Выбрать главу

»Ich dachte, sie hätte selbst so viel mit ihrer Arbeit für die Wohltätigkeitsorganisation zu tun?«

»Ja«, bestätigte ich. »Wenn ich einmal zu Hause bin, dann ist sie entweder unterwegs, um eine Tombola zu organisieren, ein Essen auszurichten oder ein Waisenhaus zu renovieren, oder sie steht die halbe Nacht in der Küche und backt zwei Dutzend Zwiebelkuchen.«

»Stimmt irgendetwas nicht zwischen euch?« fragte Marc geradeheraus.

»Nein«, antwortete ich. »Ich meine: Doch, es ist alles in Ordnung. Es ist nur ...«

»Die Wirklichkeit hat euch eingeholt«, sagte Marc.

Ich blieb stehen, starrte ihn an. »Wie meinst du das?«

»Mach mir nichts vor«, antwortete Marc. »Als ihr hierhergekommen seid, da habt ihr euch fest vorgenommen, die Welt aus den Angeln zu heben. Ihr wolltet große Taten vollbringen, alles verändern und vor allem alles besser machen, nicht wahr? Aber die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Viel Arbeit, wenig Geld und noch weniger Anerkennung. Und das mit dem Verändern der Welt klappt auch nicht so ganz.«

Ich atmete innerlich auf. Für einen kurzen Moment war ich davon überzeugt gewesen, dass er alles wusste. Offensichtlich begann ich allmählich eine ausgewachsene Paranoia zu entwickeln.

»Der große Katzenjammer«, fuhr Marc fort. »Das ist normal, weißt du? Das haben wir alle hinter uns. Meine Ehe wäre fast daran gescheitert.«

»Davon hast du mir nie etwas erzählt«, sagte ich.

»Es gibt Dinge, über die man nicht so gerne spricht«, antwortete Marc.

Wir gingen weiter, und unser Gespräch begann sich wieder alltäglichen Dingen zuzuwenden. Ich umklammerte das Blatt Papier in meiner Tasche so fest, dass es beinahe wehtat. Es war nur ein Stück Papier, aber ich hatte plötzlich das Gefühl, dass es glühend heiß geworden war - und dass jedermann sehen musste, was ich in der Tasche trug, so als hätte mir der Fremde einen leuchtenden Neonpfeil an den Mantel geheftet.

Mit einem Ruck zog ich die Hand wieder heraus und versuchte, den Gedanken an das Blatt Papier in meiner Manteltasche aus meinem Bewusstsein zu verdrängen, bis sich mir eine Gelegenheit bot, es unbeobachtet zu lesen.

Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Marc sprach weder über Pratt noch über meine Aufgabe oder Kimberley, aber er redete fast ununterbrochen, während wir aßen. Meine Mittagspause war fast zu Ende, als er endlich aufstand und sich für einen Moment entschuldigte, um zur Toilette zu gehen. Aufatmend griff ich in die Manteltasche.

Was ich herauszog, war kein Blatt, sondern ein schmaler, in der Mitte gefalteter Briefumschlag, der ein Flugticket zweiter Klasse nach Idaho enthielt. Ein einfacher Flug, nur hin.

Die Maschine ging in knapp dreißig Minuten.

»Die Farm liegt dort hinten, gleich hinter den Hügeln!« Bach musste schreien, um sich über das Motorengeräusch und das Dröhnen der Rotoren hinweg verständlich zu machen. »Passen Sie gut auf!«

Der Helikopter verlor weiter an Höhe und schien dabei noch schneller zu werden; eine optische Täuschung, die einfach dadurch zu Stande kam, dass wir dem Boden näher waren. Trotzdem begann mein Magen erneut zu revoltieren, und ich klammerte mich instinktiv an meinen Sitz. Ich habe nie an Flugangst gelitten, aber es besteht ein gehöriger Unterschied dazwischen, im Erste-Klasse-Abteil eines TWA-Fliegers zu sitzen und sich von der Stewardess einen Kaffee servieren zu lassen, und in einem Helikopter mit zweihundert Meilen pro Stunde so dicht über dem Boden entlangzurasen, dass der Luftzug der Rotoren Muster in die Maisfelder wühlte.

Der Helikopter fegte über eine Hügelkette, hinter der sich ein gewaltiges, von einer schmalen asphaltierten Straße in zwei asymmetrische Hälften geteiltes Maisfeld erstreckte. In Anbetracht des Umstandes, dass ich heute Morgen noch in dem beinahe winterlichen Washington gewesen war, kam mir der Anblick im ersten Moment fast absurd vor. Selbst ich vergaß manchmal noch, wie viele Meilen man im Zeitalter der Düsenjets in wenigen Stunden zurücklegen konnte.

Allerdings dachte ich wirklich nur im allerersten Moment daran.

