Hertzog räusperte sich lautstark. »Ich muss noch einmal darauf hinweisen, dass nichts von dem, was wir hier besprechen, in irgendeiner Form bewiesen ist. Es ist nur eine Theorie.«
»Aber eine äußerst beunruhigende«, sagte Rockefeller. »Ich finde einen Gegner wie diese Grauen schlimm genug. Aber den kann ich wenigstens erkennen, wenn er mir gegenübersteht. Aber diese Dinger ...«
»Wir könnten niemandem mehr trauen«, fügte General Brown düster hinzu. Er warf einen langen, nachdenklichen Blick in die Runde. »Nicht einmal mehr uns selbst.«
»Es ist vielleicht nicht ganz so schlimm«, sagte Bach. »Doc?«
Hertzog schaltete das Licht aus und startete den Projektor. Auf der Leinwand erschien das Abbild einer jungen Frau. Sie war einfach, um nicht zu sagen, ärmlich gekleidet, hatte einen altmodischen Haarschnitt und kam mir auf vage Weise bekannt vor. Das Zimmer, in dem sie sich befand, war so schäbig, dass es sich nur auf einer Polizeiwache befinden konnte. Drei oder vier Männer umgaben die junge Frau, aber sie waren nur als Umrisse zu erkennen; der grelle Scheinwerfer, der auf das Gesicht der jungen Frau gerichtet war, blendete sie nicht nur, sondern ließ die Dunkelheit im Rest des Zimmers auch noch tiefer erscheinen. Was wir sahen, war eine Verhörszene.
Ich warf Hertzog einen fragenden Blick zu, aber er deutete nur ein Achselzucken an und wich meinem Blick aus.
Trotzdem hatte ich das sichere Gefühl, dass ihm die Szene unangenehm war. Wieso?
»Die junge Dame, die Sie dort sehen«, begann Bach, »ist Elisabeth Brandon. Die Schwester des Farmers, der Agent Loengard angegriffen hat.«
Ich war überrascht. Deshalb also war mir ihr Gesicht so bekannt vorgekommen. Die Ähnlichkeit war wirklich verblüffend. Was aber ganz und gar nicht passte, das war ihre Art, zu reden. Wir wurden Zeuge eines Verhörs, das offensichtlich mit einer versteckten Kamera aufgenommen worden war. Aber Elisabeth Brandon sprach nicht wie eine Farmersfrau vom Lande. Sie war aggressiv, zum Teil sogar unflätig, und ihre Wortwahl schwankte zwischen primitiv bis zur geschliffenen Rhetorik.
»Das Verhör dauerte beinahe fünf Stunden«, erklärte Bach, während er Hertzog einen Wink gab, den Ton des Projektors ein wenig zu dämpfen. »Ich erspare es Ihnen, es sich ganz anzuhören, obwohl ich Ihnen versichern kann, dass es sich lohnen würde. Aber ich denke, Sie haben bereits bemerkt, dass die charakterlichen Veränderungen ... ziemlich deutlich sind.«
»Soll das heißen, dass diese Frau ebenfalls ... besessen ist?« fragte eine erschrockene Stimme. Ich glaube, sie gehörte Johnson.
»Nicht nur sie«, bestätigte Bach. »Wir haben im Umfeld dieses Farmers insgesamt vier Personen identifiziert, die von Ganglions infiziert waren. Uns liegen noch nicht genug Erfahrungswerte vor, um konkrete Aussagen zu treffen, aber ich bin sicher, dass wir eine Art ... sagen wir: Verhaltensmuster aufstellen können. Die Betroffenen beginnen sich charakterlich zu verändern. Sie werden aggressiv, und sie beginnen vor allem, das Interesse an sich und ihrer unmittelbaren Umgebung zu verlieren. Sie werden schlampig, legen keinen Wert mehr auf Sauberkeit und Ordnung und verhalten sich eindeutig cholerisch.«
»Im Gegenzug«, fügte Hertzog hinzu, »scheint es jedoch eine fast sprunghafte Steigerung der intellektuellen Fähigkeiten zu geben. Wenn Sie dem Verhör gefolgt sind, wird Ihnen aufgefallen sein, dass diese junge Frau über Dinge redet, die man bei einem Bauerntrampel aus Idaho niemals erwartet hätte. Sie war hochintelligent.«
»War?« fragte Kissinger.
Hertzog schwieg einen Sekundenbruchteil zu lange, um diesem Zögern keine Bedeutung zu geben. »Sie starb bei dem Versuch, den Parasiten chirurgisch zu entfernen«, sagte er.
»Wie alle anderen übrigens auch«, fügte Bach hinzu; in einem Ton, als spräche er über das Wetter oder die neusten Football-Ergebnisse.
