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Walts Finger krallten sich so fest in meinen Arm, dass mir der Schmerz die Tränen in die Augen trieb. »Sag ... niemandem ... wie es ... passiert ... ist«, flüsterte er. »Sie sollen nicht ... erfahren, dass ich ... von einem beschissenen ... Affen ... erledigt worden bin.«

»Red keinen Quatsch!« antwortete ich. »Er hat dich nicht erledigt. Der Doc ist in ein paar Sekunden hier.«

Ich sprach bereits mit einem Toten. Walts Blick war weiter auf mich gerichtet, aber in seinen Augen war kein Leben mehr.

»Ich verspreche es, Walt«, sagte ich leise. »Niemand wird es erfahren.«

Behutsam ließ ich seinen leblosen Körper wieder zu Boden gleiten, stand auf und trat auf den Flur hinaus. Walts Mörder hatte sein Opfer nicht lange überlebt. Vier oder fünf Soldaten standen nur wenige Schritte entfernt um den reglosen Körper des Schimpansen herum. Der Geruch von Pulverdampf und Blut lag in der Luft, und unter dem kleinen Körper bildete sich allmählich eine dunkelrote Lache. Trotzdem hielten die Soldaten einen respektvollen Abstand. Einer der Männer berührte den Kadaver vorsichtig mit dem Gewehrlauf und sprang dann hastig einen Schritt zurück, als hätte er Angst, dass das Tier selbst im Tode noch gefährlich sein könnte. Eine Angst, die nicht ganz unberechtigt war.

»Rührt ihn nicht an! Ich brauche den Körper unversehrt!«

Ich blieb stehen und sah zurück. Doktor Hertzog, Bach und ein weiteres halbes Dutzend Soldaten kamen im Sturmschritt herbeigeeilt. Hertzog wedelte aufgeregt mit beiden Armen. »Nicht anfassen!« brüllte er immer wieder.

Ich hatte nicht vor, den Affen anzufassen. Langsam ging ich weiter, blieb dicht vor dem reglosen Kadaver stehen und sah auf ihn herab. In dem zerfetzten Bündel vor mir war kein Leben mehr. Er musste von mindestens vier oder fünf Kugeln getroffen worden sein. Trotzdem.

Ich bückte mich, griff nach Walts Pistole, die in der immer noch größer werdenden Blutlache neben dem Schimpansen lag, und setzte den Lauf auf seinen Hinterkopf.

»Loengard!« brüllte Hertzog. »Sind Sie wahnsinnig! Haltet ihn auf!«

Keiner der Männer in meiner unmittelbaren Nähe rührte sich, als ich das gesamte Magazin in den Schädel des toten Affen hineinfeuerte.

»Loengard! Sie ... Sie Wahnsinniger! Was haben Sie getan?!« Hertzog kam schwer atmend auf uns zu und sah mit einer Mischung aus Entsetzen und Unglauben auf das herab, was von dem Schimpansen übrig geblieben war. »Sie ... Sie Idiot! Ich hätte seinen Körper gebraucht! Wissen Sie überhaupt, was Sie da zerstört haben?!«

Ich ließ die leer geschossene Pistole fallen, richtete mich auf und sah in Bachs Gesicht. Seine Miene war ausdruckslos und versteinert wie immer, aber auch er hielt eine Waffe in der rechten Hand, und sein Atem ging schwer.

»Er hat Walt umgebracht!« sagte ich.

Hertzog blinzelte. »Er hat ... was?«

»Der Affe.« Das Ding in ihm. »Er hat Walt erschossen.«

Hertzog wollte etwas sagen, aber Bach brachte ihn mit einer schnellen Bewegung zum Schweigen. »Sind Sie verletzt?« fragte er.

Ich hob zwar die Hand an meinen schmerzenden Hals, schüttelte aber den Kopf. »Ein Kratzer.«

»Gut«, sagte Bach. »Dann machen Sie sich sauber, und dann gehen Sie nach Hause. Wir reden morgen über alles.«

»Moment!« sagte Hertzog. »Ich muss wissen, was passiert ist! Wie konnte das Tier ...«

»Ich sagte: morgen, Doktor«, unterbrach ihn Bach. Er sah ihn nicht einmal an. »Gehen Sie jetzt nach Hause, John.«

Mitternacht war vorbei. Aus dem Lautsprecher des Plattenspielers plärrten die ersten Takte von Bobby Darrins neuestem Hit »Mack, the Knife«, aber ich hörte es kaum, obwohl die Platte zum fünften oder sechsten Mal lief. Vielleicht auch zum fünfzigsten Mal. Ich wusste es nicht; ebenso wenig, wie ich wusste, wie oft ich die Teile des Puzzlespiels, die vor mir auf dem Tisch lagen, schon durcheinandergemischt und neu sortiert hatte. Ich war in einem Zustand zwischen Betrunkensein und Betäubung, aber es war keine angenehme Betäubung. Ich hatte gewusst, dass der Alkohol mir nicht helfen würde, schon bevor ich die Flasche aus dem Schrank nahm und mir das erste Glas einschenkte. Er machte es nur schlimmer. Meine Hände zitterten sichtbar, und ich vermutete, dass ich schon nicht mehr in der Lage sein würde, ohne Schwierigkeiten zu sprechen.

