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Der Preis eines Kopfes

Was in der Nachschrift zur Anekdote von den Passagieren des Todes gesagt wurde, sei hier als Vorspruch wiederholt: Die Freiheit spricht in vielen Zungen, aber es ist immer dieselbe Sprache. Ähnliche Geschichten wie die nachfolgende, die mir während meines Aufenthalts in China zu Ohren gekommen, sind im letzten Krieg auch von polnischen und jugoslawischen Partisanen erzählt worden.

Die Einwohner der Stadt Schen Jang, die am Tage nach einem geglückten Überfall von Partisanen und Abteilungen der Achten Marscharmee auf eine fette Nachschubkolonne der Kuomintangtruppen an ihren Hausmauern gemeinsame Bekanntmachungen des Generalissimus Tschiang Kai-schek und seines amerikanischen Beraters Wedemeyer lasen, in denen ein Preis von hunderttausend Goldyüan für den Kopf des "Banditenführers" Ho Lung versprochen wurde, fanden am nächsten Morgen neben jedem dieser Anschläge einen andern folgenden Inhalts:

"Auch ich setze Kopfpreise aus. Für den Papiertiger Tschiang, tot oder lebendig, zehn Yüan. Für den General aus Amerika einen Yüan. Mehr sind sie nicht wert. Ho Lung, Divisionskommandeur der Befreiungsarmee."

Der Schmiedehammer

In den obersteirischen Dörfern konnte man um die Jahreswende 1939/40, wenn gerade kein SS-Mann oder Nazibeamter in der Nähe war, manche abenteuerliche Geschichte über einen Grobschmied Xaver N. aus B. hören, von dem die Behörden behaupteten, er sei erwiesenermaßen längst gestorben, während die Geschichtenerzähler überzeugt waren, daß ihr Held eher den Tod zum Teufel schicken als sich von ihm holen lassen würde.

Der Schmied hatte auf obrigkeitlichen Befehl hin seine Werkstatt schließen und als Arbeiter in einen Linzer Rüstungsbetrieb gehen müssen. Als er den ersten Urlaub erhielt und sein Heimatdorf aufsuchte, fand er die Werkstatt erbrochen und völlig ausgeräumt. Nur der alte Schmiedehammer seines verstorbenen Vaters lag noch in einer Ecke. Zuerst glaubte Xaver N. an einen Einbruch, doch wurde er von Nachbarn belehrt, daß die Alteisensammler der NSDAP dagewesen und alles Metallene mitgenommen hatten. Der Verrechnungsschein sei beim Bürgermeister hinterlegt und könne in zwei Wochen auf dem Steueramt zur Einlösung präsentiert werden.

Den Schmied erfaßte, als er dies hörte, ein unbändiger Zorn. Er rief das ganze Dorf zusammen und schwor vor den entsetzten Bauern, daß er es den "preußischen Dieben" eintränken werde. Damit hob er den väterlichen Hammer hoch und ließ ihn mit aller Wucht auf das Schild mit dem Hitlerabzeichen niedersausen, das sich an der Tür des Gemeindeamtes befand. Das Hakenkreuz ging in Trümmer. Hierauf verschwand Xaver N. mit der Versicherung, er werde sich in der Bezirksstadt sein Recht holen.

Er ward nicht wieder gesehen. Einige Wochen später sickerte durch, daß er auf der Alteisen-Sammelstelle der Nationalsozialistischen Partei einen Sturmführer, der ihn barsch abgefertigt, mit den Worten: "Habt ihr schon das andere gestohlen, so nehmt auch noch den Hammer hier!" durch einen fürchterlichen Hieb niedergeschlagen habe. Einer Schwester, die sich nach seinem weiteren Schicksal erkundigte, wurde mitgeteilt, daß Xaver N. im Gefängnis gestorben sei. Sie erhielt auch einen ordentlich ausgestellten Totenschein, doch wurde ihr die Auslieferung der Leiche verweigert.

Als in der Folgezeit bald hier, bald dort das Hoheitszeichen über der Tür einer Polizeistation oder eines Gemeindeamtes zertrümmert gefunden wurde, ohne daß es jemals gelungen wäre, den Täter zu fassen, verbreitete sich zuerst in B. und später in der ganzen Obersteiermark das Gerücht, daß Xaver N. gar nicht tot sei, sondern sich den Nazis entzogen habe und nun im Lande umherstreife, ungreifbar, unaufspürbar. Und Jahre später, als die ersten Partisanentrupps an der steirisch-jugoslawischen Grenze und im Salzburgischen auftauchten, tuschelte man sich an den Dorfbrunnen und in den Spinnstuben zu, Xaver N., der Rächer mit dem Schmiedehammer, sei einer von den Führern der neuen Freiheitskämpfer.