»Das heißt, es gibt für die Betroffenen keine Überlebenschance«, sagte eine Stimme aus der Dunkelheit heraus. Ich erkannte sie nicht.
Bach sagte einfach: »Nein«, aber Hertzog antwortete: »Möglicherweise doch. Wir haben mit einer Substanz experimentiert, auf die die Ganglions reagieren. Möglicherweise verlassen sie den Wirtskörper wieder, wenn die Injektion innerhalb der ersten sechsunddreißig bis achtundvierzig Stunden erfolgt.«
»Möglicherweise?« fragte Kissinger.
»Es ist ...«
»Das ist jetzt nicht der Moment für wilde Spekulationen, Doktor Hertzog«, unterbrach ihn Bach. »Wir werden auf diesem Gebiet weiterforschen, aber im Augenblick haben wir ein dringenderes Problem. Unsere Radarstationen haben in den letzten Tagen eine verstärkte UFO-Aktivität verzeichnet. Eine beunruhigend verstärkte Aktivität, um es ganz deutlich zu machen. Wir müssen etwas unternehmen.«
»Lassen Sie mich eines der Dinger abschießen«, verlangte General Brown. »Dann sehen wir weiter.«
»Typisch«, flüsterte ich, an Hertzog gewandt. »Ist dieser Kerl schon einmal auf die Idee gekommen, dass sie vielleicht zurückschießen könnten?«
Hertzog lächelte nur dünn, tat aber so, als konzentriere er sich weiter auf die Bilder des Brandon-Verhörs, die über die Leinwand flimmerten, und auch Bach kam nicht dazu, zu antworten, denn in diesem Moment ging die Tür auf, und ein Soldat kam herein und reichte ihm einen Zettel. Bach überflog ihn mit steinernem Gesicht, steckte ihn ein und sagte: »Agent Loengard, Doktor Hertzog, würden Sie bitte den Raum verlassen?«
Wir gehorchten widerspruchslos, aber ich war doch sehr beunruhigt, denn ich musste nach wie vor daran denken, dass Bach jedes Wort kannte, das Walt und ich in der letzten Nacht gewechselt hatten. Und vielleicht nicht nur das.
Kaum hatten wir den Raum verlassen, fragte ich: »Was haben wir ausgefressen?«
»Ausgefressen?« Hertzog lächelte. »Nichts. Wir haben nicht die richtige Geheimhaltungsstufe, das ist alles. Wissen Sie eigentlich, wer das da drinnen ist? Das Gehirn von Majestic 12. Die Gründungsmitglieder. Sie können sich geadelt fühlen, dass Sie sie überhaupt sehen durften.«
»Ich frage mich nur, warum.«
»Bach hat einen Narren an Ihnen gefressen«, antwortete Hertzog. »Ist Ihnen das etwa nicht aufgefallen?«
Ich hätte schon blind sein müssen, um das nicht zu merken, aber der Grund dafür war mir noch immer ein Rätsel. »Ich weiß. Ich verstehe nur nicht, warum.«
»Niemand versteht Bach«, sagte Hertzog spöttisch. »Ich glaube, nicht einmal er selbst. Seien Sie froh, dass es nicht anders herum ist. Ich möchte Bach nicht zum Feind haben.«
»Haben Sie deshalb nichts gesagt, als all diese Leute getötet wurden?« fragte ich. Die Worte taten mir im gleichen Moment schon wieder leid, in dem ich sie aussprach. Hertzog fuhr sichtbar zusammen.
»Das war nicht fair«, sagte er.
»Ich weiß. Entschuldigen Sie.«
Hertzog starrte mich zwei, drei Sekunden lang betroffen an, dann drehte er sich um setzte sich mit schleppenden Schritten in Bewegung. »Sie haben ja Recht«, murmelte er. »Ich mache mir Vorwürfe. Ich ... komme mir vor wie ein Mörder.«
»Unsinn!« sagte ich. Mit ein paar Schritten hatte ich ihn eingeholt. »Es tut mir leid. Ich weiß auch nicht, warum ich den Blödsinn gesagt habe. Sie hatten keine andere Wahl.«
»Das versuche ich mir auch einzureden«, murmelte Hertzog. »Und wahrscheinlich ist es auch so. Trotzdem frage ich mich, ob wir das Recht hatten, diese Leute zu töten. Ich meine: Wahrscheinlich waren sie schon tot, jedenfalls in gewissem Sinne. Das was sie waren, existierte wahrscheinlich schon lange nicht mehr. Sie waren nur noch leere Hüllen. Und trotzdem weiß ich nicht, ob wir das Recht hatten, sie einfach umzubringen. Sie waren lebende Wesen.«