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Auch Kimberley hatte sich gerade ihre Jacke geholt, doch als sie zur Tür gehen wollte, klingelte das Telefon erneut. Sie hob ab, meldete sich und lauschte einige Sekunden wortlos. Ich stellte mich so hin, dass Steel ihr Gesicht nicht sehen konnte, beobachtete sie aber sehr aufmerksam. Ich sah, dass sie erschrocken zusammenfuhr und sich auf die Lippen biss, doch sie sagte immer noch nichts, sondern nickte nach einigen Sekunden und sagte schließlich: »Ja. Ich habe verstanden. Übermorgen dann.«

Sie hängte grußlos ein, drehte sich zu mir herum und ließ ihre Handtasche fallen, als sie genau neben mir war. Wir bückten uns beide gleichzeitig danach, so hastig, dass wir fast mit den Köpfen zusammengestoßen wären, und während wir für eine halbe Sekunde ganz dicht beieinander waren, flüsterte sie:

»Das war Mr. Robert. Wir müssen verschwinden. Bach weiß alles.«

Ich konnte spüren, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. Kimberley stand mit einer fließenden Bewegung wieder auf, aber ich blieb noch einen kurzen Moment erstarrt und reglos hocken, ehe ich mich ungeschickt ebenfalls aufrichtete und sehr viel langsamer zu Steel herumdrehte, als notwendig gewesen wäre.

Er betrachtete Kimberley und mich weiter mit hämischem Blick und aus Augen, in denen eine boshafte Vorfreude loderte. Diesmal war ich sicher, mich nicht zu täuschen.

Vielleicht hatte ich mich nie in ihm getäuscht. Vielleicht war das Unbehagen, das ich in seiner Nähe spürte, gar nicht darin begründet, dass ich Steel einfach nicht leiden konnte. Vielleicht hatte es einen ganz anderen, viel schlimmeren Grund.

Meine Gedanken rasten, während wir die Wohnung verließen und Kimberley sorgsam hinter sich abschloss. Wir mussten weg. Ich musste handeln. Jetzt, sofort, hier! Steel war garantiert nicht allein gekommen. Ich war lange genug bei Majestic um zu wissen, wie Bachs Agenten vorgingen. Unten vor dem Haus würde ein Wagen mit mindestens zwei weiteren Männern warten, und mit großer Wahrscheinlichkeit stand ein weiterer Trupp vor der Hintertür, falls wir auf diesem Wege zu entkommen versuchten.

Aber ich wusste auch, dass ich es nicht allein mit Steel aufnehmen konnte. Er war nicht nur ohnehin stärker und brutaler als ich, er war noch dazu von einem Ganglion besessen, und ich hatte bereits zweimal am eigenen Leibe gespürt, welch übermenschliche Kräfte die Wirte dieser außerirdischen Parasiten zu entfesseln in der Lage waren. Und ich war nicht einmal bewaffnet.

»Hast du die Wagenschlüssel?« fragte ich, während ich neben Kim und vor Steel die Treppe hinunterging. Kimberley nickte, und Steel sagte:

»Die braucht ihr nicht. Ihr fahrt mit uns.«

Ich blieb stehen und sah zu ihm hoch. »Uns?«

Wenn Steel seinen Versprecher bedauerte, dann verbarg er es gut. Er zuckte nur mit den Schultern, deutete nach unten und machte eine einladende Geste, weiterzugehen, und ich griff nach seiner ausgestreckten Hand, riss mit aller Kraft daran und warf ihn die Treppe hinunter.

Steels übermenschliche Kraft nutzte ihm nichts. Er reagierte blitzschnell und riss sich los, aber seine wedelnden Arme griffen ins Leere. Er schlug einen grotesken halben Salto, prallte mit furchtbarer Wucht auf die Stufen und schlitterte hilflos und ohne auch nur den mindesten Laut von sich zu geben, bis zum nächsten Treppenabsatz hinab. Sofort setzte ich ihm nach. Steel reagierte so, wie ich es befürchtet hatte: Er zeigte keine Spur von Schmerz oder Benommenheit, sondern stemmte sich sofort wieder in die Höhe, aber ich war bereits bei ihm. Als Steel noch im Aufstehen die Arme in die Höhe riss, um den erwarteten Schlag abzufangen, trat ich ihm mit aller Macht gegen die Brust. Er wurde in die Höhe katapultiert, prallte gegen die Wand und war für einen kurzen Moment nun doch benommen; vielleicht auch nur überrascht. Ich gab ihm keine Gelegenheit, seine Überraschung zu überwinden, sondern setzte ihm abermals nach, boxte ihm zwei-, dreimal mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, in den Magen und riss das Knie hoch, als er sich krümmte.