Allerdings gab es niemanden, mit dem ich hätte reden können. Kim war nicht zu Hause gewesen, als ich das Apartment betrat, und sie war auch nicht gekommen, während ich duschte und mich umzog. Ich hatte mir eingeredet, darüber erleichtert zu sein, denn so musste ich ihr wenigstens nicht erklären, woher der hässliche Kratzer an meinem Hals stammte oder das Blut auf meiner Jacke und meinem Hemd, die nun zusammengerollt ganz unten in der Mülltonne in der Küche lagen. Aber das stimmte nicht. Die Flasche Jack Daniels auf dem Tisch vor mir war halb leer und ich war mehr als halb betrunken, aber jede Sekunde, die verging, machte es schlimmer. Ich hatte Angst vor dem Moment, in dem Kimberley nach Hause kam, und trotzdem wünschte ich mir nichts mehr.

Ich legte das Puzzleteil an seinen Platz. Es passte nicht, so dass ich mit Gewalt nachzuhelfen versuchte. Als Ergebnis bekam es einen hässlichen Knick.

Ein weiteres Opfer, dachte ich. Unwichtig. Nur ein winziges Teil in einem gewaltigen Bild, dessen Schicksal keine Rolle spielte; so, wie auch Walt nur ein unwichtiges Puzzleteil gewesen war. So wie ich. Wir alle waren unwichtig. Austausch- und ersetzbar, ohne dass es irgendjemandem auch nur auffallen würde.

Ich versuchte den Gedanken zu vertreiben, der wohl weniger aus mir selbst als vielmehr aus der halb leeren Flasche neben mir stammte, aber es gelang mir nicht. Dabei war ein Teil meines Bewusstseins durchaus klar genug geblieben, um mich meinen Zustand deutlich analysieren wie verstehen zu lassen. Ich befand mich in der Lage eines Soldaten nach der Schlacht; der zweiten binnen weniger Tage. Aber anders als auf Brandons Feld in Boisy hatten diesmal beide Seiten Verluste davongetragen. Trotz allem, trotz Pratt, trotz Bach und all der erstaunlichen und unglaublichen Dinge, die ich erlebt und gesehen hatte, war der Kampf gegen die außerirdischen Invasoren für mich bisher nichts als ein großes, spannendes Abenteuer gewesen.

Aber das Spiel war vorbei. Walts Blut hatte das Gefühl der Unverwundbarkeit, in dem ich mich tief in mir drinnen noch immer gewähnt hatte, ein für alle Mal zerstört. Aus dem Spiel war tödlicher Ernst geworden.

Ich hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, aber ich sah nicht einmal auf, sondern griff mit zitternden Händen nach dem Glas und trank einen weiteren Schluck. Ich hatte Kimberleys Rückkehr herbeigesehnt wie nichts anderes auf der Welt, aber plötzlich hatte ich fast panische Angst davor, ihr in die Augen zu sehen.

Ihre Schritte kamen näher. Sie betrat das Wohnzimmer, ging zum Plattenspieler und schaltete ihn aus. Die Stille, die für ein paar Sekunden einkehrte, hatte etwas Erstickendes. »Hallo«, sagte ich leise.

Kim drehte sich herum und sah mich wortlos an. Sie wirkte ... zornig. Auf eine Art, die ich mir nicht erklären konnte. Sie trug noch ihren Mantel, an dessen Revers die in Plastik eingeschweißte Zugangskarte des Weißen Hauses prangte. Sie vergaß oft, sie abzunehmen, und natürlich vergaß sie es ganz absichtlich. Sie war so stolz auf ihre neue Position, dass sie es am liebsten in die ganze Welt hinausgeschrien hätte.

Ich konnte ihr nicht sagen, wem sie dieses unscheinbare weiße Stück Papier wirklich verdankte.

»Seit wann trinkst du?« fragte sie mit einer Kopfbewegung auf die Flasche.

Noch bevor ich antwortete, spürte ich, dass das Gespräch in eine Richtung gehen würde, die wir beide nicht wollten. Die Dinge hatten begonnen, sich selbständig zu machen. Sie bestimmten, was ich tat, nicht umgekehrt.