»Ich kenne mich hier in der Gegend nicht besonders gut aus«, sagte ich, »aber es kann ...«
»Eine knappe halbe Stunde mit dem Wagen«, fiel mir der Lieutenant ins Wort; eine schlechte Angewohnheit, die er wohl von Friend übernommen hatte. »Wenn Sie der Hauptstraße nach Osten folgen, können Sie es gar nicht verfehlen.«
Ich sah auf die Uhr, überlegte einen Moment und sah dann noch einmal auf meine Armbanduhr. Ich hatte noch genug Zeit. Wenn ich mich nicht länger als eine Stunde bei den Hills aufhielt, konnte ich immer noch in aller Ruhe den Mietwagen zurückbringen und meinen Zug erreichen.
»Betty und Barney Hill«, sagte ich nachdenklich. »Kennen Sie diese Leute, Lieutenant?«
Er sah mich so befremdlich an, dass die Antwort eigentlich schon überflüssig war. »Flüchtig. Ich war ... zwei- oder dreimal bei ihnen.«
»Zusammen mit Major Friend?«
Diesmal nickte er nur. Er gab sich keine besondere Mühe, die Tatsache zu verhehlen, dass er mir diese Akte ganz bestimmt nicht gegeben hätte. Aber als ich aufstand und meine Aktentasche zu packen begann, räusperte er sich gekünstelt und sagte: »Mister Loengard. Darf ich ... Ihnen einen privaten Rat geben?«
»Selbstverständlich.«
»Sie verschwenden Ihre Zeit«, sagte der Lieutenant. »Die Hills werden Ihnen nichts sagen. Und selbst wenn ... glauben Sie mir: Es ist vernünftiger, wenn Sie das alles vergessen und nach Hause fahren.«
»Major Friend schien nicht dieser Meinung zu sein«, sagte ich.
»Ich weiß«, antwortete der Lieutenant. Er fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen und wusste plötzlich nicht mehr, wohin mit seinem Blick. Wahrscheinlich tat es ihm längst schon wieder leid, das Thema überhaupt angeschnitten zu haben.
»Keine Sorge«, sagte ich. »Ich werde dem Major gegenüber nichts sagen.«
»Sie dürfen mich nicht falsch verstehen, Mister Loengard«, fuhr der Lieutenant nervös und mit einem hastigen Blick zur Tür fort. »Major Friend ist ... ein wirklich guter Offizier. Er ist ein sehr kluger Mann, und er ist bei allen hier sehr beliebt, auch wenn Sie vielleicht einen anderen Eindruck gewonnen haben. Nur diese ... diese UFO-Geschichte ...«
»Ich verstehe«, sagte ich, als er nicht weitersprach, sondern mich nur unbehaglich ansah. »Jeder hat so seine Marotten, nicht? Sie meinen, er hat vielleicht ein bisschen zu viel in all diesen Akten und Berichten geblättert.«
»Es ist weniger eine Marotte, als vielmehr eine Frage des Glaubens«, sagte der Lieutenant. In seiner Stimme schwang ein sonderbarer Ernst mit, und erst in diesem Moment wurde mir klar, was er mir wirklich zu sagen versuchte. Er hatte mich keineswegs angesprochen, um seinem Vorgesetzten in den Rücken zu fallen, sondern ganz im Gegenteil, um ihn zu beschützen. Er wollte nicht, dass ich nach Washington zurückfuhr und dort erzählte, dass Wright-Patterson von einem Mann geleitet wurde, der an kleine grüne Männchen vom Mars glaubte und nachts den Mond anheulte.
Wenigstens glaubte ich das in diesem Moment.
»Keine Angst«, sagte ich. »Niemand wird etwas erfahren. Ich gehe zu den Hills und rede mit ihnen, aber ich werde Major Friends Namen nicht einmal erwähnen.«
»Wie Sie meinen, Mister Loengard«, antwortete der Lieutenant. Er hatte sich jetzt wieder vollkommen in der Gewalt, so dass seinem Gesicht nicht die mindeste Regung anzusehen war. Trotzdem hatte ich das vage Gefühl, dass er nicht unbedingt das gehört hatte, was er hören wollte. Vielleicht traute er meiner vollmundigen Versprechung nicht. Und wie auch - schließlich war ich ein vollkommen Fremder für ihn.
Ich packte meine Sachen zusammen, notierte mir die Adresse der Hills und ging. Als ich das Büro verließ, griff der Lieutenant zum Telefonhörer und begann eine Nummer zu wählen.
Ich brauchte etwas mehr als die halbe Stunde, die der Lieutenant veranschlagt hatte, um das Haus der Hills zu erreichen, denn ich hatte auf halbem Wege an einer Raststätte Halt gemacht, um einen Kuchen zu kaufen. Als ich es tat, kam es mir wie eine großartige Idee vor; als ich auf den Klingelknopf drückte und den Schritten lauschte, die sich von drinnen der Tür näherten, kam ich mir - offen gesagt - ziemlich dämlich vor.
