Genossen des Sohns, der sich verborgen halten mußte, brachten die Greisin in einem Nachbarort, Ramcugua, unter. Dort sorgt die Gewerkschaft für sie. Was die Braden Company anlangt, so ist die Angelegenheit für sie erledigt. Im übrigen hat die Direktion den Aufwand nicht gescheut, die etwas unansehnlich gewordene Inschrift auf dem Denkmalssockel neu vergolden zu lassen; sie weiß schließlich, was sie sich, ihrer Stadt Sewell und deren Besuchern von Distinktion und Vermögen schuldig ist.
Kannitverstan
Ein holländischer Pfeffersack, der sich einbildete, viel von Kunstdingen zu verstehen, weil er einen erklecklichen Teil seiner — aus dem Handel mit den Kolonien stammenden Profite in Bildern und Plastiken anlegte, ließ sich durch einen Pariser Kunsthändler bei Picasso einführen und sagte nach einem Rundgang durch das Atelier des Malers: "Sie entschuldigen schon, Meister, ich verstehe alle Ihre Werke mit einer Ausnahme."
"Und die wäre?"
"Ihre Taube. Die ist mir zu primitiv. Die verstehe ich nicht."
Und Picasso darauf, ohne eine Miene zu verziehen: "Verstehen Sie Chinesisch, mein Herr?"
"Chinesisch?" entgegnete, indem er verdutzt die Augen aufriß, der Holländer. "Nein, aber…"
"Aber sechshundert Millionen verstehen es", bemerkte Picasso, öffnete die Türe und komplimentierte den kunstverständigen Pfeffersack hinaus.
Onkel Soras Gehlen und Werthers Lotte
Wer unterfängt sich, zu behaupten, daß die von Onkel Sam wieder zu Macht und Glanz gebrachten "Soldaten des Führers" keinen Sinn für humanistische Kulturwerke hätten?
In einem der Prozesse gegen dingfest gemachte Agenten der in amerikanischem Auftrag von einem ehemaligen Hitlergeneral geleiteten Organisation Gehlen gestand der Angeklagte, ein gewisser Schröder, bei dem man neben Sprengstoffen, Giftampullen, Rezepten zu Brandstiftungen und anderen Gaben des goldenen Westens erstaunlicherweise auch ein Buch gefunden hatte, ihm sei dieses von seinem Boß mit der Weisung übergeben worden, einen Satz daraus als Schlüssel für die Chiffrierung von Spionageberichten zu verwenden. Das Buch war Thomas Manns Roman "Lotte in Weimar".
Nur ein halber Schritt
John Foster Dulles, Außenminister in Präsident Eisen howers "Kabinett der großen Geschäftsleute", war dafür bekannt, daß er im Umgang mit Verhandlungspartnern, die seiner Politik der Stärke die Stärke ihrer Politik entgegensetzten, nicht nur die diplomatische, sondern auch die Höflichkeit schlechthin außer acht ließ, wobei er sich gern den Anschein eines altamerikanischen Biedermanns gab, der nichts auf der Welt fürchtet, nur Gott, und im übrigen kein Blatt vor den Mund nimmt. So bemerkte er einmal am Schluß einer internationalen Konferenz, auf der er mit allen Mitteln eine von der Sowjetdelegation vorgeschlagene Einladung der chinesischen Volksregierung zu hintertreiben versucht hatte, zu dem neben ihm stehenden Wyschinski, er halte, auch wenn er sich nächstens mit den Roten aus China an einen Tisch setzen müsse, an seiner Meinung fest, die da| laute, daß — nichts für ungut! — vom Kommunisten zum Verbrecher nur ein Schritt sei.
Worauf Wyschinski, indem er, verschmitzt blinzelnd, die Entfernung zwischen sich und dem anderen maß, "Ganz Ihrer Meinung, Mister Dulles!" entgegnete. "Manchmal, nichts für ungut, ist es auch nur ein halber."
