Выбрать главу

Guilford hatte viel Fleisch verloren und setzte in leichten Sprüngen zwischen den erodierten Mausoleen voran.

Er hat mich die ganzen Jahre regelrecht zugeritten.

Doch wir sind ein und derselbe.

Sind wir nicht.

Erinnerung dampfte aus der Dämonenstadt.

Einst waren diese Bauwerke weiß und rein wie Marmor gewesen, angefüllt mit Lebensmitteln und von einer unfreiwillig bösen und ungeheuer kraftvollen Spezies bewohnt, wohlgehegten Instrumenten, um die Archivzeit mit Psileben zu durchsetzen. Hirnlose Baumeister, die wie Insekten lebten. Als ausgewachsene Kreaturen in den Born der Schöpfung geschickt, waren sie ihm als sterbliche Götter entstiegen.

Das war nur ein Pfad in die Ontosphäre des Archivs. Es gab Tausende solcher Eintrittspunkte. Psileben war ebenso unerbittlich wie erfinderisch.

Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen und sie haben mir Angst gemacht: Herrgott, wovor hat jemand Angst, der zwischen den Sternen lebt?

Ich erinnere mich an Caroline, dachte er grimmig. Ich erinnere mich an Lily. Ich erinnere mich an Abby und Nicholas.

Ich entsinne mich, wie Blut aussieht, das sich mit Regen und Erde vermischt.

Ich entsinne mich eines blauen Himmels unter einer Sonne, die vor einer Milliarde Jahren erloschen ist.

Ich entsinne mich zu vieler Himmel.

Zu vieler Welten.

Er entsann sich wider Willen der abertausend Byzanzen der greisen Milchstraße.

Er drang tiefer in dieses weitläufige Ruinenfeld vor, Bereiche, in die nicht einmal die Mittagssonne drang, wo die Schatten in Ozeane aus Finsternis mündeten.

Sterbe ich?, dachte er.

Was hieß schon sterben in einer Welt, die aus lauter Zahlen bestand?

Tom Compton schloss sich ihm an, die beiden Männer gingen ein Stück weit Seite an Seite. »Halt die Augen offen«, sagte der Grenzer. »Sie sind dicht vor uns.«

Guilford ließ von den Sternen ab und konzentrierte sich auf gemeißeltes, erodiertes Gestein.

Der Geruch, dachte er. Penetrant. Wie Lösungsmittel. Wie etwas, das gründlich verdorben war. Vor ihm, wo der Nebel sich lichtete, sah er den glänzenden Körper und die messerscharfen Scheren des Feindes.

 »Zeig dich nicht«, flüsterte Tom Compton. »Wir sind zu dicht vor dem Ziel, um einen Kampf zu riskieren.«

* * *

Vor zehntausend Jahren, so die Zeitrechnung der Ontosphäre, waren die Dämonen in ihrem Brunnen gebannt worden.

Ihre irdischen Inkarnationen waren Tiere. Das Psileben hatte gefährlichen Code in ihre DNS geschrieben, doch eine Gefahr für das Archiv wurden sie erst, wenn sich die Dämonen ihrer bemächtigten. Als Gott hatte Guilford mit ihnen gekämpft, unsichtbar und kraftvoll wie der Wind.

In eben diesen kraftvollen Körpern wollten sie aus dem Brunnen steigen, und die Männer, die ihn verteidigten, die Marionetten derselben monistischen Logik, würden anfangen, fremden genetischen Programmen zu gehorchen.

Nur dass sie es früher taten als die Dämonen erwartet hatten. Neue Turingmaschinen hatten das Tuning gesprengt. Der Feind stolperte über seine eigene, schwerfällige Metamorphose.

Doch es half alles nichts: Ein Saat-Bewusstsein musste seinen uralten Geist in die Tiefen des Brunnens tragen.

Guilford Law spürte die Angst des sterblichen Guilford — die letztlich seine eigene war. Ihm tat diese überforderte Kopie seiner selbst Leid, diese unfreiwillige Achse, um die sich die Welt drehte.

Nur Mut, kleiner Bruder… hallte es zwischen Guilford und Guilford und verlor sich wie ein Lichtstrahl zwischen schadhaften Spiegeln.

