»Dann musst du das wohl«, antwortete Kimberley. »Ich kann mit der U-Bahn fahren. Das ist kein Problem.«
»Wenn ich mich auf diese Erpressung einlasse, habe ich schon verloren«, antwortete ich übellaunig. »Dann weiß er, dass ich jeden Preis zahle.«
»Untersteh dich!« Kim drohte mir spielerisch mit dem Zeigefinger. »Und untersteh dich genauso, nicht dorthin zu gehen. Nach allem, was du mitgemacht hast, hast du ein Recht auf ein bisschen Spaß. Sieh ihn dir wenigstens an.«
Sie stand auf, schob lautstark ihren Stuhl zurück und ging ebenso lautstark in die Diele, um sich ihren Mantel zu holen. »Und jetzt muss ich los. Schließlich ist es nicht nötig, dass wir beide das Geld der Steuerzahler verschwenden, indem wir zu spät kommen.«
Sie ging ohne ein weiteres Wort, und wieder konnte ich nicht anders, als ihre Kaltblütigkeit zu bewundern. Kims Fähigkeit, auch in wirklich verfahrenen Situationen noch immer einen kühlen Kopf zu bewahren, war schon immer einer der Punkte gewesen, die mich am meisten an ihr beeindruckt hatten. Aber plötzlich war ich sehr froh, dieses Mädchen, das so harmlos aussah, nicht zum Feind zu haben ...
Nicht, dass es mir daran gemangelt hätte.
Ich verscheuchte den Gedanken, fischte im Vorbeigehen mein Jackett von der Stuhllehne und verließ ebenfalls das Apartment. Die Adresse, die mir die Sekretärin genannt hatte, befand sich am anderen Ende der Stadt, und auch, wenn der Berufsverkehr damals nicht einmal annähernd mit dem Alptraum zu vergleichen ist, der sich heute hinter dem Wort Rushhour verbirgt, so musste ich mich doch sputen, um in einer halben Stunde dorthin zu gelangen. Zumal ich mich in dieser Gegend nicht auskannte.
Exakt achtundzwanzig Minuten später lenkte ich meinen eigenen, altersschwachen Chevy auf den Hof eines mittelgroßen, nicht allzu vertrauenerweckend aussehenden Gebrauchtwagenladens, auf dem sich ganze Legionen von Gebrauchtwagen in unterschiedlichsten Stadien des Verfalls reihten. Keine der Rostlauben, an denen ich vorbeifuhr, schien mir mehr wert als hundert Dollar - und auch das nur mit vollem Tank und einem zweiten Ersatzrad - aber als ich das Ende der traurigen Parade erreicht hatte und mich dem lang gestreckten, flachen Gebäude näherte, das gleichzeitig als Werkstatt, Büro und Verkaufsraum zu dienen schien, erblickte ich tatsächlich den Wagen, der in der Zeitungsannonce angeboten worden war: einen rotweißen Chevrolet, keine zwei Jahre alt und mit prachtvollen roten Ledersitzen und so viel Chrom, dass man ihn wahrscheinlich kaum ansehen konnte, wenn die Sonne ein wenig heller vom Himmel schien.
Ich parkte unmittelbar daneben, stieg aus und hatte nicht einmal genug Zeit, die Wagentür hinter mir zuzuwerfen, da flog die Werkstattür auch schon auf, und ein dürres Kerlchen in Cowboyhut, Westernstiefeln und einem braunen Fransenlederanzug stürmte auf mich zu. Der Kerl sah aus, als wäre er einer Persiflage über Gebrauchtwagenverkäufer entsprungen.
»Mister ... Robert?« fragte ich zögernd. Es fiel mir schwer, ernst zu bleiben. Wer immer diese Farce inszeniert hatte, hatte es kräftig übertrieben, meiner Meinung nach.
»Nelson«, verbesserte mich der John-Wayne-Verschnitt. Seine Stimme klang genauso ölig, wie der ganze Kerl wirkte. »Mein Name ist Nelson T. Bennet. Ich sehe, Sie interessieren sich für unser Prachtstück? Daran erkennt man den wirklichen Autokenner, nicht wahr? Ein einziger Blick, und Sie haben das beste Fahrzeug auf dem Platz gefunden.«
Dazu gehörte nun wirklich nicht viel. Aber ich war nicht hier, um einen Wagen zu kaufen, und so schluckte ich die entsprechende bissige Bemerkung herunter und sagte stattdessen: »Ich hatte einen Termin, Mister Bennet. Ich glaube, mit einem Mister Robert.«
»Dann müssen Sie John sein«, sagte Bennet triumphierend. »John Longard, richtig?«
»Fast. Loengard. Aber Mister Robert ...«
»... ist unser Geschäftsführer. Er wird in ein paar Minuten zu Ihrer Verfügung stehen, keine Sorge. Warum nutzen wir die Zeit nicht, und Sie sehen sich dieses kleine Baby hier in aller Ruhe an? So etwas bekommt man nicht alle Tage zu Gesicht, müssen Sie wissen. Und ich verkaufe es auch nicht jedem. O nein. So etwas ist etwas Besonderes, müssen Sie wissen. Es wäre ein Frevel, es einer dicken Hausfrau zu verkaufen, die damit in den Supermarkt fährt, oder irgendeinem sechzehnjährigen Schnösel, der mit Daddys Geld um sich wirft. Da macht Nelson Bennet nicht mit. Kommen Sie. Nur keine Scheu, John. Er beißt nicht.«
Er wedelte aufgeregt mit den Händen und ignorierte sowohl meinen gemurmelten Protest als auch meine schwächliche Gegenwehr, während er mich auf den Wagen zuzerrte und schließlich mit schon etwas mehr als sanfter Gewalt hinter das Steuer stieß. Noch bevor ich irgendetwas sagen konnte, drehte er den Schlüssel herum, startete den Motor und brachte irgendwie das Kunststück fertig, praktisch im gleichen Sekundenbruchteil auf dem Beifahrersitz neben mir aufzutauchen.