Der Anblick war so erstaunlich, dass er mir wortwörtlich die Sprache verschlug. Bach hatte uns auf dem Weg hierher Fotos gezeigt, so dass ich eigentlich hätte vorbereitet sein müssen, aber die aus großer Höhe aufgenommenen Schwarzweißfotos kamen der Wirklichkeit nicht einmal nahe.

Jemand hatte ein Muster in das Maisfeld gemalt.

Es bestand aus zwei gewaltigen, jeweils sicherlich hundert Fuß oder mehr messenden Kreisen, die sich rechts und links der Asphaltstraße erstreckten und von einer geraden Linie verbunden wurden; breit genug, um mit einem Wagen darauf zu fahren und mindestens eine viertel Meile lang. Der größere der beiden Kreise war von einem gleichschenkeligen Dreieck umgeben, von dessen Spitzen lange, gewundene Linien ausgingen, und in seinem Zentrum befand sich ein asymmetrischer, trotzdem wahrscheinlich nicht willkürlich angelegter Fleck. Trotz der Höhe, in der wir über das Feld hinwegflogen, konnte ich erkennen, dass die Halme nicht willkürlich niedergetrampelt, sondern wie von einer ungeheuren Kraft im Uhrzeigersinn zu Boden gedrückt worden waren. Die Form erinnerte ein wenig an eine ägyptische Hieroglyphe, hatte zugleich aber etwas Fremdes und sonderbar Beunruhigendes.

»Ein Air-Force-Pilot hat es vor einer Woche entdeckt«, schrie Bach über das Heulen der Motoren hinweg.

»Aber was ist das?« brüllte einer der anderen. Bach mitgerechnet, waren wir insgesamt zu sechst. Die vier anderen hatten sich mir nur mit ihren Vornamen vorgestellt, aber ich war zu nervös gewesen, um sie mir zu merken. Außer dem Steels. Es war das dritte Mal, dass ich diesem dunkelhaarigen Burschen begegnete. Beim ersten Mal hatte er eine Air-Force-Uniform getragen. Bach hob die Schultern, und Steel schrie: »Vielleicht hat sich da jemand nur einen Scherz erlaubt. Studenten. Oder Kinder aus der Nachbarschaft, die dem Farmer eins auswischen wollten.«

»Der nächste Nachbar wohnt fünfzehn Meilen entfernt«, antwortete Bach kopfschüttelnd. »Und wenn es ein Studentenulk wäre, hätten sie dafür gesorgt, dass es publik wird. Bisher weiß offiziell niemand etwas davon.«

»Und der Farmer?«

Bach schüttelte den Kopf. »Er hat es niemandem gemeldet. Weder dem Sheriff noch den Zeitungen.«

»Wahrscheinlich hat er keine Lust, eine Schar Sensationsreporter anzulocken, die ihm auch noch den Rest seiner Ernte niedertrampeln!« sagte ich.

Bach sah mich nur wortlos an, aber Steel grinste und rief. »Hey! Unser Herr Möchtegern-Abgeordneter hat ja auch eine Meinung. Ein richtiger Schlaumeier.«

Ich blickte ihn finster an, aber ich hatte keine Lust, mich zu streiten, und schwieg. Irgendwann würde ich mit ihm abrechnen, aber nicht jetzt.

»Die Farm liegt fünf Meilen südlich von hier«, sagte Bach. »Der Farmer heißt Branden. Elliot P. Branden. Wir werden hinfliegen und ihn fragen, warum er niemandem etwas erzählt hat.«

Steel kommentierte Bachs Worte mit einem Grinsen, und ich sagte: »Dürfte ich einen Vorschlag machen, Sir?«

»Nur zu.«

»Vielleicht sollte erst einmal jemand allein mit Mister Brandon reden.« Ich warf einen kurzen, aber vielsagenden Blick in Steels Richtung und fügte hinzu: »Es könnte ihn erschrecken, wenn plötzlich eine kleine Armee auf seinem Hof auftaucht.«

»Sie haben Recht.« Bach wandte sich nach vorne, an den Piloten. »Fliegen Sie zurück nach Boisy. Und sagen Sie am Flughafen Bescheid, dass sie uns zwei Mietwagen besorgen sollen.« Er wandte sich wieder an mich. »Ziehen Sie ein bestimmtes Modell vor, John?«

Ich hatte damit gerechnet, sofort zur Brandon-Farm hinauszufahren, aber Bach hatte andere Pläne. Auf dem Flugfeld zwei Meilen außerhalb Boisys standen tatsächlich bereits zwei große Ford-Limousinen bereit, als der Helikopter dort landete, aber Bach dirigierte uns zuerst in die Gegenrichtung: ein kleines, unauffälliges Motel dicht vor der Stadtgrenze, in dem bereits vier nebeneinander liegende Zimmer angemietet worden waren.