Meine Kniescheibe traf ihn genau unter das Kinn und das war selbst für ihn zu viel. Steel verdrehte die Augen, ließ ein sonderbares, seufzendes Geräusch hören und kippte bewusstlos zur Seite.

Kimberley wollte weiterlaufen, aber ich schüttelte den Kopf. »Warte. Hilf mir.«

Mit vereinten Kräften drehten wir Steel auf den Rücken. Ich griff unter seine Jacke, nahm seine Waffe an mich und gab Kim dann mit Gesten zu verstehen, mir dabei zu helfen, ihm den Mantel auszuziehen.

»Was hast du vor?« fragte sie verwirrt.

»Unten vor der Tür warten garantiert noch mehr Männer«, sagte ich. »Wir brauchen eine Tarnung.«

Kimberley half mir, aber sie sah mich mit wachsender Verwirrung an, während ich Steel den Mantel auszog, mich aufrichtete und in ihr auffordernd hinhielt. »Das ist nicht dein ernst«, sagte sie.

»Ich weiß, es ist lächerlich, aber es kann funktionieren«, antwortete ich ungeduldig. »Setz seinen Hut auf. Und geh genau hinter mir. Der Wagen steht direkt vor der Tür. Wenn sie für zwei oder drei Sekunden darauf hereinfallen, haben wir eine Chance.«

Kimberley sah mich auf eine Art an, als zweifle sie an meinem Verstand, schlüpfte aber trotzdem gehorsam in den Mantel und bückte sich nach dem schwarzen Hut, den Steel getragen hatte. Mit einiger Mühe gelang es ihr, ihr blondes Haar darunter zu verbergen. Ich nahm ihre Handtasche an mich, stopfte sie unter meine Jacke und reichte ihr Steels Pistole. Kimberley riss die Augen auf.

»Was soll ich damit?«

»Sie mir in den Rücken drücken«, antwortete ich. »Unauffällig, aber so, dass sie es sehen können.«

»Das ist Wahnsinn«, murmelte Kim.

»Ich weiß«, antwortete ich. »Wir müssen schnell sein. Sobald ich zu rennen beginne, läufst du zum Wagen. Wenn mir etwas passiert, verschwindest du.« Ich hob die Stimme, als sie antworten wollte. »Keine Widerrede! Es nutzt weder dir noch mir, wenn sie uns beide kriegen.« Ich deutete auf Steel. »Komm jetzt, bevor er wach wird.«

Wir gingen weiter, blieben aber vor der Haustür noch einmal stehen. Ich versuchte, einen Blick durch das Glas auf die Straße hinaus zu werfen, aber die eingeschaltete Treppenhausbeleuchtung und die Dunkelheit draußen verwandelten es in einen Spiegel, auf dem ich nur unsere eigenen, verzerrten Schatten sah. Immerhin glaubte ich, einen Schemen wahrzunehmen, der sich auf der anderen Straßenseite bewegte. »Bist du so weit?« fragte ich. Ich konnte hören, wie sie den Kopf schüttelte.

»Nein, aber wir müssen es wohl trotzdem tun.«

Die Angst war fast völlig aus ihrer Stimme verschwunden. Sie klang angespannt, aber nicht einmal sehr nervös und wieder spürte ich für einen winzigen Moment so etwas wie Bewunderung für ihre Kaltblütigkeit. Ich selbst starb innerlich fast vor Angst. Unser Plan war kein Plan, sondern einfach grotesk. Trotz der Dunkelheit draußen würde Kims Verkleidung allerhöchstens zwei oder drei Sekunden vorhalten. Aber diese Zeit musste eben reichen!

Ich öffnete die Tür, trat langsamer als notwendig hinaus und sah mich rasch nach beiden Seiten um. Vielleicht hatten wir doch Glück. Der Wagen war da, wie ich erwartet hatte, aber er parkte nicht unmittelbar vor dem Haus, sondern auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Gesichter der beiden Männer darin waren als helle Flecken in unsere Richtung gewandt, aber sie würden Zeit brauchen, um uns zu erkennen. Zeit, um zu reagieren und vor allem Zeit, um auszusteigen. Vielleicht nur einige Sekunden, doch unser eigener Chevy stand kaum zehn Meter entfernt, und ich hatte den Wagenschlüssel bereits in der Hand. Etwas Hartes berührte mich im Rücken und versetzte mir einen sachten Stoß, der mich einen halben Schritt weit aus der Tür stolpern ließ; Steels Pistole, die Kim mir zwischen die Schulterblätter drückte.