauben Sie mir, John: die Wahrheit ist das letzte, was Sie wissen wollen.«
Er stand auf und griff nach seinem Mantel, aber ich vertrat ihm den Weg. »Nein«, sagte ich. »So leicht kommen Sie mir nicht davon.«
»Aber John«, seufzte Bach. »Wollen Sie mir drohen? Sie? Mir?«
»Das hätte nicht viel Zweck«, räumte ich ein. »Aber ich bin nicht allein.«
Bach lachte leise. »Oh, ich verstehe. Sie haben Freunde hier. In einflussreicher Position, nehme ich an.«
Allmählich wurde ich wütend. Bachs Überheblichkeit begann mich rasend zu machen. »Die habe ich nicht«, gestand ich unumwunden. »Aber ich arbeite immer noch für die Regierung! Und es gibt in diesem Gebäude bestimmt eine Menge Leute, die sich brennend für das interessieren, was ich über Sie herausgefunden habe. Ich bin nur ein kleines Licht. Ein Nichts, im Gegensatz zu Ihnen. Aber manchmal reicht sogar ein Streichholz, um einen Steppenbrand zu entfachen.«