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Das war meine Chance. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, huschte ich ins Bad. Der Raum war von grauem Wasserdampf und dem intensiven Geruch von Bachs Rasierwasser erfüllt. Bachs Pyjamajacke lag, zu einem unordentlichen nassen Ball zusammengeknüllt auf dem Boden, und im Waschbecken befanden sich noch Reste seines Rasierschaums.

Ich wurde auf Anhieb fündig. Bachs Amulett lag auf dem Waschbeckenrand.

Ich nahm es auf, öffnete den Deckel und nahm mit spitzen Fingern das zusammengefaltete Blatt UFO-Material heraus. Kaum hatte ich es getan, begann es sich zwischen meinen Fingern zu bewegen, wie ein lebendes Wesen, das meinem Griff zu entkommen versuchte. Ich griff fester zu, zog mit der anderen Hand den mitgebrachten Briefumschlag aus der Manteltasche und schob das lebende Metall hinein. Sofort faltete es sich auseinander. Der Umschlag beulte sich aus wie ein Luftballon, der sehr schnell aufgeblasen wurde, so dass ich fast Mühe hatte, ihn wieder in die Manteltasche zu bekommen.

Sehr langsam verschloss ich das Amulett wieder und versuchte auch die Kette so über den Beckenrand zu drapieren, wie ich es in Erinnerung hatte. Und kaum hatte ich es getan, da hörte ich, wie draußen auf dem Flur eine Tür zufiel, und schnelle Schritte näher kamen.

Für einen Moment drohte mich Panik zu übermannen. Ich war allerhöchstens seit zehn Sekunden hier drinnen - Bach musste sich mit Lichtgeschwindigkeit umgezogen haben.

Und wenn ich nicht im gleichen Tempo reagierte, dann würde er in ungefähr drei Sekunden vor mir stehen und mich ziemlich verdutzt fragen, was ich in aller Herrgottsfrühe in seinem Badezimmer tat. Falls er mich nicht gleich über den Haufen schoss, hieß das.

Ich tat das überhaupt Einzige, was ich noch tun konnte: Ich wich mit zwei blitzschnellen Schritten unter die Dusche zurück und zog den Vorhang zu, und buchstäblich im gleichen Sekundenbruchteil kam Bach herein, trat ans Waschbecken und griff nach seinem Anhänger. Offensichtlich hatte er ihn wirklich nur abgelegt, um zu duschen, und hätte Kims Erscheinen ihn nicht abgelenkt, dann hätte ich wahrscheinlich niemals eine Chance gehabt, auch nur in seine Nähe zu kommen. Bach streifte sich die Kette über den Kopf und warf seinem eigenen Konterfei im Spiegel einen argwöhnischen Blick zu. Er nahm sich diese Nachlässigkeit übel. Offenbar war es wirklich so, wie er damals behauptet hatte: Er trennte sich so gut wie nie davon.

Bach ging; übrigens gerade noch rechtzeitig, denn ich konnte nun ein hörbares Keuchen nicht mehr unterdrücken. Bach hatte zwei schlechte Angewohnheiten: In seinem Privatleben war er ein wesentlich weniger ordentlicher Mensch als in seinem Beruf. Einer der zum Beispiel nicht den Stöpsel aus der Duschtasse zieht, bevor er die Dusche verlässt; was zur Folge hatte, dass ich bis zu den Waden im Wasser stand.

Die andere war, dass er offenbar ein Gesundheitsfanatiker war. Das Wasser war so kalt, dass ich mit den Zähnen klapperte.

Vorsichtig trat ich aus der Dusche heraus, betrachtete stirnrunzelnd die unübersehbaren, nassen Schuhabdrücke, die ich auf den Fliesen hinterließ, und überlegte angestrengt. Auch ohne diese Spuren hätte ich es nicht gewagt, das Haus auf dem gleichen Wege wieder zu verlassen, auf dem ich es betreten hatte. Kim war mittlerweile wahrscheinlich nicht mehr unten an der Tür, denn sie musste Bachs Stimme gehört haben, und selbst, wenn es anders gewesen wäre: Ich hatte mein Glück schon mehr als genug auf die Probe gestellt, und ich habe noch nie etwas davon gehalten, meine Kosten zu sehr zu überreizen.

Der einzige Weg, der mir blieb, war der aus dem Fenster. Auch das war nicht ganz ungefährlich - welche Rolle Bach in seiner spießigen Nachbarschaft auch immer spielte, dass in blaue Trenchcoats gekleidete junge Männer morgens um acht aus seinem Badezimmerfenster kletterten, gehörte nicht dazu. Aber ich konnte auch nicht hier bleiben. Bach würde zwar in dreißig Minuten das Haus verlassen, aber seine Frau war nicht berufstätig, doch da sie die Eigenarten ihres Mannes kannte, würde sie spätestens zehn Sekunden später hier auftauchen, um hinter ihrem Göttergatten aufzuräumen. Also stieg ich aus dem Fenster.

