»... das ich nicht ausschlagen konnte.« Walt zog eine Grimasse. »Er hat ziemlich überzeugende Methoden, seinen Willen durchzusetzen. Es gab noch ein, zwei andere aus dem Bergungstrupp von damals, die nicht länger schweigen wollten. Ihnen hat Bach auch ein Angebot gemacht, aber sie haben es abgelehnt.«
»Und?«
»Niemand hat jemals wieder von ihnen gehört.«
Ich starrte ihn an. »Du willst damit sagen ...«
»Ich will gar nichts sagen«, fiel mir Walt ins Wort. »Ich sage nur, dass ich mich entschieden habe, für Majestic zu arbeiten.« Er sah auf die Uhr. »Der Film muss gleich gewechselt werden. Holst du eine neue Rolle aus dem Lager?«
»Sicher.« Ich war enttäuscht, und ich machte keinen Hehl daraus. Walt hatte im Grunde nur ausgesprochen, was ich insgeheim schon lange argwöhnte, aber es war eben etwas ganz anderes, etwas zu vermuten, oder es zu wissen. Aber ich versuchte nicht, ihn weiter zu bedrängen. Vermutlich hatte er ohnehin schon mehr gesagt, als er eigentlich gewollt hatte. Ich verließ das Labor, ging ins Lager und holte eine neue Filmrolle; ein Unternehmen, das weitaus länger dauerte, als ich angenommen hatte. Majestic mochte eine der geheimnisvollsten und fantastischsten Organisationen sein, die es gab, aber selbst hier herrschte die Bürokratie: Ich musste ungefähr ein halbes Dutzend Formulare und Anträge ausfüllen, um eine neue Filmrolle zu bekommen, und es dauerte fast zwanzig Minuten, ehe ich wieder ins Labor zurückkam.
Zu lange für Walt. Er hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt, die Füße auf den Tisch gelegt und war eingeschlafen. Ich lächelte, legte die Filmrolle auf den Tisch ...
... und erstarrte mitten in der Bewegung.
»Walt.«
Walt schnarchte lautstark zur Antwort.
»Walt!« rief ich noch einmal. »Verdammt, wach auf!«
Walt öffnete blinzelnd die Augen, nahm die Füße vom Tisch und sah mich mit verschleiertem Blick an. »Was ... oh, ich bin wohl ...«
»Der Affe ist weg«, unterbrach ich ihn.
Walt starrte mich noch eine weitere halbe Sekunde lang völlig verständnislos an, aber dann wachte er schlagartig auf und sprang so hastig in die Höhe, dass sein Stuhl nach hinten flog und umkippte. Mit einem einzigen Satz war er neben mir und starrte die offen stehende Tür des Affenkäfigs an.
»Aber wie ... wie ist das möglich?« stammelte er. »Verdammt noch mal, wie lange habe ich geschlafen?!«
»Keine zehn Minuten«, antwortete ich. »Es sieht so aus, als ob ich dir zehn Dollar schulde.«
Walt fuhr sich nervös mit der Hand über das Gesicht. Wir standen beide vor der geschlossenen Glastür, aber das Licht im Labor war hell genug, um das kleine Zahlenschloss zu erkennen, das neben der Käfigtür lag.
»Hertzog muss vergessen haben, es zuzumachen«, sagte Walt nervös.
Das war eine Möglichkeit. Aber ich glaubte nicht daran.
»Wir müssen ihn wieder einfangen«, fuhr Walt fort. »Er muss noch dort drinnen sein.«
»Das mache ich«, sagte ich rasch. »Geh und sag Hertzog Bescheid.«
Walt zögerte. »Keine Sorge«, sagte ich. »Er kann nicht weit sein. Ich fange ihn ein, bevor du mit Hertzog zurück bist.«
Mein Blick glitt aufmerksam durch den Raum auf der anderen Seite der Glasscheibe. Das Labor war nicht besonders groß, aber so vollgestopft mit Schränken, Tischen und Geräten, dass sich ein ganzes Dutzend Schimpansen darin verstecken konnte. Ich war nicht begeistert von der Vorstellung, jetzt dort hineinzugehen und nach dem Tier zu suchen. Aber alles in mir schrie mir zu, mich zu beeilen, bevor es zu spät war. Zu spät für was? schoss es mir durch den Kopf. Mühsam drängte ich den Gedanken beiseite.
»Verschwinde schon«, herrschte ich Walt an. »Und mach die Tür hinter dir zu.«
Ich wartete, bis er den Raum verlassen und die Tür hinter sich zugezogen hatte, ehe ich das eigentliche Labor betrat. Ich war nervös, aber ich hatte keine Angst. Ganz gleich, was in ihm war, letzten Endes hatte ich es nur mit einem Affen von der Größe eines fünfjährigen Kindes zu tun.