»Na, wie klingt das?« fragte er. Gleichzeitig trat er grinsend das Gaspedal bis zum Boden durch. Der Motor heulte auf, dass ich damit rechnete, die Kolben durch die Kühlerhaube schießen zu sehen. »Das ist doch Musik in den Ohren, wie? So etwas hört man nicht alle Tage!«
»Mister Bennet, wir haben noch nicht einmal über den Preis ...«
»Oh, keine Sorge, da werden wir uns schon einig«, unterbrach mich Bennet. »Schauen Sie ihn sich doch erst einmal in Ruhe an. Sehen Sie nur diese prachtvollen Lederbezüge. So etwas wird heute kaum noch hergestellt. Und das ...«
Ich hörte kaum noch hin, und vermutlich hätte ich es nicht einmal mehr gekonnt, wenn ich es wirklich gewollt hätte. Bennet redete wie ein Wasserfall. Er plapperte, schwatzte, schwafelte und pries mir die Vorzüge des Chevrolet in immer höheren Tönen an, so dass ich schon nach wenigen Augenblicken nicht mehr wusste, ob ich nun lachen oder weinen sollte. Eines aber wurde mir sehr schnell und ohne den geringsten Zweifel klar: Mein anfänglicher Verdacht war falsch gewesen. Bennet spielte kein Theater. Er war ein Gebrauchtwagenverkäufer, und zwar einer, der das, was er tat, mit Leib und Seele tat. Nach kaum fünf Minuten war ich nicht einmal mehr in der Lage, zu widersprechen, und nach weiteren zehn war ich so weit, dass ich mir ernsthaft überlegte, den Wagen tatsächlich zu kaufen.
»Nun«, schloss er seine oscarverdächtige Vorstellung. »Was sagen Sie - ist das ein Prachtstück?«
Ich nickte, allein vom Zuhören erschöpft. In meinem Kopf summte es. »Einfach wunderbar«, bestätigte ich matt. »Aber leider haben Sie mir immer noch nicht gesagt, was dieses Prachtstück denn nun kostet.«
Bennet zwinkerte mir verschwörerisch zu. »So eine wunderschöne Gelegenheit ist natürlich nicht ganz billig«, sagte er, hob aber hastig die Hand, als ich Luft zu einer Anwort holte. »Aber auch nun wieder nicht so teuer, dass sie sich ein Mann wie Sie nicht leisten könnte.«
»Und was bedeutet das?« fragte ich.
Bennet grinste und öffnete den Wagenschlag. »Ich bin nur der Techniker hier«, sagte er. »Über den Preis müssen Sie sich mit Mister Robert unterhalten. Aber ich bin sicher, Sie werden sich einig. Unser Geschäft bietet auch großzügige Teilzahlungsvereinbarungen an, müssen Sie wissen.«
Ich stieg ebenfalls aus und folgte ihm, als er eine einladende Geste zum Büro hin machte. Bennet hatte mich so eingelullt, dass ich beinahe schon vergessen hatte, warum ich wirklich hierhergekommen war - nämlich ganz bestimmt nicht, um einen Gebrauchtwagen zu kaufen.
Auch, wenn er mir mittlerweile wirklich gefiel ...
Wir betraten das Gebäude und gingen einen kurzen Flur entlang. Nach dem hellen Sonnenlicht draußen war ich im ersten Moment beinahe blind, so dass ich heftig blinzelte, damit sich meine Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnten. Trotzdem erkannte ich Bennet nur noch als Schatten vor mir. Mehr tastend und lauschend als ihn wirklich sehend folgte ich ihm in ein kleines, unaufgeräumtes Büro, das neben einer großen Fensterfront nur noch einen überquellenden Aktenschrank und einen mächtigen Schreibtisch aufwies. Hinter diesem Monstrum von Möbel saß eine ebenfalls nur schemenhaft erkennbare Gestalt.