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»Wovon reden Sie?« fragte ich. »Von Brandons Schwester und den anderen, oder den Ganglions?«

Hertzog sah mich sonderbar an. »Macht das einen Unterschied?«

»Sie sind hier, um uns unsere Welt wegzunehmen!«

»Sind Sie sicher?« fragte Hertzog.

»Wie?« fragte ich verwirrt.

»Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte Hertzog. »Ich glaube auch, dass es so ist, ebenso wie Sie, Bach und alle anderen. Aber wir glauben das nur.«

Ich verstand immer noch nicht, wovon er sprach. »Und?«

Hertzog zuckte die Achseln. »Wir sind im Krieg, John«, sagte er. »Im Krieg mit einem Volk, dass wir nicht einmal kennen. Aber die einzigen Schüsse, die bisher gefallen sind, haben wir abgefeuert.«

Ich kam erst spät am Nachmittag nach Hause, und während ich - mit jeder Stufe langsamer werdend - die Treppe hinaufging und mich unserem Apartment näherte, holte mich die Wirklichkeit wieder ein. Die Ereignisse der vergangenen Nacht, und die des Morgens, hatten mich für eine Weile beinahe vergessen lassen, dass ich noch ein anderes, zumindest subjektiv ebenso schlimmes Problem hatte. Unser Streit war nicht vorbei. Er war aufgeschoben, aber das machte es nicht besser, sondern im Gegenteil wohl eher schlimmer. Nach allem, was geschehen war, und vor allem angesichts der ungeheuerlichen Bedrohung, die unsichtbar über uns allen schwebte, mag es lächerlich erscheinen, doch unser kleiner hausgemachter Weltuntergang erschien mir genauso bedrohlich wie die Gefahr durch die Grauen. Was nutzte es mir schon, wenn die Welt draußen überlebte, während meine subjektive Wirklichkeit in die Brüche ging?

Als ich das Apartment erreicht hatte und die Hand nach dem Türgriff ausstreckte, zögerte ich. Zum ersten Mal im Leben hatte ich Angst, Kimberley gegenüberzutreten. Wir waren im Streit auseinander gegangen; vielleicht das Schlimmste, was zwei Menschen einander antun konnten.

Es würde nie wieder geschehen. Ich fasste einen Entschluss.

Nichts von alledem wäre passiert, hätte ich ihr von Anfang an die Wahrheit gesagt. Unsere Liebe war in Gefahr geraten, weil ich gegen meine eigene, eiserne Regel verstoßen hatte: Kimberley niemals zu belügen.

Ich würde ihr die Wahrheit sagen, ganz gleich, was Bach dazu meinte.

Jetzt.

Mit einer entschlossenen Bewegung drehte ich den Türknauf herum, betrat das Apartment und blieb wieder stehen.

Eisige Kälte schlug mir entgegen. Die Vorhänge im Wohnzimmer bewegten sich im Wind; beide Fensterflügel standen weit offen trotz der eisigen Temperaturen, die draußen herrschten. Mit ein paar raschen Schritten war ich am Fenster und schlug es eine Spur zu heftig zu; es gab einen trockenen Knall, und der Fenstergriff in meiner Hand zitterte leicht nach, bevor ich ihn endgültig losließ, um mich umzudrehen und ungläubig in das zu starren, was einst unser Wohnzimmer gewesen war.

Die Wohnung bot einen völlig chaotischen Anblick. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich geschworen, dass hier vor kurzer Zeit ein Kampf stattgefunden hatte: Die Teppiche waren verrutscht, Stühle, Tische und Couch standen nicht mehr an ihrem Platz. Bücher und Schallplatten waren durcheinander oder gleich ganz aus den Regalen gerissen, und ein seltsamer, strenger Geruch lag in der Luft.

»Kim?« rief ich.

Keine Antwort. Aus meiner Verwirrung wurde Beunruhigung, dann Sorge. Ich rief noch einmal Kimberleys Namen, bekam auch diesmal keine Antwort und lief zum Schlafzimmer.

»Kimberley! Was ist los? Warum antwortest ...«

Ich riss die Schlafzimmertür auf, stürmte halb hindurch und erstarrte zum zweiten Mal binnen weniger Augenblicke mitten in der Bewegung.

Kimberley lag auf dem Bett und schlief. Jedenfalls hoffte ich, dass sie schlief.

Obwohl im Schlafzimmer wie auch in der gesamten Wohnung kaum mehr als drei oder vier Grad herrschen konnten, lag sie ohne Decke auf dem Bett und trug nur ein hauchdünnes Negligé.