Vorsichtig näherte ich mich dem Käfig, ging in die Hocke und hob das Schloss auf. Es war nicht aufgebrochen, sondern sorgsam geöffnet worden - und ich war verdammt sicher, dass Hertzog nicht vergessen hatte, es zu schließen.
Sein Experiment war wohl erfolgreicher gewesen, als er selbst angenommen hatte. Wie es aussah, schuldete ich Walt einen Zehner.
Der Gedanke jagte mir einen eisigen Schauer über den Rücken. Zweiunddreißig Stunden! Und er hatte dem Affen nur ein paar Zellen des Ganglions injiziert!
Langsam ließ ich das Zahlenschloss in die Jackentasche gleiten, stand auf ...
... und stürzte haltlos nach vorne, als etwas mit der Wucht eines Hammerschlages zwischen meine Schultern traf!
Irgendwie gelang es mir, meinen Sturz abzufangen, aber ich prellte mir dabei beide Handgelenke, und der Schmerz war so schlimm, dass ich laut aufschrie. Irgendetwas hing auf meinem Rücken. Kleine, aber unglaublich starke Hände hatten sich um meinen Hals geschlossen und versuchten mir die Luft abzuschnüren. Mühsam kam ich auf die Füße, griff mit beiden Händen hinter mich und spürte borstiges Fell.
Ich bekam keine Luft mehr. Der Affe war ungeheuer stark; viel kräftiger, als ich es bei einem Tier dieser Größe jemals für möglich gehalten hätte. Und er kämpfte ganz und gar nicht so, wie ich es von einem Tier erwartete. Statt auf mich einzuschlagen, mir das Gesicht zu zerkratzen oder mich zu beißen, klammerte er sich mit verbissener Wut an mich und drückte weiter auf meine Kehle. Meine Luft wurde allmählich knapp.
Die Vorstellung, vielleicht von einem kleinkindergroßen Schimpansen erwürgt zu werden, war so grotesk, dass ich im ersten Moment nicht einmal Angst verspürte. Ich griff erneut hinter mich, bekam irgendwie den Arm des Affen zu fassen und zerrte mit aller Kraft daran.
Er rührte sich nicht, aber der Druck auf meinem Kehlkopf nahm noch weiter zu. Ich hätte geschrien, hätte ich noch die Luft gehabt, die dazu nötig gewesen wäre. Verzweifelt bäumte ich mich auf, taumelte durch den Raum und prallte gegen ein Regal voller Flaschen und Gläser, die klirrend zerbrachen. Der Affe hing noch immer auf meinem Rücken. Er gab keinen Laut von sich.
Die Atemnot wurde allmählich unerträglich. Meine Lungen brannten wie Feuer, und vor meinen Augen begannen sich schwarze Nebelfetzen zu drehen. Ich stand kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. Hilflos taumelte ich durch das Labor, prallte gegen Schränke und Wände, riss die Kamera und andere Geräte um und zerrte verzweifelt weiter an den Armen des Schimpansen, ohne dass sich der Griff seiner winzigen Hände auch nur um einen Deut lockerte. Das Labor begann vor meinen Augen zu verschwimmen. Alles drehte sich um mich. Meine Lungen schienen explodieren zu wollen, und ich konnte spüren, wie die Kraft aus meinem Körper zu weichen begann. Noch ein paar Sekunden, und es war aus. Ich würde das Bewusstsein verlieren, und irgendetwas sagte mir, dass es der Schimpanse nicht dabei belassen würde. Er würde mich töten. Das Ding in ihm würde mich töten.
Mit letzter Kraft taumelte ich auf den Glasschrank zu, gegen den ich schon einmal geprallt war, drehte mich im letzten Moment herum und warf mich mit aller Gewalt nach hinten. Wieder splitterte Glas. Ich spürte einen brennenden Schmerz in der Schulter, und zum ersten Mal überhaupt gab der Affe einen Laut von sich: einen schrillen, fast menschlich klingenden Schmerzensschrei. Sein Griff lockerte sich. Ich rang keuchend nach Atem, warf mich ein zweites Mal und noch heftiger nach hinten und wurde mit dem erneuten Bersten von Glas und einem noch schrilleren Schmerzensschrei belohnt. Der Griff der Schimpansenhände lockerte sich noch mehr. Mit einer allerletzten, verzweifelten Anstrengung packte ich seinen linken Arm, riss das Tier von meinem Rücken und schleuderte es davon. Der Affe flog quer durch das Labor, prallte gegen die Wand und rutschte hilflos daran hinab. Aus seinem Rücken ragten ein halbes Dutzend scharfkantiger Glasscherben, und sein Fell war dunkel und nass von Blut.