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»Majestic, Sie hatten recht«, sagte er. »Identifizierung eindeutig positiv. Ich wiederhole: Es handelt sich zweifelsfrei um einen positiven Kontakt. Führe die Verfolgung fort.«

»Wer verfolgt was?« fragte Humphrey. Er war neben Bach getreten und wedelte erwartungsgemäß mit seiner Brille herum, während er den Bildschirm ansah und sich redliche Mühe gab, so zu tun, als verstünde er tatsächlich, was er da sah.

»Lieutenant Gary Powers«, antwortete Bach. »U2-Aufklärungsflug. Er hat einen.«

Humphrey riss ungläubig die Augen auf, und aus dem Lautsprecher drang Powers' jetzt wieder aufgeregte Stimme: »Diese Manövrierfähigkeit ist unvorstellbar! Er fliegt doppelt so schnell wie ich, und ... großer Gott! Aber das ... im rechten Winkel!«

»Definitiv«, murmelte Bach. »Wir haben ihn!«

»Wo?« fragte Humphrey.

»Im Osten«, antwortete Bach widerwillig. Offenbar hatte Humphrey auf dem Monitor doch mehr erkannt, als ihm lieb war.

»Wo?« fragte Humphrey noch einmal.

»Tausend Meilen jenseits der sowjetischen Grenze«, sagte Bach. »In der Nähe von Sverdlowsk.«

Humphrey fuhr auf dem Absatz herum und setzte mit einem Ruck seine Brille auf. »Wie bitte?!«

»Sie waren nicht hier, Gouverneur«, sagte Bach kühl. »Ich musste eine Entscheidung treffen.«

»Sind Sie wahnsinnig geworden?« keuchte Humphrey. »Wissen Sie eigentlich, was ...«

Aus dem Lautsprecher des Funkgeräts drang ein Laut, der wie eine Mischung aus einem Keuchen und einem Schrei klang, dann Powers' aufgeregte Stimme: »Es hat angehalten! Es kommt auf mich zu! Das Licht ...«

Der Rest seiner Worte wurde von einem unheimlichen Heulen und Brausen verschluckt, das plötzlich aus den Lautsprechern des Funkgerätes drang, binnen Sekunden an Lautstärke zunahm und dann ebenso plötzlich, wie es entstanden war, wieder abbrach.

»Powers!« schrie Bach. Er drückte die Sprechtaste des Mikrofons so fest, dass das Blut aus seinen Fingern wich. »Lieutenant! Melden Sie sich!«

Powers antwortete nicht. Aus den Lautsprechern drang nur noch monotones statisches Rauschen, und nach einigen weiteren Sekunden sagte einer der anderen Männer leise: »Kontakt verloren. U2 ist nicht mehr auf dem Schirm, Sir.«

Bach schloss für einen Moment die Augen. Er fühlte ... im allerersten Moment nichts. Kaum mehr als eine tiefe, saugende Leere, an deren Grund eine Enttäuschung lauerte, die ihn hätte aufschreien lassen, hätte er sie schon jetzt in ihrem vollen Umfang gespürt.

Vorbei. Fünfzehn Jahre Arbeit. Fünfzehn Jahre, in denen er sich auf diesen einen, entscheidenden Moment vorbereitet hatte, und jetzt war es vorbei, in einem einzigen, kurzen Moment. Sie waren so nahe daran gewesen! So verdammt nahe!

»Sie sind ein verdammter Dummkopf, Bach«, sagte Humphrey. »Wie konnten Sie es wagen, den Piloten ...«

»Halten Sie den Mund!« unterbrach ihn Bach.

