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»Wissen Sie das wirklich?« fragte ich bitter. Großer Gott, ich hatte Bach verraten, weil ich aus dieser Geschichte heraus wollte, nicht, um die Fronten zu wechseln und das gleiche, üble Spiel unter einer anderen Fahne weiterzuspielen!

»O ja«, antwortete Kennedy. »Auch ich musste schon Dinge tun, die ich nicht wollte. Dinge, für die ich mich selbst gehasst habe. Ich bin ganz ehrlich zu Ihnen, John: Wir könnten Sie zwingen, weiterzumachen. Sie wissen das. Aber wir werden es nicht tun. Wenn Sie wirklich darauf bestehen, dann werden sich noch heute zwei FBI-Agenten bei Ihnen melden, die Kimberley und Sie wegbringen und Ihnen eine neue Identität verschaffen. Ich weiß nicht, ob das reicht, um Sie vor Bach zu schützen, aber was wir tun können, das werden wir tun.«

Er legte eine Kunstpause ein.

»Aber ich bitte Sie, weiterzumachen, John. Wenn das, was Sie uns erzählt haben, wirklich wahr ist, dann sollten wir verdammt gut vorbereitet sein, bevor wir gegen Bach und die anderen losschlagen. Von der Bedrohung durch die Grauen und die Ganglions gar nicht zu reden.«

Das Schlimme war, dass er Recht hatte. Es war ziemlich naiv gewesen, im Ernst anzunehmen, dass es ausreichte, diesen Brief an den Präsidenten zu schreiben, um damit ein für alle Mal aus der Geschichte raus zu sein.

Vielleicht würde das niemals passieren.

»Kann ich ... darüber nachdenken?« fragte ich zögernd.

Ich konnte Kennedys Kopfschütteln nicht sehen, aber hören. »Ich fürchte, nein«, sagte er. »Wie ich schon sagte: Unsere Zeit ist sehr knapp. Wir müssen schnell handeln, ob mit oder ohne Sie. Aber es wäre mir lieber, mit Ihnen.«

»Dann bleibt mir wohl keine andere Wahl«, antwortete ich niedergeschlagen.

»Ich hatte gehofft, dass Sie so antworten«, sagte Kennedy. Die Erleichterung in seiner Stimme klang echt.

»Und was ... geschieht jetzt?« fragte ich.

Kennedy deutete lachend auf das Vertragsformular vor mir auf dem Schreibtisch. »Zuallererst werden Sie diesen Vertrag nehmen und damit äußerst empört aus dem Geschäft stürmen. Und dann warten Sie auf einen Anruf. Er wird heute noch kommen. Sie erfahren dann alles weitere.«

Ich stand auf, klaubte das Blatt vom Tisch hoch und wartete darauf, dass er noch etwas sagte, aber er schwieg. Nach zwei oder drei Sekunden drehte ich mich herum und ging zur Tür. Als ich sie öffnete, rief mich Kennedy noch einmal zurück. »John.«

»Sir?«

»Sie und Kimberley können aufhören, Versteck zu spielen«, sagte er. »Bach lässt Ihre Wohnung nicht abhören.«

Diesmal verspürte ich eine ehrliche, tiefe Erleichterung. Aber nur für eine Sekunde. Dann fragte ich: »Woher wissen Sie, dass wir Versteck gespielt haben?«

Kennedy lachte leise. »Weil wir in den vergangenen zehn Tagen Ihre Wohnung abgehört haben, John. Und Ihr Telefon auch.«

Ich kam an diesem Abend später nach Hause als gewohnt. Bach rief eine Stunde vor Feierabend im Büro an und zitierte mich ins Hauptquartier von Majestic; wie sich herausstellte wegen einer Lappalie, die wir ebenso gut am nächsten Morgen oder auch in einer Woche hätten klären können. Aber ich starb tausend Tode, bevor ich Majestic wieder verließ. Ich war nervös, ich verhaspelte mich andauernd, plapperte sinnloses Zeug und stellte mich so ungeschickt an, dass die zwei Stunden, die ich in Bachs Nähe verbrachte, ungewollt zugleich zu einer Art Feuerprobe wurden: Hätte Bach auch nur die Spur eines Verdachts gehabt, dann hätte ich ihm mit meinem Benehmen an diesem Abend den unumstößlichen Beweis geliefert, dass er gerechtfertigt war.

Es wurde nicht besser, als ich endlich nach Hause fuhr. Ich hätte erleichtert sein müssen, und im Grunde hatte ich das erste Mal seit Wochen einen wirklichen Anlass, ganz beruhigt zu sein, aber das genaue Gegenteil war der Fall.

