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 »Shit«, sagte er.

 »Kommen Sie da raus oder ich sage Mrs. Sanders-Moss, sie soll die Tür aufbrechen lassen!«

 »Nur ein bisschen noch, Olivia, Liebes. Sei brav und geh fort.«

 »Das ist nicht die Gästetoilette! Sie sind schon eine Stunde da drin!«

So lange schon? Und wenn, dann nur, weil sie ihn dauernd störte. Er musste sich auf das Nächstliegende konzentrieren. Er füllte die Spritze wieder auf.

Aber die Nadel schien stumpf zu sein.

Obgleich die Spitze so scharf war wie eh und je.

Er verstärkte den Druck.

Er zuckte zusammen. Es tat weh, und wie. Die weiche Haut wurde eingedellt, bekam einen Trichter, und lief rot an. Aber sie ließ die Nadel nicht hinein.

Er probierte es am Handgelenk. Dasselbe — als versuche er Leder mit dem Löffel zu schneiden. Er ließ die Hose runter und probierte es innen am Oberschenkel.

Nichts.

In seiner Verzweiflung stach er mit der nässenden Nadel nach seinem Hals, dahin wo er eine Arterie vermutete.

Die Spitze brach ab. Die Spritze sabberte ihren Inhalt über den offenen Hemdkragen.

 »Shit!«, rief Vale wieder, er hätte weinen mögen vor Enttäuschung.

Die Tür barst nach innen. Da war Olivia, die ihn angaffte, und hinter ihr dieser junge Parvenü aus dem Kongress und Eleanor mit geweiteten Augen und auch Timothy Crane mit halbamtlichem Stirnrunzeln.

 »Oh!«, sagte Olivia. »Das konnte ich ja nicht wissen!«

* * *

 »Der goldene Schuss in der Niggertoilette? Ungeschickt, Elias, gelinde gesagt.«

 »Halt den Mund«, sagte Vale frustriert. Die anfängliche Wirkung des Morphiums hatte sich verloren. Sein Körper war staubtrocken, der Verstand zum Verrücktwerden klar. Er ließ sich von Crane zu dessen Auto bringen, nachdem Eleanor klargestellt hatte, dass er fortan unerwünscht sei und sie die Polizei rufen würde, falls er sich hier noch einmal blicken lasse. Der genaue Wortlaut hatte nicht so diplomatisch geklungen.

 »Unsere Arbeitgeber sind nicht kleinlich«, sagte Crane.

 »Wer?«

 »Die Götter. Es schert sie nicht, was du in deiner Freizeit machst. Morphium, Kokain, Frauen, Sodomie, Mord, Backgammon — sie machen da keinen Unterschied. Aber du darfst dich nicht betäuben, wenn sie deine Aufmerksamkeit brauchen, und schon gar nicht versuchen, dir eine tödliche Überdosis zu spritzen, wenn das deine Absicht war. Das war dämlich, Elias, wenn ich das so sagen darf.«

Der Wagen bog um eine Ecke. Aus dem trostlosen Tag wurde ein trostloser Abend.

 »Es gibt zu tun, Elias.«

 »Wo fahren wir hin?« Nicht dass ihn das sonderlich interessierte, wenngleich er in seinem Innern die ekelerregende Gegenwart der Gottheit spürte, er bekam Pulsjagen und ein Hohlkreuz.

 »Zu Eugene Randall.«

 »Ist mir neu.«

 »Jetzt nicht mehr.«

Vale musterte apathisch die Polsterung des nagelneuen Ford. »Was ist in der Tasche?«

 »Sieh nach.«

Der lederne Arztkoffer enthielt Dreierlei: ein Skalpell, eine Flasche Methylalkohol und ein Döschen Zündhölzer. Sonst nichts.

Alkohol und Zündhölzer — um das Skalpell zu sterilisieren? Das Skalpell, um…

 »Oh, nein«, sagte Vale.

