Meine Kräfte versagten endgültig. Hilflos fiel ich zu Boden. Meine Kehle schmerzte unerträglich, und ich hatte immer noch entsetzliche Mühe, zu atmen. Ich verlor nicht das Bewusstsein, aber ich konnte nur noch verschwommen sehen, und ich war nicht in der Lage, mich nennenswert zu bewegen; geschweige denn, aufzustehen.
Der Schimpanse hatte weit weniger Schwierigkeiten. Jeder einzelne des guten Dutzends gläserner Dolche, die sich in seinen Rücken gebohrt hatten, hätte ausreichen müssen, um ihn umzubringen, aber er blieb nur einen Moment lang benommen liegen, ehe er sich wieder aufrichtete und mit pendelnden Armen näher kam. In seinen Augen stand etwas geschrieben, das selbst den Schleier aus beginnender Ohnmacht durchbrach, der sich über mein Bewusstsein legen wollte. Er würde es zu Ende bringen.
Ich versuchte aufzustehen, aber es ging nicht. Ich bekam noch immer kaum genug Luft, um bei Bewusstsein zu bleiben. Hilflos tastete ich über den Boden, bekam eine gezackte Glasscherbe zu fassen und schloss die Finger darum, obwohl ich mir die Handfläche dabei zerschnitt.
Der Schimpanse blieb stehen. Sein Blick glitt über die Glasscherbe in meiner Hand, dann über mein Gesicht, und dann wieder über meine improvisierte Waffe, als versuche er, meine Chancen einzuschätzen, ihm damit ernsthaften Schaden zuzufügen.
Der Gedanke kam mir selbst beinahe absurd vor. Nach dem, was dieses Tier bereits überstanden hatte, war ich nicht einmal sicher, ob ich ihm mit einem Maschinengewehr ernsthaften Schaden zufügen konnte.
Trotzdem griff er nicht abermals an, sondern zog sich ein kleines Stück weit zurück, sah sich aufmerksam um - und begann dann mit geschickten Bewegungen zur Decke hinaufzuklettern.
Im allerersten Moment begriff ich nicht, was er tat. Aber es wurde mir sehr schnell klar.
Unter der Decke des Labors zog sich ein ganzes Gewirr von Rohrleitungen und Kabeln dahin. Der Schimpanse schwang sich auf eines dieser Rohre, packte ein anderes mit beiden Händen und begann mit der gleichen, unheimlichen Kraft daran zu zerren, die ich gerade am eigenen Leib gespürt hatte.
Das Rohr war gute zwei Zoll dick und mit massiven Schrauben befestigt, aber es hielt dem wütenden Zerren des Schimpansen trotzdem nur wenige Augenblicke stand. Drei, vier kräftige Rucke, und der Affe hielt eine meterlange, eiserne Keule in der Hand.
Ich versuchte erneut aufzustehen und fiel auch diesmal kraftlos zurück. Ich konnte immer noch nicht richtig atmen. Die Todesangst hätte eigentlich meine letzten Kraftreserven mobilisieren müssen, aber sie tat es nicht. Im Gegenteil. Selbst die Glasscherbe in meiner Hand schien plötzlich Zentner zu wiegen.
Der Schimpanse blickte kalt auf mich herab. Sein Gesicht und seine Haltung blieben die eines Tieres, aber in seinen Augen stand eine boshafte, berechnende Intelligenz, die nicht tierisch war. Aber auch nicht menschlich, sondern ... fremd.
Die Augen, die auf mich herabsahen, stammten nicht von dieser Welt. Ihr Blick war so anders, dass ich nicht einmal zu erahnen vermochte, welche Art von Bewusstsein sich dahinter verbarg, doch was ich um so deutlicher spürte, das war der unbändige, gnadenlose Hass, der in diesem Bewusstsein lauerte; ein Hass, der keinen Grund brauchte und durch nichts zu besänftigen war. Und plötzlich wusste ich mit vollkommener Sicherheit, dass Bach in einem Punkt Recht hatte: Diese Geschöpfe und wir würden niemals gemeinsam auf dieser Welt leben können. Sie oder wir. So einfach war das.
Der Schimpanse hob das Metallrohr, als hätte er meine Gedanken gelesen und wolle mir zur Bestätigung zuwinken. Ich sah, wie sich seine Muskeln zum Sprung spannten und versuchte den Punkt abzuschätzen, an dem er aufkommen würde. Ich hatte eine winzige Chance. Meine Glasscherbe war seinem Rohr nicht ebenbürtig, ebenso wenig wie meine Muskelkraft der seinen, aber ich würde nicht kampflos aufgeben.
Die Tür flog auf. Walt stürmte herein, sah mich am Boden liegen und zog in einer instinktiven Bewegung seine Waffe, und der Schimpanse auf den Rohrleitungen unter der Decke drehte sich blitzschnell herum und sprang.