Allein die Tatsache, dass ich in der Lage war, den Wagen durch den abendlichen Berufsverkehr Washingtons zu steuern, bewies ja, dass Bach nichts gemerkt hatte; trotzdem sah ich öfter in den Rückspiegel als auf die Straße, und dass ich schließlich unbeschadet ankam, das war wohl mehr dem fahrerischen Können und der Reaktionsschnelligkeit der anderen Verkehrsteilnehmer zuzuschreiben.

Und ich vermutete, dass es Kim nicht anders erging. Wahrscheinlich schlimmer. Ich hatte versucht, ihr eine Nachricht zukommen zu lassen, dass ich später nach Hause kam, aber keine Gelegenheit dazu gefunden. Ich war seit mehr als zwei Stunden überfällig. Kimberley musste Höllenqualen ausstehen.

Immerhin hatte sie sich gut genug in der Gewalt, um nicht am Fenster zu stehen und ungeduldig auf die Straße hinab zu blicken. Und sie kam mir auch nicht an der Wohnungstür entgegen, als ich das Apartment betrat, obwohl ich ganz sicher war, dass sie seit Stunden nichts anderes getan hatte, als mit angehaltenem Atem auf meine Schritte zu lauschen. Ja, ihre Stimme klang sogar beinahe noch normal, als sie sich mit einer Frage an mich wandte:

»Hast du ihn gekauft?«

In der allerersten Sekunde verstand ich nicht einmal wirklich, wovon sie sprach, dann aber schüttelte ich den Kopf und sagte: »Es war nicht meine Preisklasse. Und der Verkäufer hat mich doch ziemlich überrascht.«

»Wieso?« Auf Kimberleys Gesicht malte sich ein unausgesprochener Schrecken ab, und ihre Augen wurden ein wenig weiter.

»Mr. Robert«, sagte ich erklärend, während ich aus dem Mantel schlüpfte und ihn achtlos über eine Stuhllehne warf. »Sein voller Name lautet: Robert Kennedy, weißt du?«

Kimberley starrte mich fassungslos an, vor allem, als ich fortfuhr:

»Der Präsident hat deine Nachricht erhalten. Sie haben bis jetzt gebraucht, um unsere Geschichte zu überprüfen, aber offensichtlich glauben sie uns.« Ich weidete mich noch zwei, drei Sekunden an der Mischung aus fassungsloser Verblüffung und noch tieferem Schrecken, die sich allmählich auf Kimberleys Zügen auszubreiten begann, dann sagte ich: »Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen. Unsere Wohnung wird nicht abgehört.« Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber ich hatte mich entschieden, Kimberley nichts davon zu sagen, dass jedes Wort, das wir in den vergangenen zwei Wochen gesprochen hatten, belauscht worden war. Natürlich konnte ich diese Vorsichtsmaßnahme verstehen; ich selbst hätte vermutlich nicht anders gehandelt, trotzdem: Bei aller Vernunft war ein Rest von Empörung geblieben, und sei es nur, weil Kennedys Bemerkung mir klargemacht hatte, wie schmal der Grat war, auf dem wir uns bewegten. Der Unterschied zwischen Gut und Böse war vielleicht nicht so groß, wie ich bisher immer angenommen hatte. Zumindest bedienten sich beide Seiten der gleichen Mittel.

Es vergingen einige weitere Sekunden, dann endlich begann sich so etwas wie Erleichterung auf Kims Zügen breit zu machen. Sie machte eine Bewegung, als wolle sie aufstehen, führte sie aber nicht zu Ende, sondern sank fast kraftlos zurück, seufzte tief und schien für einen kleinen Moment fast mit den Tränen zu kämpfen. Ich ging rasch zu ihr hin, schloss sie in die Arme und drückte sie an mich, und wir standen eine ganze Weile einfach so da. Ich weiß nicht, wie es Kimberley erging, doch das Gefühl der Erleichterung, auf das ich den ganzen Tag über vergebens gewartet hatte, wollte sich auch jetzt nicht einstellen. Da war eine unsichtbare Zentnerlast, die von mir genommen worden war, doch ich hatte das Gefühl, als ob sie vielleicht nur gegen etwas anderes, nicht weniger Schweres, eingetauscht worden wäre.

Während wir einfach so dastanden, uns festhielten und jeder nichts mehr als schützende Nähe und Berührung des anderen suchte, fragte ich mich, wie sie reagieren würde, wenn ich ihr jetzt von meinem Gespräch mit Kennedy berichtete. Ich verspürte immer noch einen letzten Rest von Enttäuschung. Ganz gleich, wie sehr ich mir auch selbst sagte, dass es naiv gewesen war anzunehmen, wir könnten einfach so aus dieser Geschichte wieder aussteigen, so hatte sich dieser Gedanke in den letzten Wochen doch so in mir festgesetzt, dass ich ihm noch immer nachtrauerte.