 »Nicht so zimperlich, Elias.«

 »Randall ist nicht wichtig genug… egal was du vorhast.«

 »Ich habe gar nichts vor. Die Entscheidung liegt nicht bei uns. Das weißt du.«

Vale starrte den vergnügten Burschen an. »Es macht dir nichts aus?«

 »Nein. Nicht wirklich.«

 »Du machst das nicht zum ersten Mal, hab ich Recht?«

 »Elias, das ist Berufsgeheimnis. Tut mir Leid, wenn ich dich erschrecke. Was glaubst du denn, für wen wir arbeiten? Für den lieben Gott aus der Bibelstunde, für den ach so Guten Hirten? Wir haben es eher mit einem reißenden Leoparden zu tun.«

 »Willst du Eugene Randall töten?«

 »Du triffst den Nagel auf den Kopf.«

 »Aber warum?«

 »Muss ich das wissen? Das Problem ist wahrscheinlich die Aussage, die er vor dem Chandler-Ausschuss machen will. Alles, was er tun muss, und das hat ihm meines Wissens die selige Louisa Ellen bereits geraten, ist nichts zu tun; er soll den Untersuchungsausschuss seines Amtes walten lassen. Es gibt fünf Zeugen, die angeblich gesehen haben, wie die Weston von Englisch sprechenden Gentlemen mit Mörsern und regulären Lee-Enfield-Gewehren beschossen wurde. Randall würde sich und dem Smithsonian eine Menge Ärger ersparen, wenn er einfach nur lächeln und nicken würde, aber wenn er unbedingt querschießen möchte…«

 »Er glaubt, dass Finchs Leute noch am Leben sind.«

 »Du sagst es.«

 »Selbst wenn — aufs Ganze gesehen, was macht das schon? Wenn die Götter wirklich wollen, dass es Krieg gibt, dann dürfte Randalls Aussage kein Hindernis sein. Und die Zeitungen werden sowieso nicht darüber berichten.«

 »Aber sie werden den Mord bringen. Und wenn wir es richtig anstellen, dann waren es britische Agenten.«

Vale schloss die Augen. Ein Rad greift ins andere, ad infinitum. Einen qualvollen Moment lang sehnte er sich nach der Morphium-Spritze.

Dann überkam ihn eine verdrossene Entschlossenheit, es war nicht wirklich seine. »Wird es lange dauern?«

 »Überhaupt nicht«, winkte Crane ab.

* * *

Vielleicht war es eine Nebenwirkung des Morphiums, denn Vale spürte die Gegenwart seiner Gottheit neben sich, als er durch den verwaisten Korridor des Museums zu Randalls Büro ging. Randall war allein, arbeitete noch, und vermutlich hatten die Götter auch das arrangiert.

Seine Gottheit war ungewöhnlich leibhaftig. Wenn er nach links sah, konnte er sie sehen oder bildete sich ein, sie zu sehen. Sie ging neben ihm her. Bot weder einen erfreulichen noch einen ätherischen Anblick. Ihre Präsenz war so aufdringlich wie die eines ausgewachsenen Ochsen, allerdings um Längen grotesker.

Sie hatte viel zu viel Arme und Beine, das Maul war grausig, außen scharf wie ein Schnabel und inwendig feucht und knallrot. Ein Kamm aus knotigen Beulen zog sich vom Bauch bis zum Hals. Eine frontale Wirbelsäule? Vale konnte die Farbe der Gottheit nicht ausstehen: ein totes, mineralisches Grün. Crane, der rechts neben ihm ging, sah nichts von alledem.

Roch auch nichts. Doch der Geruch war genauso leibhaftig, zumindest für Vales Nase. Ein strenger, chemischer Geruch wie in einer Gerberei oder in einer Arztpraxis, wenn irgendeine Flasche zu Bruch gegangen war.

Sie überraschten Eugene Randall in seinem Büro. (Wie überrascht Randall erst gewesen wäre, hätte er die abscheuliche Gottheit sehen können! Das war offensichtlich nicht der Fall.)

Randall sah müde von der Arbeit auf. Nach Walcotts Ausscheiden hatte er die Leitung des Museums übernommen, was sichtlich an seinen Kräften zehrte. Ganz zu schweigen von der Vorladung des Untersuchungsausschusses und seiner post mortem nörgelnden Gattin.

 »Elias!«, sagte er. »Und Sie sind Timothy Crane, richtig? Wir sind uns bei Eleanor begegnet.«

Eine Unterhaltung war unerwünscht. Die Zeiten ändern sich. Crane ging ans Fenster hinter Randall und öffnete den Arztkoffer. Er nahm das Skalpell heraus. Es glitzerte im wässrigen Licht. Randalls Aufmerksamkeit galt weiterhin Vale.

 »Elias, was gibt es? Offen gesagt, ich habe jetzt keine Zeit für…«

Wofür?, fragte Vale sich, als Crane rasch vortrat und das Messer über Randalls Hals zog. Randall gurgelte und schlug um sich, doch er hatte zu viel Blut im Mund, um wirklich laut zu werden.