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Auf einen Wink Bachs hin erwachte der Posten aus seiner Starre, trat mit zwei schnellen Schritten hinter mich und begann mich rasch, aber sehr gründlich abzutasten. Während er dies tat, händigte sein Kollege Bach eine in Plastik eingeschweißte Ausweiskarte aus, die er sich ans Revers heftete. Entweder spielte Bach eine nicht annähernd so wichtige Rolle, wie ich bisher geglaubt hatte, oder die Sicherheitsvorschriften hier unten waren wirklich sehr streng.

Nachdem ich bis an den Rand der Peinlichkeit abgetastet worden war, nahm mir der Soldat meinen Mantel und meine Aktentasche ab und deponierte beides auf dem Schreibtisch. Anschließend bekam auch ich eine der kleinen Plastikkarten, die ich mir Bachs Beispiel folgend an die Jacke heftete. Ich wollte die Hand nach meinem Mantel und meiner Aktentasche ausstrecken, aber der Soldat auf der anderen Seite des Tisches deutete ein Kopfschütteln an, und ich ließ von meinem Vorhaben ab.

Bach war inzwischen in ein halb geflüstertes Gespräch mit einem jungen Mann vertieft, der ein Utensil bei sich trug, das ich bisher nur in Agentenfilmen und Fernsehkrimis gesehen hatte: eine schwarze Aktentasche, die mit einer dünnen Kette an seinem linken Handgelenk befestigt war. Trotzdem schenkte ich der Szene nur einen flüchtigen Blick. Viel mehr faszinierte mich das, was auf der anderen Seite der Glasscheiben vorging, aus denen praktisch die ganze gegenüberliegende Wand bestand.

Da der Posten nichts dagegen zu haben schien, trat ich zögernd näher.

Der Anblick verlor auch beim zweiten Hinsehen nichts von seiner Faszination. Vor mir lag eine nicht sehr hohe, aber weitläufige Halle, die mit Schreibtischen und Instrumentenpulten vollgestopft war. Eine komplette Wand wurde von dem größten Elektronenrechner eingenommen, den ich jemals gesehen hatte, eine zweite von einem gewaltigen Bildschirm, der sich bei genauerem Hinsehen als ein Puzzle aus einer Vielzahl kleinerer Monitore herausstellte. Gut zwei Dutzend Männer und Frauen arbeiteten in dem großen Raum, und obwohl das Glas schalldicht war, glaubte ich dennoch, das Stimmengewirr und das geschäftige Summen und Klicken der Elektronenrechner, Fernschreiber und Lochkartenleser zu vernehmen.

Bach trat neben mich. Ich sah den verzerrten Reflex seines Gesichts auf dem Glas vor mir, nahm den Blick aber nicht vom Raum hinter der Scheibe.

»Was ... ist das?« flüsterte ich. Ich hätte gar nicht lauter sprechen können. Eine Mischung aus Ehrfurcht und Schrecken hatte von mir Besitz ergriffen, die mich vollkommen lähmte.

»Majestic 12«, antwortete Bach. »Kommen Sie, John.«

Es fiel mir schwer, mich vom Anblick des Raumes hinter der Scheibe loszureißen. Trotzdem drehte ich mich herum und folgte seiner einladenden Geste.

Ein paar Meter entfernt stand ein kleiner, zweisitziger Elektrokarren, wie man sie auf Flughäfen und Bahnhöfen sieht. Bach warf die geheimnisvolle Aktentasche scheinbar achtlos hinein, setzte sich hinter das Steuer und wiederholte seine einladende Geste. Sie wirkte jetzt ein bisschen herrischer, vielleicht ungeduldig, zugleich aber auch beinahe stolz. Offensichtlich bereitete ihm das, was er tat, großes Vergnügen.

Ich stieg ein, und Bach fuhr los, noch bevor ich richtig Platz genommen hatte. Er fuhr sehr schnell, zumindest angesichts der Tatsache, dass der Gang kaum drei Meter breit war.

»Wohin fahren wir?« fragte ich.

Bach lachte; das hieß, er gab ein Geräusch von sich, das er wahrscheinlich für ein Lachen hielt. »Sie wollten doch die Wahrheit wissen, oder?« fragte er. »Sie wartet auf Sie. Dort hinten, nach der dritten Abzweigung.«

Die unterirdische Anlage war erstaunlich groß. Im ersten Moment war mir der Elektrokarren fast albern vorgekommen, wie pure Effekthascherei. Tatsächlich hätten wir zu Fuß aber sicherlich eine Viertelstunde gebraucht, um unser Ziel zu erreichen. Der nackte Betonstollen zog sich scheinbar endlos dahin. In regelmäßigen Abständen zweigten andere Gänge und Türen von ihm ab, ausnahmslos flankiert von strammstehenden Soldaten in weißen Helmen und khakifarbenen Hemden ohne Rangabzeichen.