Humphrey riss ungläubig die Augen auf. Ganz gleich, wer Bach auch sein mochte, ein solcher Ton stand ihm einem Gouverneur der Vereinigten Staaten von Amerika gegenüber einfach nicht zu. Niemand konnte ihn zwingen, sein Gegenüber zu respektieren, wohl aber dessen Amt. Doch Humphrey schien auch zu spüren, was in diesem Moment in ihm vorging, denn er sagte nichts, sondern nahm nur mit einer langsamen Bewegung die Brille wieder ab und schüttelte den Kopf. Er sah müde aus. Auf seine Weise musste er ebenso enttäuscht sein wie Bach. Sie waren oft über ihre Methoden uneins, aber sie verfolgten die gleichen Ziele.

Plötzlich drang ein Schwall knisternder Stör- und Statikgeräusche aus den Lautsprechern des Funkpults, und dann wieder Powers' Stimme: »Majestic? Majestic, empfangen Sie mich?«

Bach verschwendete keine Zeit dafür, den Piloten nach seinem Befinden zu fragen oder sich zu erkundigen, was geschehen war. Er fragte nur knapp: »Wo sind Sie?«

»Wir steigen«, antwortete Powers. Seine Stimme war jetzt viel undeutlicher als zuvor, als störe etwas die Verbindung. Oder als entferne er sich rasend schnell. »Irgendwie hat er mich ... mitgenommen.«

Bach warf einen raschen Blick zum Radar, aber der Mann, der das Gerät bediente, schüttelte nur den Kopf. Weder Powers noch das Objekt, dem er gefolgt war, waren auf dem Schirm zu sehen.

»Höhe?« fragte Bach.

»Fünfzigtausend Fuß, rasch steigend«, antwortete Powers. »Jetzt fast sechzig. Ich kann nicht viel sehen. Über mir ist ein sehr helles Licht.«

Bach biss sich auf die Unterlippe. Die U2 war für Flüge in extremer Höhe gebaut, aber selbst diese Wundermaschine kannte Grenzen. Wenn Powers sich weiter so schnell nach oben bewegte, würde er in wenigen Augenblicken die Erdatmosphäre verlassen und den russischen Sputniks Gesellschaft leisten.

»Fünfundsechzigtausend Fuß«, meldete Powers. »Weiter steigend. Das Licht ist immer noch da ... halt. Jetzt kann ich etwas erkennen ... Jesus!«

»Was ist los, Lieutenant?« fragte Bach. »Was sehen Sie?«

»Majestic«, antwortete Powers, »wir haben ein großes Problem hier oben.«

Bach und Humphrey tauschten einen nervösen Blick. Viel schlimmer als das, was Powers gesagt hatte, war der Ton in seiner Stimme gewesen. »Was meinen Sie damit, Lieutenant?« fragte Bach. »Reden Sie Klartext. Es spielt keine Rolle, wenn jemand mithört.«

»Es ist gigantisch!« flüsterte Powers.

»Was ist gigantisch?« schrie Bach. »Lieutenant!«

Und plötzlich war das Heulen wieder da, lauter und irgendwie ... zorniger als zuvor. Powers begann zu schreien. »Das Licht! Mein Gott, sämtliche Instrumente spielen verrückt! Die Maschine bricht auseinander!«

»Lieutenant!« rief Bach. »Meldung! Was haben Sie gesehen?!«

Für zwei oder drei Sekunden drang nur dieses furchtbare Heulen und Brausen aus den Lautsprechern, aber dann hörten sie noch einmal Powers schrille, sich fast überschlagende Stimme: »Ich stürze ab! Triebwerk und sämtliche anderen Geräte ausgefallen! Ich betätige den Schleudersitz!«

Das Pfeifen und Heulen erlosch. Für eine halbe Sekunde drang noch ein schwaches, statisches Rauschen aus den Lautsprechern, dann verstummte auch dieses letzte Geräusch.

