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Während er sprach, öffnete er die Aktentasche und nahm einen braunen, unbeschrifteten Umschlag heraus.

»Und heute ist das nicht mehr so?« fragte ich.

Bach fuhr fort, als hätte er meine Frage gar nicht gehört. »Ich war damals auf einem kleinen Stützpunkt stationiert. Nichts Aufregendes. Oh, ich hielt es für aufregend. Immerhin waren dort ein halbes Dutzend Atombomben stationiert. Amerikas nuklearer Schutzschild gegen die Rote Gefahr. Aber in Wirklichkeit war es nur langweilig, und tief in mir wartete ich auf meine Chance. Die eine Gelegenheit, die jeder in seinem Leben einmal bekommt, auch wenn die meisten sie nicht einmal erkennen. Ich erhielt sie, John. Die Basis lag in der Nähe eines Kaffs, dessen Name damals niemand kannte, der mehr als zehn Meilen entfernt lebte. Sein Name war Roswell.«

Er zog ein halbes Dutzend großformatiger Schwarzweißfotos aus dem Umschlag und warf sie mit einer dramatischen Geste vor mir auf den Tisch.

Roswell.

Natürlich hatte ich von Roswell gehört. Jedermann hatte das. Ich war noch ein Kind gewesen, als dieser Name das erste Mal in den Schlagzeilen auftauchte, aber dieses Thema kehrte in regelmäßigen Abständen wieder, so wie die Legende von Bigfoot oder die Geschichten um das Ungeheuer von Loch Ness; und bisher hatte ich ihm auch das gleiche Maß an Glaubwürdigkeit zugebilligt. In Roswell sollte angeblich das Wrack einer fliegenden Untertasse gefunden worden sein. So weit ich wusste, hatte das, was die Presse und das Fernsehen im Allgemeinen den Roswell-Zwischenfall nannten, diese ganze UFO-Hysterie überhaupt erst ausgelöst.

Nur, dass es offensichtlich keine Hysterie war.

Die Fotos zeigten die stark beschädigten Überreste von etwas, das nicht von dieser Welt stammen konnte. Das Objekt (ich weigerte mich selbst jetzt noch in Gedanken, es Raumschiff zu nennen) hatte die Form einer Scheibe und musste etwa fünfzig Fuß Durchmesser haben. In seiner Mitte saß ein kuppelförmiger, klobiger Aufbau, wie der Turm eines Unterseebootes, und auf seiner Unterseite gab es eine Anzahl runder, symmetrisch angeordneter Öffnungen; vielleicht der Antrieb. Sehr viel mehr Einzelheiten waren auf dem Bild nicht zu erkennen. Es war nicht hundertprozentig scharf, und gut ein Drittel der Flugscheibe war bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Seine Trümmer waren in weitem Umkreis verteilt, und der Boden, auf dem sie lagen, zum größten Teil versengt.

»Aber ... aber in der Presse hieß es, es ... es wäre ein Wetterballon gewesen«, murmelte ich. Angesichts der Fotos, die ich in der Hand hielt, und die das Wrack aus verschiedenen Entfernungen und Aufnahmepositionen zeigten, kamen mir meine eigenen Worte fast komisch vor, aber ich musste es einfach sagen. Vielleicht, weil sie das Einzige waren, was mich in diesem Moment noch davon trennte, einfach hysterisch loszulachen.

»Die Presse.« Bach verzog flüchtig die Lippen. »Sie ist so leicht zu manipulieren. Wissen Sie, warum Sie niemals ein guter Journalist wären, John? Weil Sie sich für die Wahrheit interessieren. Ich meine: wirklich. Die Presse interessiert sich nicht für die Wahrheit. Sie will Schlagzeilen, sonst nichts.«

Er nahm einen zweiten, dickeren Umschlag aus seiner Tasche und zog ein weiteres Foto heraus. Es war noch unschärfer als die Roswell-Aufnahmen, zeigte aber trotzdem ohne Zweifel ein gleichartiges Objekt; nur dass dieses offensichtlich unbeschädigt war.

»Eastern Airlines«, sagte Bach. »Neunzehnhundertachtundvierzig.«

Ein weiteres Bild, noch unschärfer, das aber wieder das gleiche Motiv zeigte. »Diese Aufnahme stammt aus Montana, neunzehnhundertfünfzig. Utah, neunzehnhundertzweiundfünfzig. McMinnville, Baton Rouge, Fort Worth, Washington D.C.«

Er hätte die Aufzählung noch beliebig fortsetzen können. Dieser Umschlag enthielt mindestens hundert Fotos, und ich hatte das Gefühl, dass es nicht der Einzige war, der in Bachs Aktentasche wartete.

