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»Seit ich bis Mitternacht darauf warten muss, dass du nach Hause kommst«, antwortete ich. »Im Fernsehen lief nichts Interessantes.«

Warum sagte ich das? Warum, zum Teufel, konnte ich ihr nicht einfach die Wahrheit sagen?

»Ich war im Capitol«, antwortete Kim, ohne meine Spitze zur Kenntnis zu nehmen. »Du hast ein neues Büro?«

»Wir machen eben beide Karriere«, antwortete ich.

»Ich habe Pratt getroffen«, sagte Kimberley. »Du hattest Recht. Er ist ein unangenehmer Mensch. Hattest du wichtige Papiere in deinem Schreibtisch?«

»Keine Ahnung«, antwortete ich. »Ich habe ihn erst heute Morgen bekommen. Es war ein ereignisreicher Tag.« Ich trank einen weiteren Schluck, nahm ein neues Puzzlestück und bekam es ebenso wenig an seinen Platz wie das erste. »Ich glaube, man muss mit den Randstücken anfangen«, sagte ich. »Mit den Teilen mit einer geraden Kante, und sich dann nach innen vorarbeiten.«

Kim schwieg zehn endlose, schwere Sekunden lang. Der Zorn in ihrem Blick erlosch und machte etwas Platz, das schlimmer war: einer Mischung aus Trauer und Schmerz, die tausendmal schlimmer war, als hätte sie mir Vorwürfe gemacht. Dann sagte sie: »Weißt du, was ich an dir am meisten geliebt habe, John? Dass wir immer über alles reden konnten. Wir hatten niemals Geheimnisse voreinander. Ich ... ich dachte, du wärst mein bester Freund.«

Ich antwortete nicht. Alles in mir schrie danach, aufzustehen und sie in die Arme zu schließen, aber ich konnte es nicht.

»Warum hast du mich belogen, John?«

»Wovon redest du?« fragte ich.

»Ich habe mit Pratt gesprochen«, antwortete Kimberley.

»Er war gerade dabei, deinen Schreibtisch zu durchwühlen.«

»Das passt zu ihm.«

»So, wie es zu ihm passt, dich wegzuschicken, damit du seine schmutzige Wäsche wäschst?« Kimberley schüttelte den Kopf. »Es gibt keine Frau, John. Da war keine Sache, die du für ihn in Ordnung bringen musstest, nicht wahr?«

»Hat er das gesagt?«

»Er hat mir gesagt, dass dein Onkel gestorben ist«, antwortete Kimberley leise. »Welcher Onkel, John?«

Ich schwieg auch dazu. Und ich hasste mich dafür.

»Warum tust du mir das an, John?« fuhr Kimberley traurig fort. »Wir waren immer ehrlich zueinander. Wir haben immer über alles gesprochen. Willst du ...« Sie atmete hörbar ein. Ich sah, dass sie nur noch mit Mühe die Tränen zurückhielt. »Willst du mich für irgenderwas bestrafen?«

»Kim, bitte! Ich ...«

»Ist es, weil ich dich noch nicht heiraten will?« fragte sie. »Was ist dein Geheimnis, John? Ich weiß, dass es keine andere Frau ist. Ich hätte es geglaubt, aber ich habe dein Büro gesehen und den Ausdruck in Pratts Augen. Er hasst dich.«

»Pratt hasst jedermann«, sagte ich.

»Aber er hat auch Angst vor dir«, sagte Kimberley ruhig. »Was hast du getan, John?«

»Ich kann es dir nicht erklären, Kim«, flüsterte ich. »Ich will es ja, aber die Dinge sind so ... kompliziert.«

»Dann erkläre sie mir«, antwortete Kimberley. »Jetzt. Hier. Oder ...«

»Oder?«

Kimberley atmete hörbar ein. Es klang wie ein kleiner Schrei. »Morgen könnte es zu spät sein, John.«

»Ich kann es nicht sagen, Kim«, murmelte ich. »Ich kann nicht.«

»Ist das deine Antwort?« Kim presste die Lippen zu einem schmalen, blutleeren Strich zusammen. Ihre Augen glänzten feucht. »Ich liebe dich, John. Ganz egal, was du getan hast. Warum kannst du mir nicht vertrauen?«

Ich wollte es. Gott weiß, wie sehr ich es wollte. Aber ich konnte es nicht. Ganz egal, was ich auch getan hatte oder noch tun würde, ich hatte nicht das Recht, sie noch tiefer in die Geschichte hineinzuziehen, als ich es schon getan hatte. Ich schwieg. Kimberley sah mich weitere zwei oder drei Herzschläge lang an, dann drehte sie sich herum und ging langsam und ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer.

Ich weiß nicht, wie lange ich dasaß und ins Leere starrte. Vielleicht zehn Minuten, vielleicht eine Stunde. Vielleicht auch nur einen Augenblick. Schließlich griff ich wieder nach dem Glas, schenkte es randvoll und setzte es an. Doch ich wollte es nicht trinken. Plötzlich widerte es mich an.