Ich fragte mich, was ich eigentlich hier tat. Kimberley wähnte mich jetzt schon auf dem Weg nach Hause, und eigentlich gab es keinen vernünftigen Grund, es nicht zu sein. Die Akte der Hills hatte absolut nichts enthalten, was diesen Umweg rechtfertigte, und auch die Gegend, in der das Haus des Paares lag, war eher ernüchternd: eine typische Vorstadt-Straße voller einfacher, aber gepflegter Einfamilienhäuser, die hinter schmucken Vorgärten mit kiesbestreuten Auffahrten und sorgsam gepflegten Blumenrabatten lagen. Die polierten Mittelklassewagen der Hausbesitzer und die nicht ganz so liebevoll gepflegten Cabrios ihrer Söhne und Töchter flankierten die Straße. Alles, was noch fehlte, um das Viertel auf das Titelblatt des American-Way-Of-Life-Magazins zu bringen, war der Zeitungsjunge, der von Haus zu Haus radelte und Zeitungen gezielt auf Vordächer und in Blumenbeete warf. Eindeutig keine Gegend, in der man UFO-Fanatiker erwartete oder Leute, die einfach alles taten, um einmal auf das Titelblatt des National Enquirer zu kommen.
Aber zu diesem Menschenschlag gehörte Major Friend eindeutig auch nicht.
Mein Blick blieb für einen Moment an einem grauen Buick hängen, der langsam auf der anderen Straßenseite entlangfuhr. Ich war nicht sicher - aber ich glaubte, den Wagen vorhin schon einmal gesehen zu haben, als ich an der Raststätte anhielt, um den Kuchen zu kaufen.
Wahrscheinlich bedeutete es nichts. Ich konnte das Gesicht des Fahrers nicht erkennen, aber ich sah, dass er den Kopf hin und her bewegte, während er langsam die Straße hinunterfuhr. Der Mann suchte eine bestimmte Adresse, so einfach war das. Ein Zufall.
Die Tür wurde geöffnet, und ich sah mich einer adrett gekleideten, vielleicht vierzigjährigen Frau mit modisch kurzgeschnittenem Haar und freundlichen Augen gegenüber.
»Mrs. Hill?« fragte ich.
»Ja«, antwortete sie. »Was kann ich für Sie tun?«
»Mein Name ist John Loengard«, antwortete ich. »Ich komme gerade von der Wright-Patterson Air Force Base, und ...«
Etwas Falscheres hätte ich in diesem Moment vermutlich gar nicht sagen können. Jede Spur von Freundlichkeit in ihrem Blick erlosch, und ihr Lächeln machte einem Ausdruck Platz, der mich an den Friends erinnerte: eine Mischung aus Misstrauen und Furcht, die einen Grund hatte. Und es gab noch etwas, das sie mit dem Major gemein hatte: Sie ließ mich nicht ausreden.
»Tut mir leid«, unterbrach sie mich. »Wir möchten nicht mehr mit jemandem von der Air Force reden. Wir haben schon alles gesagt, was zu sagen ist.«
Und jedes einzelne Wort davon hundertmal bedauert, fügte ihr Blick hinzu. Ihr Gesichtsausdruck war dem Friends doch nicht so ähnlich, wie ich gedacht hatte. Friends feindseliges Misstrauen war einfach Teil seines Berufs. Dieser Frau war irgendetwas angetan worden, das spürte ich.
»Ich arbeite nicht für die Air Force«, sagte ich rasch.
»Bitte verzeihen Sie meine ungeschickte Formulierung. Ich war nur gerade auf der Basis und habe mit Major Friend gesprochen.«
»Friend? Sie kennen ihn?«
»Nicht besonders gut«, gestand ich. »Ich arbeite für die Regierung. Für den Kongress, um genau zu sein.«
Sie sagte nichts, sondern sah mich nur zweifelnd an. Die Erwähnung meines Arbeitgebers schien sie nicht sonderlich zu beeindrucken - immerhin war sie beinahe alt genug, um meine Mutter sein zu können - aber ich schien ihre Neugier geweckt zu haben.
»Und was haben Sie mit Major Friend zu tun?« fragte sie.
»Eigentlich nichts«, sagte ich. »Aber er gab mir Ihre Adresse und Ihre Akte. Sehen Sie, es geht um ... um das Erlebnis, das Sie und Ihr Mann vor einer Weile hatten.« Ich sah, wie sich ihr Blick schon wieder verdüsterte, und fuhr rasch fort: »Möglicherweise gibt es neue Erkenntnisse. Aber um sicher zu sein, müsste ich noch einmal mit Ihnen und Ihrem Mann reden. Der Bericht allein ... nun, Papier sagt manchmal nicht so viel aus wie ein gesprochenes Wort.«