Nachkommen oder Vorfahren?

Wir amerikanischen Soldaten, die im zweiten Weltkrieg oder nachher nach England gekommen sind, haben dort wie die Affen im Dschungel gehaust, wofür ich das englische Volk verspätet um Entschuldigung bitte.

Aus dem Brief eines Lesers, Lewis Grant, an die New-Yorker Zeitscbrift "Life"

Im Staate Tennessee, der — nicht etwa deshalb, weil die übergroße Mehrheit seiner Einwohner aus Schwarzen besteht, sondern wegen des Rassedünkels der Weißen, die dort regieren — zu den dunkelsten der Nordamerikanischen Union gezählt werden muß, wurde im Jahre 1952 ein Lehrer mit Namen Abe Gallaghan vor den Richter seines Wohnorts geladen, um sich gegen die von den Eltern mehrerer Schüler erhobene Anklage zu verteidigen, er habe im Unterricht auf die Frage eines Jungen, ob der Mensch vom Affen abstamme, nicht mit einem unzweideutigen Nein geantwortet, was als Anerkennung der Darwinschen Entwicklungslehre gedeutet werden müsse. Nun ist diese aber nach einem vor nicht allzu langer Zeit in Tennessee eingeführten Gesetz aus dem Schulunterricht verbannt, und jeder, der sie lehrt, straffällig. Gallaghan, obwohl er das wußte, leugnete nicht, ein Anhänger besagter wissenschaftlicher Lehre zu sein, erklärte aber, daß er willens sei, seine Ansicht über die Entstehung der Arten, zumindest was die Tennesseer angehe, zu widerrufen, denn es liege auf der Hand, daß sie bestenfalls die Vorfahren, keineswegs jedoch die Nachkommen der Affen sein könnten.

Was daraufhin mit Gallaghan geschehen, ist uns nicht zu Ohren gekommen, doch erscheint schon das oben Berichtete des Papiers und der Tinte wert, die an die Aufzeichnung gewendet wurden.

Das Wort Hiobs

An der rauchgeschwärzten Mauer der Synagoge von Kowel, in deren zum Gefängnis gemachten Betsaal die Nazis Hunderte jüdischer Männer, Frauen und Kinder zusammengepfercht hatten, um sie nach und nach lebendig zu begraben oder zu vergasen, fanden Presseberichterstatter, die nach der Vertreibung der Deutschen die befreite Stadt besuchten, unter verschiedenen Inschriften mit letzten Wünschen auch den hebräischen Hiobvers: "Ach Erde, bedecke mein Blut nicht, und mein Geschrei finde keine Ruhestätte!"

Darunter hatte eine andere Hand in Russisch vermerkt: "Gelesen. Gehört. Beherzigt. Bei der Einnahme Kowels wurde von der zweiten Kompanie des x-ten Garderegiments der Roten Armee die gesamte SS-Garnison des Stützpunktes Kowel-Süd, dreihundertzweiundvierzig Offiziere und Mannschaften stark, da sie sich nicht ergeben wollte, im Kampfe aufgerieben. I.I. Glazunow, F. A. Foiblman, Sergeanten, auf dem Wege nach Berlin."

Tausend und eine Zunge

Als die englischen Soldaten und belgischen Partisanen, die das Ardennenstädtchen Florennes befreiten, in das Gebäude der deutschen Kommandantur eindrangen, fanden sie in einer der Kellerzellen die Leiche eines Knaben. Es handelte sich wie alsbald festgestellt wurde, um den dreizehnjährigen Pierre Etienne Delvaux, den die Gestapo aufgegriffen hatte, um Näheres über den Aufenthaltsort seiner zwei älteren Brüder, Mitglieder einer Partisanenabteilung, zu erfahren. Eingedenk der Abschiedsworte seiner schon vorher verhafteten Mutter: "Ein einziger Gedanke: nichts gestehen." biß sich Pierre Etienne Delvaux vor dem Verhör die Zunge ab. Er wurde daraufhin mit dem Gewehrkolben niedergemacht.