Wer den Penny nicht ehrt
Gegen Ende des Jahres 1954 machte in den kanadischen Provinzzeitungen ein Bericht aus Winnipeg die Runde, demzufolge vor das dortige königliche Gericht ein gewisser John F. Smallman gebracht worden war, weil er einen vom Viehmarkt heimkehrenden Händler betrunken gemacht, niedergeschlagen und der ganzen Barschaft — es handelte sich um vierundsiebzig Dollar — beraubt hatte. Während des Prozesses stellte sich zum allgemeinen Erstaunen heraus, daß Smallman zu den reichsten Männern im Staate Manitoba gehörte. Auf die Frage des Richters, was ihm, einem zehnfachen Millionär, eine so geringfügige Summe wie die bei dem Raub erbeutete habe bedeuten können, entgegnete Smallman nicht ohne einige Indignation im Tonfall, er entstamme einer Familie, in der man seit undenklichen Zeiten nach der Lehre erzogen werde, daß, wer den Penny nicht so lieb habe wie den Dollar, niemals dazu komme, einen Dollar zu wechseln, geschweige denn Reichtümer zu sammeln.
John F. Smallman wurde, wie nicht anders zu erwarten, unter Zubilligung mildernder Umstände bedingt zu achtzehn Monaten Gefängnis verurteilt und gegen eine entsprechende Kaution auf freien Fuß gesetzt.
Der Bericht über den Prozeß war überschrieben: "Verirrung eines Mannes von Vermögen".
Sorge um den Menschen
Soweit überhaupt durch unsere Kraft etwas für die Beseitigung der Folgen geschehen kann — ich denke hier an die materiellen Schäden, die der Nationalsozialismus den von ihm Verfolgten zugefügt hat hat das deutsche Volk die heilige Pflicht, zu helfen, auch wenn dabei von uns, die wir uns persönlich unschuldig fühlen, Opfer verlangt werden, vielleicht schwere Opfer.
In dem badischen Städtchen S… lief zu Beginn des Jahres 1953 folgende Redensart um: "Ein Mann ein Wort, ein Kanzler ein Wortbruch."
Das kam so:
Zur selben Zeit, da bekannt wurde, daß der wegen Beihilfe zu Mord und Totschlag im Lager von Bergen-Belsen verurteilten Oberwachtmeisterin Hertha Ehlert von einem Adenauerschen Ministerium die sogenannte Heimkehrent-Schädigung zugesprochen worden war, wies die Wieder gutmachungsbehörde des Landes Baden-Württemberg d um eine Rente ansuchenden Markus W… aus S… mit der Begründung ab, die fettarme Kost im Konzen trationslager müsse seiner Gesundheit förderlich gewesen sein. Markus W… hatte, als die Nazis ihn hinter Stacheldraht setzten, ein schweres Gallenleiden.
Die "Süddeutsche Zeitung" wußte im November 1954 von einer Entscheidung der westdeutschen Wiedergutmachungsämter zu berichten, einer Entscheidung, die — so unglaublich sie uns vorkommen mag — doch auf keinerlei Weise, weder durch ein Über- noch durch ein Untermaß aus der üblichen Praxis dieser Behörden hervorsticht.
Die besagten Ämter hatten, da sie der Meinung gewesen, das von den Nazis eingerichtete Getto zu Sosschnowitz habe eine Umzäunung aus Stacheldraht gehabt, drei Jahre lang an ehemalige Gettobewohner Haftentschädigung ausgezahlt. Als sie jedoch eines Tages feststellen zu können glaubten, daß die Nazis das Getto uneingezäunt gelassen und bloß I auf jeden, der es zu verlassen versucht, scharf geschossen hatten, stellten sie nicht nur alle weiteren Zahlungen an die ehemaligen Insassen des Sosschnowitzer Gettos ein, sondern machten sich ohne Verzug daran, die schon ausgezahlten Beträge wieder einzutreiben.