Ich sprang auf, schleuderte das Glas zu Boden und beförderte den Tisch mit einem Fußtritt hinterher. Das Puzzle explodierte in einer Wolke aus wirbelnder Bewegung und durcheinander fliegenden Teilen, die wie bunter Schnee überall im Zimmer niederregneten.

Als ich aus dem Haus stürmte, bemerkte ich eine Sternschnuppe, die eine weiße Narbe in den Nachthimmel über Washington brannte. Es kam mir so vor wie ein böses Omen.

Woher hätte ich wissen sollen, dass es noch viel mehr war?

Rings um den großen Tisch im Konferenzraum von Majestic hatte sich eine illustre Gesellschaft eingefunden. Nicht alle davon waren damals schon die, als die sie die Weltöffentlichkeit später kennen lernen sollte, aber mit Ausnahme Doktor Hertzogs und mir selbst schien es niemanden hier drinnen zu geben, der nicht mindestens ein öffentliches Amt bekleidete. Ich kannte nicht jeden hier drinnen persönlich, aber es waren mehrere Vier-Sterne-Generäle darunter, drei oder vier Senatoren und einige Gesichter, die schon auf dem einen oder anderen Wahlplakat zu sehen gewesen waren.

»Was um alles in der Welt tue ich hier?« fragte ich; wohlweislich im Hüsterton, und fast, ohne die Lippen zu bewegen. Meine Arbeit im Capitol brachte es mit sich, dass ich die Nähe prominenter Persönlichkeiten gewohnt war. Trotzdem konnte ich einen Schauer der Ehrfurcht nicht ganz unterdrücken, angesichts der geballten Macht, die in diesem Raum zusammengekommen war.

Hertzog antwortete auf die gleiche Weise, aber in leicht amüsiertem Ton: »Was wollen Sie, John? Seit gestern Nacht sind Sie ein berühmter Mann. Immerhin haben Sie als einer von sehr Wenigen einen direkten Kampf mit einem Außerirdischen überlebt.«

»Trotzdem.« Ich schüttelte den Kopf. »Was ist hier los? Mein Gott: Nelson Rockefeller! Senator Humphrey! Henry Kissinger! General Brown! Wo ist Präsident Kennedy?«

»Nicht zu vergessen Captain Frank Bach«, fügte Hertzog mit einem dünnen Lächeln hinzu, womit er meine letzte Frage - ich war sicher, absichtlich - überging. »Kommen Sie, John.«

Ich folgte ihm zum anderen Ende des Raumes, wo ein supermoderner 16-mm-Projektor aufgebaut war. Hertzogs Lächeln wurde ein wenig breiter, als er meinen überraschten Blick registrierte.

»Sie sind seit gestern Abend ein Filmstar«, sagte er. »Ich fürchte nur, dass die Honorarzahlungen nicht besonders hoch ausfallen werden.«

Ich blieb ernst. Ich hatte in der vergangenen Nacht kein Auge zugetan und war nicht in der Stimmung, zu scherzen. Das verbot schon allein die Versammlung illustrer Namen hinter uns. Bach hatte diese Konferenz nicht einberufen, um einen Kaffeeklatsch abzuhalten.

»Was ist passiert?« fragte ich.

Hertzog zuckte mit den Schultern und sah demonstrativ in die andere Richtung, antwortete aber trotzdem: »Ich glaube, es gab eine neue Sichtung. Diesmal direkt über Washington. Vergangene Nacht.«

»Diese Nacht?« wiederholte ich überrascht und wohl auch ein wenig zu laut, denn einige Gesichter am Tisch wandten sich stirnrunzelnd in meine Richtung. Hertzogs Grinsen wurde eindeutig schadenfroh.

»Sie haben es gesehen?«

»Ich habe ... eine Sternschnuppe gesehen«, antwortete ich zögernd. »Jedenfalls dachte ich, es wäre eine Sternschnuppe.«

»Ja, ja, das denken alle«, sagte Hertzog. »Und das sollen sie auch. Still jetzt. Da kommt Bach.«

Bach betrat den Konferenzraum. Anders als bei den meisten Gelegenheiten, zu denen wir uns begegnet waren, trug er keinen unauffälligen Straßenanzug, sondern seine Air-Force-Uniform mit den Insignien eines Captains, und selbst auf seinem Gesicht glaubte ich Anzeichen einer leichten Anspannung zu erkennen. Irgendetwas war passiert.

»Meine Herren.« Bach nickte flüchtig in die Runde. »Herzlichen Dank, dass Sie alle so schnell und unkompliziert gekommen sind. Ich will Ihre Zeit auch gar nicht über Gebühr in Anspruch nehmen und gleich beginnen.«