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"Ja", entgegnete der Kellner, "ich bin unten gewesen, Sergeant in der Armee des Generalissimus, bis…" Er lüpfte das linke Hosenbein und ließ uns einen Holzfuß sehen. Dann fuhr er fort: "Aber wahrscheinlich hätte ich, auch ohne verwandet zu sein, die Armee verlassen. Warum? Hören Sie zu! Es war nach unserem Durchbruch zum Meer. Die Republikaner hatten zwar ihre Front wiederhergestellt, aber wir drückten sie noch immer zurück; sie hatten wenig Munition, und vor allem hungerte ihr Hinterland. Unsere Flieger bombardierten täglich mehrere Male die Städte hinter der feindlichen Front. Eines Tages warfen sie nach einem großen Luftangriff auch einige weiße Brote ab, die an Fallschirmen niederschwebten; sie trugen Zettel mit der Inschrift: "Das ißt man bei uns. Ergebt euch, und ihr kriegt auch die Bäuche voll." Und wissen Sie, was die Antwort war? Sie wurde uns am nächsten Tag von einer feindlichen Patrouille über das Drahthindernis geworfen: ein Paket mit Sägemehl und dazu die Botschaft "Das müssen wir fressen, und doch lieben wir die Freiheit!" Sehen Sie, damals faßte ich den Entschluß, wegzugehen, denn ich sagte mir: Was habe ich eigentlich hier zu suchen? Und ich wäre um Beurlaubung eingekommen, hätte mich nicht gerade an jenem Tage ein Granatsplitter getroffen."

Das Auge der Mutter

Im reichsten Lande der Welt, im einzigen Lande, das sich — wie uns in diesen Januartagen des Jahres 1947 immer wieder stolz und mahnend vorgehalten wird — den paradiesisehen Zustand der völlig freien kapitalistischen Wirtschaft zu erhalten verstanden hat, geschah es vor kurzem, daß einet Mutter von fünf kleinen Kindern durch das "Staatsjournal" von Wisconsin bekanntgab, sie könne wegen der seit Kriegsende maßlos gestiegenen Unterhaltskosten ihre Familie weder genügend ernähren noch einigermaßen anständig kleiden und biete deshalb eines ihrer Augen zu Transplantierungszwecken dem Meistbietenden an. Von dem Erlös wolle] sie eine Farm für sich und die Kinder kaufen.

Ob das von ihr geplante Geschäft zustande kam, ist nicht bekannt geworden. Die Zeitungen meldeten nur, daß die: Frau wohltätige Spenden im Betrage von zweihundertundfünf Dollar — und eine Verwarnung wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses erhielt.

Liebe zum Lied

Wo man singt, da laß dich ruhig nieder, Böse Menschen haben keine Lieder.

Kreuzstichinschrift auf einer Schlummerrolle in Hitlers "Bergbof"
Der Todestango

Im Laufe des Nürnberger Prozesses gegen Göring und Konsorten kamen auch die Vorgänge in den Vernichtungslagern Belzec und Janowski zur Sprache, wo an die 130 000 Juden von den Nazis vergast, erschossen, erhängt und gepfählt worden waren.

Die Hinrichtungen fanden zu den Klängen eines "Todestangos" statt, den jüdische Musiker auf Befehl des Lagerkommandanten komponieren und spielen mußten. Zuletzt wurde das ganze Orchester in einem Graben vor dem Lager Janowski abgeschlachtet.

Ave-Maria

Bei der Einlieferung eines Schubs französischer Frauen in das Konzentrationslager Auschwitz mußten sich die Gefangenen im schneebedeckten Hof bis aufs Hemd ausziehen, worauf ihnen die Haare abgeschnitten wurden. Nur Ärztinnen und Musikerinnen blieben, weil zu besonderen Diensten ausersehen, im wörtlichen Sinne des Wortes ungeschoren.

Als ein junges Mädchen auf die Frage nach ihrem Beruf angab, Sängerin zu sein, befahl ihr der leitende SS-Führer, auf der Stelle eine Probe ihrer Kunst zu geben. Bloßfüßig im Schnee stehend, mit blauen Lippen, sang die Gefangene das "Ave-Maria" von Gounod.

Wie ein Augen- und Ohrenzeuge des Vorfalles spater zu berichten wußte, wurden die Zuhörer ohne Ausnahme zu Tränen gerührt: Häftlinge sowohl wie auch SS-Manner. Die letzteren allerdings griffen, kaum daß der Gesang verklungen war, zu ihren Ochsenziemern, um den Eingelieferten die übliche Begrüßung zu verabfolgen.