»Walt! Pass auf!«
Meine Warnung kam zu spät. Der Schimpanse landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Aktenschrank neben der Tür und schwang seine Rohrkeule. Walt registrierte die Bewegung im letzten Augenblick und versuchte zurückzuweichen. Er entging dem Hieb nicht, aber das Rohr streifte nur seine Schläfe, statt ihm den Schädel zu zertrümmern. Trotzdem taumelte er zurück, ließ seine Waffe fallen und stürzte benommen zu Boden.
Der Schimpanse sprang mit einem kraftvollen Satz vom Aktenschrank herunter. Aus seinem Rücken lösten sich zwei Glasscherben, und der Blutstrom, der sein Fell tränkte, wurde breiter. Trotzdem verloren seine Bewegungen nichts von ihrer Kraft und Schnelligkeit. Er huschte auf Walt zu, blieb plötzlich wieder stehen und ließ dann das Rohr fallen. Stattdessen hob er Walts Pistole auf.
»Nein«, murmelte ich. »Nicht! Walt! Pass auf!«
Walt war vermutlich bewusstlos oder zu benommen, um meine Worte zu hören, aber der Affe reagierte darauf. Langsam drehte er den Kopf und sah zu mir zurück. In seinen Augen loderte blanker Hass, aber auch fast so etwas wie Triumph - und ein düsteres Versprechen.
Walt regte sich stöhnend. Mit unsicheren Bewegungen stemmte er sich auf die Ellbogen hoch, hob die linke Hand an den Kopf und verzog das Gesicht. Aus einer Platzwunde an seiner Schläfe floss Blut, aber sie sah vermutlich schlimmer aus, als sie war.
»Verschwinde!« rief ich. »Verdammt noch mal, Walt, hau ab! Hol Hilfe!«
Meine Kraft kehrte allmählich zurück. Irgendwie gelang es mir, mich in die Höhe zu stemmen, und auch Walt überwand seine Benommenheit und stand auf. Seine Augen wurden rund vor Staunen, als er die Waffe sah, die der Schimpanse in den Händen hielt.
»Was -?!«
Der Schimpanse hob die Pistole. Sein Blick glitt zwischen Walt und mir hin und her, als überlege er, wer von uns der gefährlichere Gegner war. Dann hob er ganz langsam die Pistole, zielte auf Walt und zog mit dem Daumen den Hahn zurück.
Walt machte einen Schritt nach hinten. Aus dem Ausdruck vollkommenen Unverstehens auf seinem Gesicht wurde Schrecken, dann pures Entsetzen.
»Nein«, keuchte ich. »Nein!«
Der Affe drückte ab. Die Pistole entlud sich mit einem Knall, der in der Enge des Raumes wie ein Kanonenschlag widerhallte und die Fensterscheibe zum Klirren brachte. Walt wurde in die Höhe und zurückgeschleudert, prallte gegen die Tür und sprengte sie auf, während er leblos daran hinunterrutschte. Gleichzeitig wirbelte der Affe mit einer unglaublich schnellen Bewegung herum und legte auf mich an. Er schoss, ohne zu zögern.
Wäre ich nicht noch immer halb benommen gewesen, hätte er mich zweifellos getroffen.
Als er auf Walt abdrückte, hatte ich dazu angesetzt, mich auf ihn zu stürzen. Aber meine Knie waren immer noch weich; ich stolperte, wäre um ein Haar wieder gestürzt und entging durch mein ungeschicktes Taumeln der Kugel, die an mir vorüberpfiff und in die Wand einschlug.
Er kam nicht dazu, noch einmal abzudrücken. Draußen auf dem Flur begann eine Alarmsirene zu heulen, und praktisch im gleichen Moment hörte ich aufgeregte Stimmen und das Geräusch rennender Schritte, die schnell näher kamen. Der Schimpanse verlor schlagartig das Interesse an mir, fuhr herum und war mit einem Satz draußen auf dem Flur. Nicht einmal zwei Sekunden, nachdem er verschwunden war, stürmten zwei bewaffnete Soldaten an der Tür vorbei. Schüsse peitschten.
Hastig kniete ich neben Walt nieder. »Walt! Was ist passiert! Wo hat er dich erwischt, verdammt!«
Walt stöhnte. Draußen auf dem Gang peitschten wieder Schüsse, und dann hörte ich das schmerzerfüllte Kreischen des Affen. Sie hatten ihn erwischt. Gut.
»Er ... hat mich erwischt«, stöhnte Walt. »Dieses verdammte kleine Mistvieh ... hat mich erwischt!«
»Red keinen Unsinn«, antwortete ich. »Du kommst wieder auf die Beine.«
Wir wussten beide, dass das nicht stimmte. Die Kugel hatte Walt dicht unterhalb des Herzens getroffen. Es war ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte. »Doktor Hertzog!« schrie ich. »Doktor! Schnell!«