Ganz langsam stellte Bach das Mikrofon auf das Pult zurück, schloss für eine Sekunde die Augen und wandte sich dann wieder zu Humphrey. Der Gouverneur hatte seine Brille wieder aufgesetzt, und er sah sehr bleich aus und sehr erschrocken. Bach fragte sich, was er wohl empfand: vielleicht Entsetzen über das Gehörte, vielleicht auch Bedauern bei dem Gedanken an den jungen Piloten, der dort oben vermutlich gerade den Tod gefunden hatte, und garantiert dachte er mit einem Teil seines verdrehten Politikerhirns bereits darüber nach, wie er aus Bachs Eigenmächtigkeit am meisten Kapital schlagen konnte.

Bach dachte an nichts von alledem. Er konnte an nichts anderes denken als an jenen einen Satz, den Powers geflüstert hatte:

»Es ist gigantisch!«

Mein Name ist John Loengard, und ich habe ein Geheimnis. Natürlich bin ich nicht der einzige Mensch auf der Welt, der ein Geheimnis hat. Fast jedermann hat Geheimnisse: große, kleine, harmlose oder auch furchterregende Geheimnisse, Geheimnisse, die Auswirkungen auf das eigene oder auch auf das Leben anderer haben. Mein Geheimnis jedoch, die Geschichte, die ich Ihnen erzählen werde, ist vollkommen anderer Natur. Ich will nicht behaupten, dass es Auswirkungen auf Ihrer aller Leben haben könnte, denn das wäre nicht wahr. Tatsache ist, es hat bereits Auswirkungen auf Ihrer aller Leben gehabt, und es hat sie noch.

Die Geschichte, die ich Ihnen erzählen werde, erstreckt sich über einen Zeitraum von beinahe vierzig Jahren; fast ein ganzes Menschenleben. Ich war noch ein Kind, als sie ihren Anfang nahm, und ein junger Mann, als ich das erste Mal davon hörte. Heute bin ich alt. Nicht so alt, dass ich nichts mehr zu verlieren hätte, oder mir mein Leben nichts mehr wert wäre, aber doch alt genug, um den Tod nicht mehr zu fürchten. Ich erzähle Ihnen diese Geschichte in Form einer Fiktion; nicht, um mich selbst zu schützen, sondern um all jene nicht in Gefahr zu bringen, die gleich mir Jahre um Jahre im Verborgenen gelebt und Widerstand geleistet haben. Die meisten von denen, über die ich berichten werde, sind schon lange nicht mehr am Leben. Manche wurden getötet, andere starben eines natürlichen Todes oder verschwanden einfach. Aber der Feind, gegen den wir kämpfen, hat das Wort Rache in leuchtenden Buchstaben auf seine Fahne geschrieben. Es gehört zu seiner Taktik, die Söhne für die Sünden der Väter bezahlen zu lassen; vielleicht die subtilste Art, Druck auszuüben, aber auch eine sehr wirkungsvolle. Ich habe Menschen zu schützen, deren Namen ich niemals zuvor gehört habe, und Existenzen vor der Vernichtung zu bewahren, die so wenig von mir wissen wie ich von ihnen. So habe ich - mit einigen wenigen Ausnahmen - Namen geändert und Örtlichkeiten ausgetauscht oder auch bewusst falsch beschrieben. Ich überlasse es Ihnen, zu entscheiden, welche reale Person sich hinter welchem Pseudonym verbirgt, welcher Ort sich hinter welcher Beschreibung, welches wirkliche Geschehen hinter welcher Geschichte. Die eigentliche Geschichte jedoch, von der ich berichten werde, die ungeheuerliche Bedrohung, die seit einem halben Jahrhundert über unser aller Häupter schwebt, ist wahr. Wenn Sie diese Geschichte zu Ende gelesen haben, werden Sie wissen, dass es so ist, denn das Geheimnis, von dem ich rede, verbirgt sich hinter dem Offensichtlichen. Das große Bild ist nicht verborgen, aber aufgeteilt in Millionen einzelner Puzzleteile, für jedermann sichtbar und zugänglich. Das Geheimnis ist nicht das Bild, es ist der Plan, nach dem seine einzelnen Teile zusammengesetzt werden müssen.