Der Marquis de L…

Nachdem die Geheime Staatspolizei monatelang vergeblich nach dem Hauptschlupfwinkel flüchtiger Mitglieder der französischen Widerstandsbewegung im Gerichtsbezirk von V… gefahndet hatte, gelang es ihr endlich, mit Hilfe eines verräterischen Sergeanten aus den Reihen der "Hurenmiliz" (wie das Sicherheitskorps des Marschalls Petain von allen Patrioten genannt wurde) auf die richtige Spur zu gelangen. Diese führte zu dem Schloß des Marquis de L…, eines gichtbrüchigen alten Herrn, der — weit und breit als unversöhnlicher Gegner der Republik und Führer einer royalistischen Vereinigung bekannt — von den Nazis niemals der Verbindung mit den Revolutionären des Untergrundes verdächtigt worden war.

Vor den SS-Hauptmann gebracht, der die Haussuchung in seinem Schloß leitete, leugnete der Marquis mit keiner Silbe, daß er Feinden der Besatzungstruppen Unterkunft, Nahrung und Ausrüstung gewährt hatte.

Ob ihm bekannt sei, fragte der Hauptmann, daß sich unter seinen Schutzbefohlenen vornehmlich Kommunisten und anderes lichtscheues Gesindel befunden?

Für ihn habe nur das eine Gewicht gehabt, lautete die Antwort des Marquis: daß sie Franzosen auf der Flucht vor dem Feind Frankreichs waren.

Der Hauptmann, indem er eine laute Lache anschlug, bemerkte höhnisch, daß der französische Adel noch viel tiefer, als gemeinhin angenommen, gesunken sein müsse, wenn er aus freien Stücken bei der Auslieferung des Landes an die Roten Handlangerdienste leiste.

Darauf der Marquis: "Mein Herr, ich für meinen Teil ziehe ein rotes Frankreich bei weitem einem solchen vor, das vor Schande errötet."

Sprach´s umschlang mit einer Kraft, die man seinen gichtigen Armen nicht zugetraut hatte, den völlig übetraschten Hauptmann und stürzte sich mit ihm aus dem Fenster.

Die unbekannten Mädchen und der bekannte General

In den ersten Wochen des Jahres 1954 veröffentlichte die amerikanische Zeitschrift "Life" eine von ihrem nach Malaya entsandten Berichterstatter aufgenommene Photographie, die niemand, der noch einer menschlichen Regung fähig ist, ohne tiefe Bewegung betrachten kann. Man sieht darauf mehrere junge Chinesinnen, die — den Kopf leicht vorgeneigt — in einer Sandmulde knien. Ihre Kleider sind zerrissen, ihre Hände gefesselt; auf ihren ebenmäßigen Gesichtern liegt der sanfte Schein gleichmütiger Ruhe und Tapferkeit.

Das Bild, zweifellos die einzige Photographie dieser Mädchen, ist alles, was von ihnen übriggeblieben. Es wurde wenige Minuten vor ihrer Hinrichtung durch ein britisches Erschießungskommando geknipst.

Sonst wissen wir nichts von ihnen. Um so mehr ist uns über den bekannt, auf dessen Befehl sie, wie zweihunderttausend ihrer Mitbürger, die gleich ihnen nicht zu Verrätern an den Partisanen im Dschungel werden wollten, vom Leben zum Tode befördert wurden, um "Malaya zu befrieden". Er,General Templer, Hochkommissar der britischen Kolonie, ist nach dem Zeugnis seiner redseligen Gemahlin, der eine genaue Kenntnis des Mannes nicht abgesprochen werden kann, ein musterhafter Ehegatte, ein vorzüglicher Psalmensänger und ungewöhnlicher Tierfreund. Er trinkt seinen Tee mit Milch, aber ohne Zucker, raucht mäßig, zieht Scotch allen anderen alkoholischen Getränken vor, sammelt alte Bibeln und ist ein leidlicher Golfspieler, der 90 bis 100 Schläge für eine Partie braucht. Und da er nur das Herz und Gemüt, nicht jedoch die Rückenflosse und das Gebiß eines Haifisches besitzt (im Gegenteil, die Bilder von ihm, es gibt ihrer eine ganze Menge, zeigen ihn als distinguierten Herrn mit angesilberten Schläfen und rosigen Bäckchen), könnte man beinahe glauben, er sei ein Mensch.

Die Internationale

Eine Anekdote aus dem ersten Jahr der Hitlerherrschaft

Bei einer sogenannten Großfahndung nach den Druckern und Verteilern der Flugschriften, die bald von den Dachgärten der Warenhäuser herunterflatterten, bald in die Briefkästen der Kleinwohnungen fielen, bald wieder zwischen den Seiten der Telefonbücher in den Fernsprechzellen auftauchten, wurden in der westfälischen Industriestadt E… sechshundert Arbeiter festgenommen und einem Befehl des Polizeipräsidenten gemäß nicht ins Untersuchungsgefängnis, sondern in die SA-Kaserne am K… markt eingeliefert.