Die Bilder zeigten mehr oder weniger das gleiche Motiv: eine, manchmal mehrere fliegende Untertassen. Etliche dieser Fotos kannte ich aus dem Fernsehen oder von den Titelblättern einer ganz bestimmten Art von Zeitungen und Magazinen, aber nicht alle. Und obwohl ich fast zu schockiert war, um auch nur zu atmen, geschweige denn einen klaren Gedanken zu fassen, stach mir doch ein Umstand sofort ins Auge: längst nicht alle Fotografien waren so unscharf und verwackelt, wie man es von UFO-Abbildungen gewohnt war. Im Gegenteil. Einige waren gestochen scharf und zeigten Details, die nicht einmal auf den Roswell-Bildern zu erkennen waren. Diese Fotografien waren nie im Fernsehen und den Zeitungen aufgetaucht.

»Washington?« wiederholte ich.

»Wir haben das nicht gebaut«, sagte Bach, ohne direkt auf meine - ohnehin überflüssige - Frage zu reagieren. »Ich wünschte, wir könnten es, aber davon trennen uns Welten. Vielleicht Jahrhunderte.«

»Aber ... ich habe nirgendwo ... so etwas gefunden«, antwortete ich zögernd.

»Niemand wird etwas finden, wenn wir es ihm nicht gestatten«, antwortete Bach.

Immerhin hatte ich ihn gefunden, dachte ich. Aber dann sah ich in seine Augen und sparte es mir, eine entsprechende Bemerkung zu machen. Ich kannte die Antwort.

»Dann ist dieses ganze Projekt Blue Book nur eine Tarnung für Majestic«, sagte ich.

Statt zu antworten, lockerte Bach den Knoten seiner Krawatte, öffnete den obersten Hemdknopf und zog eine Kette hervor, die er darunter getragen hatte. An ihrem Ende hing ein großer, rechteckiger Anhänger.

»Hier, John«, sagte er. »Nehmen Sie. Sehen Sie es sich an.«

Zögernd griff ich nach der Kette. Was ich für ein Amulett gehalten hatte, war ein flaches Metallkästchen, das sich an einer Seite öffnen ließ, wie ein Sturmfeuerzeug. Darin befand sich ein zusammengefaltetes, silberweißes Tuch; vielleicht auch ein Blatt halb durchsichtiges Papier.

»Nehmen Sie es heraus«, sagte Bach.

Ich gehorchte. Kaum hatte ich das Blatt vollkommen herausgezogen, da geschah etwas ganz und gar Unfassbares: Es begann sich auf meiner Handfläche auseinander zu falten, als stünde es unter einer enormen inneren Spannung. Nach einigen Augenblicken lag ein dreieckig geformtes, halb transparentes ... Etwas auf meiner Hand, dessen Oberfläche nicht die geringste Unebenheit aufwies. Das Erstaunlichste aber war, dass ich absolut nichts fühlte. Weder Wärme noch Kälte oder das geringste Gewicht. Ungläubig ließ ich zuerst das leere Amulett sinken, dann auch die andere Hand.

Das Blatt machte die Bewegung nicht mit.

Es blieb, wo es war, schwerelos und leicht zitternd.

»Es stammt aus Roswell«, sagte Bach. »Ein Stück des fremden Schiffes.«

Er versetzte dem Blatt einen leichten Stoß mit der Fingerspitze, woraufhin es einen eleganten, schwerelosen Tanz in der Luft aufzuführen begann. Aber nur für einen Moment. Dann schloss er die linke Hand darum, knüllte es wieder zusammen und schob es sorgsam in den Anhänger zurück.

»Ich trage es immer bei mir«, sagte er, »damit ich mich in jeder Sekunde daran erinnere, mit wem wir es zu tun haben.«

»Und ... mit wem?« fragte ich.

Bach lächelte, schob den Anhänger und die Kette wieder unter sein Hemd und rückte sorgsam seine Krawatte zurecht. Danach wandte er sich wortlos um und trat an die gegenüberliegende Wand. Sie bestand zur Gänze aus mehreren Reihen übereinander angeordneter, großer Schubladen, wie man sie in jeder Leichenhalle anzutreffen erwartet. Erst als sich Bach an einer von ihnen zu schaffen machte, fiel mir doch ein Unterschied auf. Die Schubladen waren mit Kombinationsschlössern gesichert. Bach stellte die Kombination ein, zog die Schublade auf und sagte:

»Damit.«

Weißer Dunst und ein Schwall eisiger Kälte schlugen mir entgegen. Aber es war nicht nur die eiskalte Luft aus dem Kühlfach, die mich innerlich schier zu Eis erstarren ließ.

Es war das, was in der Schublade lag. Der Anblick des ... Dings, das in dem Kühlfach gelegen hatte.