Sie atmete, das konnte ich schon von der Tür her erkennen, aber sie war totenbleich.

Mit einem einzigen Satz war ich bei ihr, ergriff sie bei den Schultern und riss sie in die Höhe.

»Kim!« schrie ich. »Was ist los mit dir?«

Kimberley stöhnte leise, öffnete die Augen und sah mich mit einem verschleierten, vollkommen verständnislosen Blick an.

»Kimberley! Um Gottes willen, was ... was ist mit dir?«

Sie antwortete nicht gleich, versuchte aber, sich instinktiv aus meinem Griff zu lösen, was ich allerdings nicht zuließ. Kims Haut war eiskalt, und sie fühlte sich auf eine schwer zu beschreibende Weise unangenehm an. Was um alles in der Welt war mit ihr passiert?

»Was soll denn mit mir sein?« Kim fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen, gähnte ausgiebig und blinzelte dann. »Es ist kalt hier drinnen.«

»Das Fenster stand auf«, sagte ich. »Die ganze Nacht.«

»Die ganze Nacht?« Kimberley blinzelte erneut. »Wie spät ist es denn?«

»Acht«, antwortete ich, »beinahe, jedenfalls.«

»Acht?!« Sie schrak sichtbar zusammen. »Dann muss ich los! Ich komme zu spät ins Büro!«

Sie wollte aufspringen, aber ich ließ auch das nicht zu, sondern drückte sie mit sanfter Gewalt aufs Bett zurück. »Es ist acht Uhr abends«, sagte ich. »Du brauchst dich nicht zu beeilen. Im Büro ist jetzt wahrscheinlich niemand mehr.«

Ich machte eine Geste mit der freien Hand in die Runde. »Was ist hier passiert?«

»Acht Uhr abends?« vergewisserte sich Kim. Sie sah mich einen Moment lang zweifelnd an, dann richtete sie sich auf und rieb sich fröstelnd mit den Händen über die nackten Oberarme. »Ich habe den ganzen Tag verschlafen? Unglaublich.«

»Und nicht nur das«, sagte ich. »Die Wohnung sieht aus, als wären Dschinghis Khans Horden hindurchgezogen, und zwar mehrmals, und aus verschiedenen Richtungen. Was ist hier passiert?«

»Wenn ich das wüsste ...« Kim schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich ... kann mich nicht erinnern. Ich habe etwas getrunken. Aber nicht viel«, fügte sie rasch hinzu.

»Aber du trinkst doch niemals«, antwortete ich zweifelnd. »Jedenfalls nicht mehr als einen oder zwei Martinis!«

»Ich weiß nicht«, antwortete Kim nur. »Ich ...« Sie brach ab, zuckte erneut mit den Schultern und setzte dann von neuem an. »John, wegen gestern Abend ... es ... es tut mir leid. Ich war ziemlich ungerecht zu dir.«

»Unsinn«, sagte ich. Ich war noch immer zutiefst verwirrt, aber die Erkenntnis, dass Kim unversehrt war, überwog alles andere. »Ich bin es, der sich entschuldigen muss. Es ... es gibt da etwas, dass ich dir erklären muss. Ich hätte es längst tun sollen, aber ...«

Kimberley überraschte mich erneut: Sie hob die Hand, verschloss meine Lippen mit dem Zeigefinger und schüttelte den Kopf.

»Nein, Schatz. Du musst dich für gar nichts entschuldigen. Ich war so dumm, dass ich mich am liebsten zu Tode schämen würde.«

»Aber ich ...«

»Ich sollte es besser wissen«, fuhr Kimberley unbeeindruckt fort. »Ich meine: Ich arbeite schließlich selbst im Weißen Haus. Ich sollte wohl wissen, dass es Dinge gibt, über die du nicht reden darfst. Nicht einmal mit mir.«

»Nein«, antwortete ich. »Die gibt es nicht. Wir haben uns geschworen, keine Geheimnisse voreinander zu haben.«

»Und du hast geschworen, die Dinge für dich zu behalten, die du bei deiner Arbeit erfährst«, antwortete Kim ernst. »Genau wie ich. Es tut mir leid. Ich war ... dumm.«

»Du warst eifersüchtig«, verbesserte ich sie.

»Das ist dasselbe«, beharrte Kimberley. »Du hast mir niemals Grund zur Eifersucht gegeben. Ich war eine Idiotin, auf Pratt zu hören. Ich werde es nie wieder tun, das schwöre ich dir.« Sie küsste mich flüchtig, rutschte dann ein Stück weit von mir fort und zog die Bettdecke bis ans Kinn hoch.

»Acht Uhr?« vergewisserte sie sich.