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"Uns kann keenerl"

Unter den Verhafteten, die kurz vor Weihnachten 1934 nach der Durchsuchung eines Häuserblocks im Berliner Osten zum Verhör in die SA-Kaserne General-Pape-Straße geschafft wurden, befand sich auch der Maschinenschlosser P…, in dessen Wohnung man einen Abziehapparat und das auf Wachsmatrizen geschriebene Manuskript einer illegalen Zeitung gefunden hatte.

Auf die von Kolbenstößen und Fußtritten begleiteten Fragen, wer das Manuskript verfertigt und von wem es P… erhalten habe, antwortete er, er sei Kommunist und verrate seine Genossen nicht. Der Sturmbannführer, der ihn verhörte, meinte darauf, er solle sich nicht mausig machen, man sei in der General-Pape-Straße schon mit ganz anderen fertig geworden, und gab dann Befehl, das "Schwein kirre zu machen".

Als das trotz Anwendung erprobter Mittel, wie Ansengen der Fußsohlen und Brechen der Finger, nicht gelang und der Gefangene auch in den Pausen zwischen den Ohnmachten stumm blieb, ließ der Sturmbannführer den Sohn des P… holen und vor dem Vater halbtot prügeln. Aber der Alte blieb stumm.

Sinnlos vor Wut, gab der Sturmbannführer seinen Leuten Order, den Kerl in den Keller zu schaffen.

Die Geschichte der Revolution berichtet von großen und stolzen Worten, mit denen zum Tode verurteilte Kämpfer starben. Die Pariser Kommunarden riefen, an der Mauer des Friedhofs Pere Lachaise stehend, den Füsilieren des Generals Gallifet ihr "Vive la Commune!" entgegen; Levine sprach bei der Verkündung des Todesurteils das Wort von den Kommunisten, die nur Tote auf Urlaub sind; die gefangenen Roten Kommissare von Baku sangen, als man sie zur Exekution führte, die Internationale. Der Maschinenschlosser p… tat nichts dergleichen. Als die SA-Männer unten im Keller die Revolver entsicherten, sagte er nur auf gut berlinerich:

"Uns kann keener!"

Der weiße und der schwarze Hund

Der Tiergarten menschlicher Dummheit und Niedertracht enthält nicht nur, wie in einer der vorangehenden Anekdoten berichtet, Papageien arischen und nichtarischen Geblüts, sondern auch anderes abstruses Getier.

Wenn man zum Beispiel als Fremder, den es danach gelüstet, die Denkwürdigkeiten der Stadt Washington in Augenschein zu nehmen, durch die entlegeneren Straßen ihres Nordwestviertels streift, kann es einem geschehen, daß man unversehens auf einen kleinen Friedhof stößt, dessen Firmenschild unter den Worten "Für unsere vierfüßigen Lieblinge" den Vermerk "Nur für weiße Klienten" trägt.

Wer nun etwa auf den Gedanken gerät, daß im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten schließlich auch die Tiere menschliche Unsitten annehmen könnten, wird durch die — in einem Bericht des Ausschusses zur Bekämpfung der Rassenungleichheit in der amerikanischen Hauptstadt wiedergegebene — Auskunft der Friedhofsdirektion eines Besseren | belehrt. Den Hunden, so heißt es dort mit dem in Geschäftsdingen gebotenen heiligen Ernst, mache es wohl nichts weiter aus, ohne Rücksicht auf die Hautfarbe ihrer Herren innerhalb einer und derselben Mauer beerdigt zu werden. Dagegen würde die Leitung eines Friedhofunternehmens von gewissem Rang durch die Zulassung verschiedenrassiger Besitzer von Hundeleichen sich einen unverzeihlichen Verstoß gegen die herrschenden Sitten zuschulden kommen lassen und dergestalt den sicheren Ruin herausfordern.

PS: In den öffentlichen Blättern der Vereinigten Staaten kann man immer wieder lesen, daß Washington heute — wir schreiben das Jahr 1948 — die unbestreitbare Metropole der westlichen Demokratie und christlichen Kultur ist.

Der Zeuge Zachow

Im Reichstagsbrandprozeß kam es bei der Vernehmung eines Zeugen, des Arbeiters Zachow, zu einem Vorfall, der — gemessen an anderen Szenen, die sich bei der Gerichtsverhandlung abspielten — vielleicht klein und wenig erwähnenswert scheinen mag, der jedoch gleichwohl zu den zutiefst ergreifenden Episoden jenes denkwürdigen Prozesses gehört.

Als der Vorsitzende den Zeugen ins Verhör nahm, brach dieser, ein vorzeitig gealterter, weißhaariger Mann, den eine jahrelange Erwerbslosigkeit und die Haft im Konzentrationslager offensichtlich gebrochen hatten, in Tränen aus und redete die Richter mit Titeln an, wie sie im Verkehr zwischen Leibeigenen und Herren üblich gewesen sein mögen. Trotzdem ließ er sich weder durch Zureden noch durch unmißverständliche Drohungen zu einer Aussage verleiten, die dem Oberreichsanwalt hätte von Nutzen sein können. Um dem Gericht nun wenn schon keinen Belastungszeugen, so doch einen reuigen Sünder vorzuführen — war doch Zachow verhaftet worden, weil er Kameraden, die den Gedanken an Widerstand nicht aufgegeben hatten, seine letzten zwanzig Pfennig für ihren "Kampffonds" zugesteckt hatte —, stellte der Oberreichsanwalt dem Zeugen die Frage, welcher Partei er sich nun, wenn er die Wahl hätte, anschließen würde. Worauf Zachow nach einer längeren Pause, in der er sichtlich mit sich rang, wohl wissend, daß eine befriedigende Antwort seine Freilassung, eine unbefriedigende seine Rücksendung ins Konzentrationslager und wahrscheinlich sogar die "Erschießung auf der Flucht" bewirken werde, dennoch erwiderte, er würde, weil er ein Arbeiter sei, für die Kommunisten stimmen.

Er wurde nach dieser zitternd und mit verlöschender Stimme gegebenen Antwort von zwei Wachmeistern in die Mitte genommen und eilig aus dem Saal getun ihn nachher nicht wieder gesehen.

Das blaue Tuch

Unter den vom Westberliner Rundfunk irregeführten und durch feindliche Agenten aufgehetzten Treptower Arbeitern, die am 17. Juni 1953 ihre Arbeit niedergelegt und sich in der Nähe des Rathauses zusammengerottet hatten, um nach Berlin zu marschieren, erschienen mit einemmal vier Junge Pioniere namens Carola Richter, Peter Barnick, Werner Schmidt und Wolfgang Schremmer und begannen selbstverfertigte Flugblätter folgenden Inhalts zu verteilen: "Arbeiter! Arbeiter, unterlaßt den Streik, denn ihr schadet euch selber. Nehmt die Arbeit wieder auf! Eure Thälmannpioniere."

Der in Kinderschrift auf blau liniierte Seiten aus einem Schulheft geschriebene Aufruf verfehlte seine Wirkung nicht. Von den schon zur Demonstration Entschlossenen wurden viele, nachdem sie die Flugblätter gelesen, wankend und verließen den Sammelplatz; andere fingen untereinander und mit den Rädelsführern zu diskutieren an; der ganze Haufe wurde von Unsicherheit und Mißbehagen befallen.