Dasselbe galt auch für mich. Ich wusste nicht, was Pratt ihr antat, aber was immer es war, ich würde es beenden. Jetzt!
Doch als ich mich von der Wand abstieß und ins Wohnzimmer stürmen wollte, sah ich ein sonderbares, flackerndes Licht. Ein Licht in Farben und von einer flackernden Art, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte, und so blieb ich noch einmal stehen und lauschte.
»Berühren Sie das Licht, Kim«, sagte Pratt. »Es ist ganz einfach, Sie werden es sehen. Strecken Sie die Hand aus, und berühren Sie das Licht. Es wird alle Ihre Fragen beantworten.«
»Nein«, wimmerte Kim. »Bitte!«
»Sie kämpfen dagegen«, sagte Pratt. »Das ist nur natürlich. Aber es ist sinnlos. Berühren Sie das Licht, und alles wird gut. Klaar Si Su Haar.«
Die letzten Worte hatte er mit veränderter, unheimlicher Stimme gesprochen; eine Stimme, die kaum noch wie die eines Menschen klang ...
... und es auch nicht war!
Endlich begriff ich. Pratt war nicht hier, um sich an mir für irgendetwas zu rächen.
Er war auch nicht hier, weil Bach ihn geschickt hatte.
Pratt gehörte zu ihnen!
Mit einem Ruck löste ich mich von meinem Platz, stürmte ins Wohnzimmer - und blieb wieder stehen. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber das nicht. Es gibt Dinge, auf die man sich nicht vorbereiten kann, ganz gleich, wie sehr man es auch versucht.
Das Zimmer war in ein Meer tanzender Farben getaucht, die ihren Ursprung in einem fußballgroßen Etwas hatten, das schwerelos einen halben Meter über dem Boden schwebte. Ich konnte nicht sagen, was es war, nicht einmal genau, wie es aussah, denn es schien seine Form und seine Größe ununterbrochen zu ändern, wie ein Prisma, in dem sich nicht nur das Licht, sondern auch die Formen brachen.
Kimberley und Pratt standen inmitten dieses Ozeans aus Licht, und irgendwie schienen sie selbst zu einem Teil der ständig wechselnden Farben und Formen geworden zu sein, so dass ich im ersten Moment fast Schwierigkeiten hatte, sie überhaupt zu erkennen. Kim lehnte an der Wand neben dem Fenster, in verkrümmter Haltung, mit schmerzverzerrtem Gesicht und beide Hände gegen die Ohren gepresst, und Pratt drehte sich genau in diesem Moment zu mir herum und sah mich an. Auf seinem Gesicht erschien nicht die mindeste Spur von Überraschung.
»Hallo, John«, sagte er.
Ich ignorierte ihn, überwand endlich meine Überraschung und war mit einem einzigen Satz bei Kimberley. »Kim! Liebling! Was ist los? Was ist mit dir?«
Kimberley zitterte am ganzen Leib. Sie antwortete nicht. Wahrscheinlich konnte sie es nicht einmal. Wütend fuhr ich zu Pratt herum.
»Pratt! Verdammt noch mal, was tun Sie hier?«
Angesichts dessen, was ich sah, kam mir diese Frage beinahe selbst lächerlich vor, und Pratt antwortete auch ganz genau so darauf. Er lächelte.
»John, John, John«, sagte er kopfschüttelnd. »Das wissen Sie doch ganz genau. Ich weiß wirklich nicht, was ich von Ihnen halten soll. Ich glaube, ich hätte nicht so lange hinter der Tür gestanden und meine Frau leiden lassen - wenn ich eine Frau hätte, heißt das.«
»Warum sie, Pratt?« fragte ich. »Warum Kimberley? Warum nicht ich?«
»Nur Geduld, John. Ihre Zeit wird noch kommen«, antwortete Pratt lächelnd.
»Sie verdammter Mistkerl«, murmelte ich. »Sie widerlicher, elender ...«
Pratt unterbrach mich mit einem Kopfschütteln und der Andeutung eines spöttischen Lächelns.
»Ihr seid ein seltsames Volk«, sagte er. »Ich habe niemals begriffen, wieso so viele von euch so großen Gefallen daran finden, ihre Mitmenschen zu beleidigen. Ist das ein Ausdruck eurer Hilflosigkeit?«
»Was wollen Sie, Pratt?« fragte ich mit zitternder Stimme.
»Sie, John«, antwortete Pratt. »Ganz einfach: Sie.«
»Und im Gegenzug lassen Sie Kimberley gehen?«
Pratt nickte. »Und Scrooge Duck wird der nächste Präsident der USA. Keine Chance, John.«
»Dann lassen Sie mir keine andere Wahl«, sagte ich und stürzte mich auf ihn.