* * *

Die von Dämonen besessenen Männer — selbst diejenigen, die so sehr deformiert waren, dass sie kein Gewehr mehr handhaben konnten — waren dennoch eine tödliche Bedrohung. Guilford spürte die enorme Energie, die aufgewendet wurde, um ihn trotz seiner verheerenden Verletzungen am Leben zu halten.

Das Artilleriefeuer im Westen hatte nachgelassen. Die Munition wird knapp, dachte Guilford. Jetzt wird Mann gegen Mann gekämpft.

Im Winter war die Stadt ganz anders gewesen, als Tom und Sullivan neben ihm hergestapft waren, die eigene Stimme und die der Gefährten, das traurige Bellen der Wollschlangen und die weichen Kurven des Schnees, damals, als sie noch so naiv gewesen waren, an eine vernünftige und einleuchtende Welt zu glauben.

Er dachte mit Wehmut an Sullivan, der sich den Kopf über das Wunder von Darwinia zerbrochen hatte… das gar keines war, das lediglich einer Technik entsprang, die so ungeheuer fortgeschritten war, dass kein Mensch sie verstanden oder auch nur in Betracht gezogen hätte. Mit dieser Spukwelt hätte Sullivan nichts anfangen können, dachte Guilford. Ebensowenig Preston Finch; mit Zweiflern und Eiferern hatte diese Welt nichts im Sinn.

In der Nähe ratterten Handfeuerwaffen. Tom Compton blickte über die Schulter und winkte ihn die moos-verschorfte Mauer entlang. Der klare Morgenhimmel war bleiernen Haufenwolken und Regenschauern gewichen. In der Düsternis glühte der verwüstete Leib des Grenzers, schwach nur, wie Kerzenschein. Warum kein Schild um den Hals, dachte Guilford. Endlich umbringen. Wir leben noch.

Aber der Feind war auch nicht zu übersehen.

Ein paar Yards entfernt kam ein Dutzend ihrer Gegner die breite Straße herunter. Er duckte sich hinter gestürzten Steinquadern und wartete, bis sie vorbei waren. Die knotigen Rücken glänzten wie gehämmertes Metall, und die langen Köpfe pendelten missmutig hin und her. Knochige Schultern, knochige Hüften. Groteske Zweibeiner, fast eine vorsätzliche Parodie auf die Menschen, die sie eben noch gewesen waren. Manche trugen noch schmierige Fetzen menschlicher Kleidung am Leib.

Der sterbliche Anteil von Guilford Law wäre am liebsten davongelaufen.

Doch der sterbliche Anteil von Guilford Law bezwang seine Furcht.

Er bewegte sich zwischen geborstenen Steinwänden auf das Zentrum der Stadt zu, auf demselben Weg wie damals, in jenem schrecklichen Winter vor knapp einem halben Jahrhundert. Wo die Kuppel über dem Brunnen stand und die Erscheinungswelt ein Loch hatte.

Kapitel Neununddreißig

Matthew Crane hatte die Deckenlampe ausgeschaltet. Er saß in einer düsteren Ecke seines Büros. Die Schreibtischlampe hatte er brennen lassen.

Der Schreibtisch war leer geräumt. Im Lichtkegel der Lampe lag nur ein einziger Gegenstand: eine Pistole, ein altmodischer Revolver, blank und makellos.

Lily stierte auf die Waffe.

 »Sie ist geladen«, sagte Matthew Crane.

Er klang wie durch Gallerte hindurch, undeutlich, gurgelte die Worte. Lily ertappte sich, wie sie die Entfernung zum Schreibtisch taxierte. Konnte sie es vor ihm schaffen? Oder würde sie alles nur schlimmer machen? Was wollte er von ihr?

 »Keine Angst, mein kleiner Floh«, sagte Crane.

 »Kleiner Floh?«, sagte Lily.

 »Wie sagt der Volksmund? Große Flöhe haben kleine Flöhe im Pelz und die kleinen noch kleinere. Weil Sie mein kleiner Floh waren, Lily. Das waren Sie doch, oder?«

Sie tastete nach dem Lichtschalter. »Lassen Sie das«, sagte Crane scharf.