»Das ist unglaublich«, sagte ich staunend. »Wie um alles in der Welt haben Sie das bauen können, ohne dass die halbe Stadt davon erfahren hat?«

»Haben wir nicht«, antwortete Bach. »Haben Sie eine Vorstellung, wie groß das U-Bahn-Netz Washingtons ist, John?«

»Nein«, gestand ich.

»Sehen Sie«, sagte Bach. »Ich auch nicht. Ebenso wenig wie irgendjemand sonst in dieser Stadt.«

»Das hier ist ein U-Bahn-Schacht?« fragte ich überrascht.

»Es sollte einer werden«, antwortete Bach. »Aber irgendjemand hat die notwendigen Gelder gestrichen, bevor er fertig gestellt werden konnte.«

Ich dachte einige Sekunden lang über diese Antwort nach, ohne zu einem konkreten Ergebnis zu kommen. Aber wenn sie tatsächlich das bedeutete, was ich vermutete, dann musste dieser Mann - oder die Organisation, für die er arbeitete - noch über wesentlich mehr Macht verfügen, als ich angenommen hatte.

»Wir sind da, John.« Bach stoppte den Elektrokarren, stieg aus und nahm die Aktentasche wieder an sich. Zögernd stieg auch ich aus. Wir hatten vor einer geschlossenen Metalltür angehalten, die sich äußerlich in nichts von den anderen unterschied, an denen wir vorübergekommen waren. Mit dem einzigen Unterschied, dass diese Tür von gleich zwei Soldaten flankiert wurde.

Bach schloss auf, trat in den dunklen Raum dahinter und schaltete das Licht ein. Erst dann folgte ich ihm. Mein Herz begann zu klopfen, und meine Nervosität explodierte regelrecht. Mit einem Male war ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich die Wahrheit überhaupt wissen wollte. Vielleicht hatte Simonson ja recht, und diese Geschichte war ein paar Nummern zu groß für mich.

Aber es war zu spät. Ich hatte meine Entscheidung getroffen, als ich Bach in den Aufzug gefolgt war. Jetzt war es zu spät, kehrtzumachen.

Im ersten Moment war ich fast enttäuscht. Nicht, dass ich etwas Bestimmtes erwartet hätte, aber nach all dem Fantastischen, das mir hier unten begegnet war, hatte ich wohl instinktiv mit einer weiteren Steigerung gerechnet. Der Raum jedoch, den ich betrat, hätte ebenso gut in jedem anderen x-beliebigen Gebäude der Stadt liegen können: ein normales Büro voller metallener Aktenschränke, Schreibtische und Regale, wie es sie wahrscheinlich zu Tausenden in Washington gab; abgesehen von dem fehlenden Fenster vielleicht.

Bach schloss die Tür hinter uns wieder ab, verstaute den Schlüssel sorgsam in seiner Tasche und deutete mit einer Kopfbewegung auf eine zweite Tür am anderen Ende des schmalen Zimmers. Der Raum dahinter erinnerte eher an einen Operationssaal als an ein Büro. Nein, verbesserte ich mich in Gedanken. Kein Operationssaaclass="underline" eine Leichenhalle. Ich hatte einen solchen Raum noch niemals zuvor gesehen, aber er entsprach so genau meinen Vorstellungen davon, dass er gar nichts anders sein konnte.

Er war nicht besonders groß und fensterlos, wie alle Räume hier unten, wurde aber von einer ganzen Batterie starker Scheinwerfer unter der Decke in schon fast wieder unangenehme Helligkeit getaucht. In einer Anzahl gläserner Vitrinen, die zwei der vier Wände einnahmen, reihten sich chirurgische Instrumente und zahllose, pedantisch beschriftete Fläschchen aneinander, und in der Mitte des Raumes stand ein großer, verchromter Tisch; ein Seziertisch.

»Also?« fragte ich. »Was ... tun wir hier?«

Bach stellte die Tasche mit der daran befestigten Kette und der halben Handschelle auf den Tisch. »Ich kann Sie gut verstehen, John«, begann er. »Ob Sie es glauben oder nicht, wir beide sind uns sehr ähnlich.« Er lächelte flüchtig, als er mein zweifelndes Stirnrunzeln bemerkte, und fuhr mit einem bekräftigenden Nicken fort: »Als ich in Ihrem Alter war, John, war ich genau wie Sie. Ehrgeizig. Voller Tatendrang. Ehrlich. Und bis zum Erbrechen patriotisch. Ich hätte ohne zu zögern mein Leben geopfert, wenn es zum Wohle meines Landes gewesen wäre ... nun ja, sagen wir: fast ohne zu zögern.«