Ich war schnell - ich meine, wirklich schnell - und die Wut und vor allem die Angst um Kimberley ließen mich im wahrsten Sinne des Wortes über mich hinauswachsen.
Trotzdem hatte ich keine Chance.
Pratt sah meinen Angriff rechtzeitig genug kommen, um etwas dagegen zu tun, aber er machte sich nicht einmal die Mühe. Er blieb einfach ruhig stehen und wartete darauf, dass ich mit ausgebreiteten Armen gegen ihn prallte.
Vielleicht hatte er mich unterschätzt, aber vielleicht hatte ich auch einfach nur Glück. Es gelang mir jedenfalls, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, so dass wir aneinander geklammert ein paar Schritte weit durch das Zimmer stolperten und schließlich über die Couch stürzten.
Es war nur Glück, und es hörte damit auch schlagartig auf. Noch während wir stürzten, packte mich Pratt mit einer Hand im Nacken und riss mich ohne die geringste Mühe von sich herunter. Mit beinahe noch weniger Mühe sprang er wieder hoch, riss mich mit sich in die Höhe und schleuderte mich quer durch das Zimmer. Irgendwie brachte ich es fertig, nicht zu stürzen, aber ich prallte mit solcher Wucht gegen die Wand, dass mir die Luft aus den Lungen gepresst wurde und ich für einen Moment nur Sterne sah.
»John, John, John«, seufzte Pratt. »Warum machen Sie es sich und mir nur so unnötig schwer?«
Wie durch einen Nebel aus grauer Watte und Blut sah ich Pratt (Pratt? Das Pratt-Ding!) auf mich zukommen. Ich kämpfte verzweifelt um mein Bewusstsein. Der Anprall war unvorstellbar hart gewesen. Pratt musste so stark sein wie zehn normale Männer - und dabei hatte er bisher im Grunde nur mit mir gespielt. Es war vollkommen sinnlos, gegen diese Kreatur kämpfen zu wollen.
Aber dann hörte ich Kimberley schreien, und dieser Schrei löste etwas in mir aus, von dem ich selbst nicht mehr gewusst hatte, dass ich es noch besaß: Den verzweifelten Instinkt, zu überleben, die gleiche Kraft, die Menschen seit einer Million Jahre immer wieder dazu gebracht hatte, auch in den ausweglosesten Situationen immer noch weiterzukämpfen. Wenn ich aufgab, dann würde nicht nur ich sterben, sondern auch Kimberley. Als Pratt nach mir griff, duckte ich mich blitzschnell unter seiner Hand hindurch und packte gleichzeitig seinen Arm.
Es war Pratts eigene, übermenschliche Kraft, die ihm zum Verhängnis wurde.
Er versuchte, sich aus meinem Griff loszureißen, aber ich stemmte mich nicht dagegen, sondern sprang im Gegenteil plötzlich auf ihn zu, verlagerte mein Gleichgewicht und drehte mich gleichzeitig halb um meine eigene Achse, und Pratt wurde vom Schwung seiner eigenen Bewegung an mir vorbei gerissen, prallte hilflos gegen das Fenster und stürzte in einem Scherbenregen hinaus.
Keuchend und fast krampfhaft um Atem ringend taumelte ich zu Kim hinüber. Sie hockte noch in der gleichen verkrümmten Haltung da und hatte die Hände gegen die Schläfen gepresst. Ich bezweifelte, dass sie überhaupt mitbekommen hatte, was geschehen war.
Unten auf der Straße wurden Schreie laut, aufgeregte Stimmen und näher hastende Schritte. Mit einem einzigen Satz war ich am Fenster und sah hinaus.
Pratt lag mit verrenkten Gliedern drei Stockwerke unter mir auf der Straße. Er rührte sich nicht, und ich bezweifelte auch, dass selbst das unglaubliche Etwas, in das er sich verwandelt hatte, diesen Sturz überlebt haben konnte.
Aber ich hatte ein anderes Problem. Auf der Straße unter mir waren mindestens ein Dutzend Menschen zusammengelaufen, und die meisten von ihnen starrten jetzt geradewegs nach oben und mir ins Gesicht.
»Das Geräusch!« wimmerte Kim hinter mir. »Es soll aufhören! Bitte, John, mach, dass es aufhört!«
Ich drehte mich rasch vom Fenster weg - und erlebte einen Anblick, der mir schier das Blut in den Adern gefrieren ließ!
Kim saß nicht mehr neben dem Fenster. Ihr Gesicht war immer noch schmerzverzerrt, aber sie hatte sich auf Hände und Knie erhoben und kroch wimmernd auf die flackernde Lichtkugel zu.