Das Glück blieb mir weiter hold. Bachs Scheinexistenz war tatsächlich spießig genug, dass es genau unter dem Badezimmerfenster das obligate Rosengitter gab, an dem ich einigermaßen bequem hinunterklettern konnte. Fünf Minuten später war ich wieder im Wagen und ließ mich mit einem erleichterten Seufzer in den Fahrersitz fallen.

»Du hast lange gebraucht«, begrüßte mich Kim. »Ist irgendetwas passiert?«

»Passiert? Nein. Wie kommst du darauf? Es ist alles in Ordnung.«

»Hast du es?«

»Selbstverständlich«, antwortete ich. »Das Ding sollte ausreichen, um Kennedys Neugier zu wecken.«

Als ich den Kopf drehte, sah ich, dass sie nicht mich anblickte, sondern wie hypnotisiert auf meine tropfnassen Hosenbeine starrte.

»Frag bloß nicht«, sagte ich.

Kim fragte nicht.

Der Rest des Tages wurde zum längsten in meinem Leben. Kim und ich fuhren zur Arbeit und versuchten uns ganz normal zu benehmen, aber natürlich blieb es bei dem Versuch. Ich war nervös, ich war fahrig und ich hatte solche Angst, dass ich ein paarmal erschrocken zusammenfuhr, als die Tür aufging und jemand hereinkam. Wir hatten unseren Plan wieder und wieder durchgesprochen, und es konnte im Grunde nichts schief gehen, Bach hatte uns, ohne es zu ahnen, selbst den Weg gezeigt, wie wir ihn besiegen konnten. Es stellte für Kimberley kein Problem dar, unter einem Vorwand bis ins Vorzimmer des Präsidenten vorzudringen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie ihm einen Briefumschlag mit einem Liebesbrief überbrachte, den die First Lady ihm spontan geschrieben hatte, und der nicht für die Augen seiner Sekretärinnen bestimmt war.

Nur, dass der Umschlag heute keinen Liebesbrief enthielt, sondern drei eng maschinegeschriebene Seiten, auf denen ich die wichtigen Fakten, Namen und Hintergründe niedergeschrieben hatte, die mit Majestic zu tun hatten; und das Blatt UFO-Metall. Kim war hundertprozentig sicher, dass sie ihm den Umschlag zuspielen konnte. Es konnte gar nichts schief gehen.

Aber das war nur die Theorie. Mit narrensicheren Plänen, bei denen gar nichts schief gehen konnte und die trotzdem in einer Katastrophe geendet hatten, ließen sich vermutlich ganz Bibliotheken füllen, und so steigerte sich meine Nervosität im Laufe des Tages bis zu einem Grad, dass ich es einfach nicht mehr aushielt. Ich machte eine Stunde früher als gewöhnlich Schluss und fuhr zum Weißen Haus, um Kimberley von der Arbeit abzuholen.

Als ich den Wagen auf den Parkplatz fuhr und ausstieg, kam mir Bach entgegen.

Mein Herz machte einen erschrockenen Satz bis in meinen Hals hinauf und hämmerte dort so schnell weiter, dass Bach es einfach sehen musste, und ich konnte fühlen, wie mir nicht nur alles Blut aus dem Gesicht wich, sondern in meinen Augen auch noch in grellen Buchstaben das Wort Verräter aufleuchtete. Eine Sekunde lang war ich einfach in Panik, und für einen noch kürzeren Moment wollte ich nichts anderes, als auf dem Absatz herumzufahren und davonzustürmen. Gottlob war ich vor Schrecken einfach wie erstarrt, so dass ich es gar nicht konnte.

Bach war jedoch mindestens genauso überrascht wie ich - entweder das, oder er war der weitaus talentiertere Schauspieler von uns beiden. »John«, sagte er. »Was tun Sie denn hier?«

»Ich ... ich wollte Kim vom Büro abholen«, antwortete ich stockend. Ich zog eine Grimasse, von der ich wenigstens hoffte, dass sie als verlegenes Grinsen durchging. »Sie haben mich erwischt, Captain.«

»Erwischt?« Bach legte den Kopf schräg.

»Ich habe ein paar Stunden blaugemacht«, gestand ich. »Ich ... ich fühle mich nicht besonders.«

Das war die Untertreibung des Jahres. Ich fühlte mich hundsmiserabel. Mein Magen revoltierte, meine Knie zitterten und mein Herz jagte immer schneller. Außerdem begann ich mich allmählich zu fragen, was Bach hier eigentlich tat.